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Die Axt im Walde

Für den Bau von Einfamilienhäusern in Wilsdruff sollen ein Wald gerodet und bis kommende Woche 15 Stück Damwild erschossen werden.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Hauke Heuer

Wilsdruff. Die Anwohner des Birkenhainer Weges in Wilsdruff sind wütend. Rund 20 Menschen stehen mit Kind und Kegel am Damwildgehege am Ende der Straße und halten ein Schild in die Kamera, das der Stadtverwaltung vorwirft, Tatsachen zu schaffen und den Umweltschutz mutwillig zu ignorieren. Der Hintergrund: Nach dem jahrelangen Streit um die geplante Wohnbebauung zwischen der Nossener Straße und dem Birkenhainer Weg erreicht der Konflikt nun wohl ein vorläufiges Ende. Veränderungen stehen an. So soll ein Halter von 15 Stück Damwild bis zur kommenden Woche das von ihm gepachtete Grundstück räumen, um eine Baumfällung zu ermöglichen. Parallel dazu liegt die finale Version des neuen Flächennutzungsplanes der Stadt Wilsdruff nur noch bis 12. Januar zur Einsicht im Bauamt aus. Wird der Plan vom Stadtrat verabschiedet, steht dem Bau von Einfamilienhäusern in dem Gebiet, das sich im Besitz der Stadt sowie in privater Hand befindet, fast nichts mehr im Wege.

Zuletzt wurde der Entwurf des Flächennutzungsplanes auch in Reaktion auf die Proteste der Anwohner dahingehend geändert, dass nicht mehr 19, sondern vier Hektar Baufläche ausgeschrieben werden. Der gesamte Bereich westlich des Birkenhainer Weges wurde gestrichen. Übrig blieb nur das Gebiet im Süden. Hier existiert seit 1997 ein rechtskräftiger Bebauungsplan. Ein Teil der Grundstücke, die von Süden her über die Straße am Wasserhäuschen erreicht werden können, ist bereits bebaut.

Doch den Anwohnern reicht die Reduzierung im Flächennutzungsplan nicht. Sie kritisieren vor allem die für die kommende Woche geplante Rodung der Fläche der ehemaligen Baumschule. Seit der Insolvenz des Betriebes Anfang der 90er-Jahre ist hier auf rund zwei Hektar ein kleines Wäldchen entstanden, das nun den Kettensägen zum Opfer fallen soll. „Wir fordern eine intensive Umweltprüfung vor Ort und nicht nur am Schreibtisch. Hier hat sich ein Wald mit einem eigenen Ökosystem entwickelt, in dem Fledermaus, Hase, Storch und Eule heimisch sind“, sagt Wolfgang Walter, der in der Nachbarschaft wohnt. „Geht die Fläche verloren, ist dies ein großer Verlust für Wilsdruff. Eine Aufforstung außerhalb der Stadt kann das nicht ersetzen.“ Darüber hinaus fühlen sich die Anwohner von der Stadtverwaltung geschnitten. „Bereits Ende 2016 haben wir einen Widerspruch gegen die Pläne eingereicht. Seitdem hat sich niemand mit unserem Anliegen auseinandergesetzt. In einer Demokratie sollte mehr Transparenz und eine Beteiligung möglich sein“, ärgert sich Wolfgang Walters Bruder Matthias Walter. Beide wohnen seit 57 Jahren am Birkenhainer Weg und sprechen stellvertretend für viele Anlieger.

Die nun angesetzte Rodung des Waldes trifft Damwildhalter André Oehme besonders hart. Seine Tiere stehen auf einer Fläche, die sich in privater Hand befindet. „Ich habe am Dienstag vor Weihnachten von der Besitzerin die Aufforderung erhalten, das Grundstück innerhalb weniger Wochen zu räumen, damit die Bäume gefällt werden können. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als die teils trächtigen Tiere auf einmal erschießen zu lassen. Wäre ich rechtzeitig informiert worden, hätte ich ein anderes Grundstück pachten können und nicht radikal schlachten müssen“, erklärt Oehme. Er verweist darauf, dass insbesondere Kindergartengruppen sein Wildtiergehege oft aufsuchen. Das sei nun unmöglich. Der Stadt gehe ein wichtiges Naherholungsgebiet verloren, so Oehme.

In der Wilsdruffer Stadtverwaltung schätzt man die Situation am Birkenhainer Weg gänzlich anders ein. Bauamtsleiter André Börner verweist unter anderem darauf, dass schon lange ein rechtskräftiger Bebauungsplan für das Gebiet besteht. Darüber hinaus habe die Baumschule vor der Insolvenz die heutige Waldfläche als Ackerland gepachtet und sei verpflichtet gewesen, die Fläche als Ackerland zurückzugeben, was nicht geschehen ist.

Das Bauamt teilt dennoch die Auffassung der Anwohner sowie auch des Landratsamtes in Pirna, dass es sich bei der Fläche um einen Wald handelt. In Folge dessen habe man Anfang des vergangenen Jahres eine ökologische Bestandsaufnahme vorgenommen und sich dazu verpflichtet, eine Aufforstung außerhalb der Stadt durchzuführen. Bauamtsleiter Börner verweist auch auf die hohe Nachfrage nach den Grundstücken. Der Bedarf an Wohnraum sei in der gesamten Kommune akut. Derzeit lägen in der Stadtverwaltung rund 60 Interessenbekundungen für Bauland in Wilsdruff vor. Man sei froh, dass nach 20 Jahren ein privater Investor gefunden sei, der die Fläche erschließe und nicht die Stadt das finanzielle Risiko tragen müsse.