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Die Bautzner Straße ist auf Sand gebaut

Die Kanalbauer müssen bis zu acht Meter ins Erdreich. Um nicht unter rieselndem Sand zu verschwinden, wird eine seltene Bautechnik angewendet.

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Von Kathrin Kupka-Hahn

Die Bautzner Straße gleicht momentan einer Mondlandschaft. Nur, dass hier die Krater viereckig sind. Vier davon sind derzeit zwischen Martin-Luther-Straße und Prießnitzstraße zu sehen. Mit dem Gleisausbau der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) haben sie allerdings nur wenig zu tun. Die Baustelle in der Bautzner Straße nutzen mehrere Unternehmen, wie etwa die Stadtentwässerung, der Energieversorger Drewag und auch die Telekom, um ihre unterirdisch verlaufenden Versorgungsleitungen zu sanieren und teilweise auch zu erneuern. Am tiefsten ist dabei die Stadtentwässerung unterwegs – in besagten viereckigen Kratern. „Diese sind bis zu acht Meter tief“, erklärt Projektleiter André Leistner. Mitten hinein werden riesige Abwasserschächte gebaut. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Bautzner Straße und auch ihre Häuser sind auf Sand gebaut. Sobald tiefer gegraben wird, rutscht der Sand nach. „Da findet man keinen wieder“, bestätigt DVB-Bauleiter Leonard Hanusch. Um das zu vermeiden, werden die großen Baugruben mit Spritzbeton ausgekleidet. Dabei arbeiten sich die Fachleute abschnittsweise in die Tiefe vor. „Pro Tag entsteht etwa ein halber Meter“, sagt Leistner.

Zum Befestigen der Grubenwand werden Bewährungsmatten einbetoniert, die mehrere Anker halten. Diese werden etwa aller eineinhalb bis zwei Meter gesetzt und ragen bis zu sieben Meter ins Erd- beziehungsweise Sandreich. Etwa 24 Stunden braucht der Beton, um auszutrocknen. Dann kann am nächsten Grubenabschnitt weitergearbeitet werden. „Bis eine acht Meter tiefe Grube fertig ist, vergehen circa zwei bis drei Wochen“, sagt Leistner. Da in den Nächten noch frostige Temperaturen vorherrschen, kommen in den Baugruben Heizungen zum Einsatz. Schließlich muss der straffe Zeitplan eingehalten werden.

Doch nicht nur der abrutschende Sand macht diese selten angewendete Bauweise erforderlich. „Wir vermeiden so auch unnötige Erschütterungen“, sagt DVB-Bauleiter Hanusch. Diese können bei starken Erdbewegungen und durch den Einsatz von Rüttelplatten entstehen. Über die Fundamente werden sie in die Häuser übertragen. Schäden seien dann programmiert und auch teuer. „Es könnte durchaus passieren, dass bei Pfunds Molkerei Fliesen von der Wand fallen“, sagt André Leistner. Er koordiniert und beaufsichtigt nicht nur den Bau der Entwässerungsschächte in der Bautzner Straße. Parallel dazu werden auch die Abwasserkanäle saniert. Sie bestehen aus Beton oder Sandstein. „Einige sind über 100 Jahre alt und eigentlich nicht mehr zu gebrauchen“, so Leistner. Früher musste in solchen Fällen alles aufgegraben und ersetzt werden. Heute hingegen werden in die alten Kanalabschnitte sogenannte Inliner eingezogen. Das ist ein glasfaserverstärkter Kunststoff, der den Abwasserkanal auskleidet. Mit ultraviolettem Licht wird dieser Kunststoff ausgehärtet. Dadurch bekommen die alten Röhren Stabilität und ihre Funktionalität zurück.

Zu Beeinträchtigungen für die Anwohner in der Bautzner Straße kommt es bei den Arbeiten am Abwassernetz nicht. Wird an einem Schacht gearbeitet, so wird von dem davorliegenden bis zum dahinterliegenden eine Umleitung installiert. „Da die Schächte in Abständen von 50 bis 100 Meter stehen, ist das kein Problem“, so der Bauleiter. Vorteil sei auch, dass in der Bautzner Straße in mehreren Bauabschnitten gearbeitet wird. „Dennoch ist man vor Überraschungen nie sicher“, so DVB-Bauleiter Hanusch. Funde aus früheren Zeiten seien dabei keine Seltenheit. In der Bautzner Straße wurden bisher Reste eines alten Entwässerungssystems gefunden. „Es ist in den Plänen nicht eingezeichnet“, so Hanusch. Er vermutet, dass es aus dem 18. oder 19. Jahrhundert stammt. Denn die Bautzner sei damals schon eine viel befahrene Handelsstraße gewesen.