Von Lutz Bernhardt
Riesa. Die Weidaer Straße war noch unbefestigt, beiderseits mit Straßengräben ausgestattet und mit Pflaumenbäumen bepflanzt. Sie verbindet die Stadtteile Weida und Merzdorf im Westen der Stadt miteinander. Das Gelände an der Weidaer Straße, rechts von Merzdorf kommend, war bereits in Parzellen aufgeteilt. Gegenüber standen die Schlichthäuser, Doppelhäuser einfacher Bauart. An das Neubaugebiet Weida war noch nicht zu denken. Familie Böhme kaufte sich eine Parzelle von der Baufirma Louis Schneider. So konnte 1959/60 das Einfamilienhaus im Stadtteil Merzdorf errichtet werden. Natürlich gehörte damals ein Kachelofen in die gute Stube.
Ende 1960 war es dann so weit. Die Eckkacheln des Ofens wurden im VEB Plattenwerk „Max Dietel“ in Meißen hergestellt. Von der Bestellung bis zur Lieferung der Kacheln vergingen sechs Monate. Aber Böhmes wollten unbedingt eine bestimmte Art von halbrunden Kacheln haben, was natürlich zu einer Bauverlängerung führte. „Den Kachelofen setzte der Ofensetzermeister Walter Buchwald aus Riesa-Gröba“, berichtet Johannes Böhme. Aus dem Kachelofen sollte Ende der 1990er Jahre ein offener Kamin entstehen. Seiner Frau Gisela war dieser Umbau nicht so recht, sagte sie, weil mit dem Kachelofen auch die Schlafstube durch einen Schacht geheizt werden konnte.
Um sich über den Umbau zu informieren, befragte Johannes Böhme den Ofensetzermeister. Dabei berichtete Buchwald, dass er beim Bau des Kachelofens heimlich in der Kaltzone ein Schriftstück aus Packpapier eingemauert habe. Packpapier gab es auf großen Rollen in den Geschäften um Waren einzupacken. Beim Entfernen der inneren Züge des Ofens entdeckte Johannes Böhme dann das Schriftstück.
Der Text lautete: „Es war eine schlechte Zeit, es herrschte der Kommunismus, das Übel der Menschheit, es gab nichts, was die Menschen zufriedenstellen konnte. Gebaut vom Ofensetzermeister Walter Buchwald Riesa Gröba / Rosenstraße 6, Merzdorf am 1.12.1960“. Dann konnte der Umbau des Kachelofens zum Kamin in Eigenleistung begonnen werden. Gisela Böhme ist nun mit dem neuen Kamin sehr zufrieden. Die alte Botschaft aus dem Kachelofen hat die Familie aufgehoben – bis heute.