Merken

Die Bahn fährt weiter an Ostsachsen vorbei 

Der Fahrplanwechsel am Wochenende bringt mehr Komfort, Platz und Verbindungen – aber anderswo. Und höhere Preise für alle. 

Von Michael Rothe
 5 Min.
Teilen
Folgen
Kommt vorerst nur gedruckt nach Ostsachsen: Der ICE4, der neue Hochgeschwindigkeitszug der DB.
Kommt vorerst nur gedruckt nach Ostsachsen: Der ICE4, der neue Hochgeschwindigkeitszug der DB. © dpa/Sven Hoppe

Dresden. „Die Deutsche Bahn hält mit dem kommenden Fahrplan ab 9. Dezember zahlreiche Verbesserungen für Reisende im Nah- und Fernverkehr bereit.“ So verheißt das selbst ernannte „Unternehmen Zukunft“ schon vor Weihnachten viel Gutes – wie jedes Jahr. „Mehr Komfort, mehr Platz, mehr Verbindungen“, heißt es. Doch der Großraum Dresden taucht in der Ankündigung kaum auf – wie fast jedes Jahr.

Wer Positives für Ostsachsen sucht, der muss in der Mitteilung ganz nach unten gehen. Dort ist von der „bedeutungsvollen Verbindung zwischen Deutschland und Osteuropa Knappenrode–Horka“ die Rede, die zu Wochenbeginn offiziell in Betrieb ging – und die zuerst eine Gütertrasse ist. Dort fährt laut Betreiber Odeg alle zwei Stunden auch ein Regionalzug zwischen Hoyerswerda und Görlitz – wie schon vor acht Jahren, ehe Ausbau und Elektrifizierung begannen, nur etwas schneller.

„Nichts Neues in Sachsen“, kommentiert Ronny Hausdorf vom Fahrgastverband ProBahn. „Alle Ankündigungen sind kosmetischer Natur, es ändert sich nicht wirklich etwas“, so der Verbandsvorsitzende für Mitteldeutschland gegenüber der SZ. Und das, was sich ändert, ist nicht automatisch gut: Wer mit dem Intercity (IC) zwischen Dresden, Leipzig und Hannover unterwegs ist, muss ab Juni mehr Zeit einplanen, weil der Bahnhof Köthen modernisiert und umfahren wird. Durch die Umleitung über Bitterfeld brauchen die Fernzüge länger.

„Der ICE 4 – jetzt häufiger in Deutschland unterwegs“, heißt es in der Mitteilung der Bahn. Wer das neue Aushängeschild des Konzerns sehen oder gar mitfahren will, muss sich nach Leipzig aufmachen und dort in Züge der Rennstrecke Berlin–München einsteigen. Auf der im Dezember 2017 eröffneten Trasse für Tempo 300 wurden bislang 4,4 Millionen Reisende gezählt, doppelt so viele wie im Vorjahr. Um der Nachfrage gerecht zu werden, stockt die Bahn dort auch ihr Angebot von drei auf fünf Sprinterzüge pro Tag und Richtung auf. Der ICE 4 ist ansonsten im Westen unterwegs, so zwischen Düsseldorf und Stuttgart. Dort erhöht die DB auch die Direktverbindungen über Frankfurt/Main-Flughafen um drei auf 14 Fahrten pro Tag und Richtung. Neu ist ferner ein täglicher ICE zwischen Berlin und Wien.

Auch Richtung Polen tut sich was: mit einer neuen Eurocity-Linie Berlin–Breslau–Krakau. Und von Sachsen aus? „Die umsteigefreie grenzüberschreitende Verbindung von Dresden nach Breslau fällt weg. Die Elektrifizierung der Bahnstrecken kommt in Polen, aber nicht in Deutschland voran. Ab Sonntag müssen Fahrgäste einmal im polnischen Węgliniec umsteigen“, sagt der sächsische Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen).

Der Verkehrsexperte kritisiert ferner, dass besagte EC-Verbindung Berlin–Breslau nicht über die neue niederschlesische Magistrale geführt wird, sondern über Frankfurt/Oder und Zielona Góra. „Die Lausitz bleibt ein großes Fernverkehrsloch“, sagt er und: „Deutschlandweit verbessert sich durch den Fahrplanwechsel das Angebot für die Bahnkunden, an Sachsen fährt die Angebotsoffensive der Deutschen Bahn jedoch vorbei.“ Trotz hoher Nachfrage erhalte Dresden keine weiteren Direktverbindungen nach Berlin. Wer nach 19 Uhr von Sachsens Landes- in die Bundeshauptstadt wolle, müsse teure ICE-Verbindungen über Leipzig wählen und dafür auch noch länger fahren. „Ein besseres Förderprogramm für den Fernbus ist kaum vorstellbar“, so Kühn süffisant. „So wird die Bahn keine neuen Kunden gewinnen.“

Laut einer Bahnsprecherin nimmt die Nachfrage auf der Strecke ab 20 Uhr deutlich ab. „Deswegen lässt sich derzeit wirtschaftlich keine spätere Verbindung zwischen Dresden und Berlin darstellen.“

„Die DB verbessert aber nicht nur das Angebot zwischen den Metropolen, auch das Fernverkehrsangebot in der Fläche wird ausgebaut“, hält die derart Kritisierte dagegen. So würden nun über die Mitte-Deutschland-Verbindung täglich drei IC-Zugpaare von Nordrhein-Westfalen beziehungsweise Kassel über Erfurt und Jena ins thüringische Gera fahren. Sachsen habe die Chance vertan, mit einer Verlängerung der Strecke nach Chemnitz wieder eine umsteigefreie Verbindung zwischen Ostthüringen und Südwestsachsen zu schaffen“, kritisiert Experte Kühn. Ein umsteigefreier IC-Takt bis Chemnitz sei erst mit Elektrifizierung der Strecke Weimar-Gera-Gößnitz möglich, die ab Ende 2032 vorgesehen ist“, erklärt die Bahnsprecherin.

Auch der Einsatz der Intercity-2-Flotte schreitet voran: Auf der Linie Nürnberg–Stuttgart–Karlsruhe würden die neuen Fahrzeuge eingesetzt – nicht zulasten von Dresden–Köln und Leipzig–Norddeich, den mangels Waggons bislang einzigen Strecken mit sächsischer Beteiligung, heißt es auf Anfrage vom Konzern. Dort gibt es einen Lichtblick: In einem Jahr soll eine zweistündliche IC-2-Linie Dresden–Berlin–Rostock/Warnemünde starten.

Auch für den Regionalverkehr 2019 feiert sich die Bahn: „Mehr Fahrzeuge, besseres Angebot und neue Verkehre“, heißt es und meint die Ballungsgebiete Stuttgart, Hamburg, Berlin, Rhein-Main und München. In Sachsen steuert sie zwei neue Haltepunkte bei: Leipzig/Essener Straße und Chemnitz/Küchwald. Und es gibt noch etwas, von dem auch Bahnreisende hierzulande profitieren: Fortan können Tickets für Nah- und Fernverkehr auf bahn.de gebührenfrei mit paydirekt, dem Online-Bezahlverfahren deutscher Banken und Sparkassen, bezahlt werden.

Apropos: Am Sonntag erhöht die DB die Fernverkehrspreise im Schnitt um 0,9 Prozent – „deutlich unterhalb der aktuellen Inflationsrate“, betont die Bahn. Spar- und Super-Sparpreise bleiben stabil wie Kosten für Reservierungen und die Bahncards 25 und 50. Streckenzeitkarten und die Bahncard 100 werden um 2,9 Prozent teurer. Bei Streckenzeitkarten wird die Mindestvertragslaufzeit von zwölf auf drei Monate verkürzt. Der Bordpreis, also das Entgelt, das beim Ticketkauf im Zug zusätzlich zu entrichten ist, steigt von 12,50 auf 19 Euro.