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Die Brics-Länder sind in der Krise

Lange galten die fünf Schwellenländer als Hoffnungsträger der Weltwirtschaft, die schon bald die Industrienationen überflügeln. Doch jetzt kehrt Ernüchterung ein. Die Wirtschaft stockt, die Inflation steigt, der Außenhandel schwächelt. Der Glanz ist dahin.

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Tobias Schmidt

Peking. Es ist eine radikale Maßnahme: Chinas Notenbanker schwächen die Landeswährung Yuan (Renminbi) per Beschluss so stark wie nie zuvor an einem Tag. Das soll, so Experten, den Export ankurbeln. Denn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde kriselt. Und das Reich der Mitte ist nicht der einzige Staat aus der Riege der sonst so selbstbewussten Schwellenländer, der mit Wirtschaftsproblemen zu kämpfen hat. Ein Überblick über die Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika):

BRASILIEN: Richtig düster steht es um Brasilien. Die Industrie im fünftgrößten Land der Erde ist in der ersten Jahreshälfte um mehr als sechs Prozent eingebrochen. Die Arbeitslosigkeit schießt in die Höhe, und die Behörden rechnen für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft um 1,1 Prozent, nach plus 0,1 Prozent im Vorjahr. Die Inflation ist mit knapp 10 Prozent auf dem höchsten Stand seit zwölf Jahren. Innenpolitisch ist die Lage ähnlich brisant: Korruptionsskandale reichen in höchste Regierungskreise, und in Umfragen sprechen sich zwei Drittel gegen Präsidentin Dilma Rousseff aus. Dabei muss das Ausrichterland der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 dringend sparen und reformieren, denn die Investoren werden zunehmend skeptisch.

RUSSLAND: Die russische Wirtschaft steckt in der Klemme. Die Talfahrt der Ölpreise macht dem von Rohstoffen abhängigen Riesenreich mächtig zu schaffen. Hinzu kommen westliche Sanktionen im Zuge der Ukrainekrise. Der zeitgleich schwache Rubel macht alles noch schlimmer und treibt die Inflation auf über 15 Prozent. Gleichzeitig wollen die Notenbanker mit möglichst niedrigen Zinsen die Wirtschaft wieder auf Trab bringen. Das aber schwächt den Rubel weiter. Die Folgen sind verheerend: Die russische Wirtschaft ist laut Zahlen vom Montagabend von April bis Juni um fast 5 Prozent geschrumpft.

INDIEN: Mit einem jüngst gemeldeten Wachstum von 7,3 Prozent kommt die indische Wirtschaft anscheinend wieder in Fahrt. Doch auch der Zentralbankchef sieht diese Zahlen mit Skepsis, denn die Regierung hat die Berechnungsmethode geändert - und sich mehr als zwei Prozent dazu addiert. Wichtige Sektoren wie die industrielle Produktion entwickeln sich weiter schwach. Und die Opposition legt das Parlament lahm, so dass wichtige Gesetze zum Landerwerb und zur Mehrwertsteuerreform feststecken. Die Infrastruktur ist völlig unzureichend. Andererseits profitiert das Öl- und Gas-Importland von den niedrigen Rohstoffpreisen. Und auf dem Subkontinent steigt die Konsumlaune, was sich etwa an anziehenden Autoverkäufen sehen lässt.

CHINA: Der von der Notenbank geschwächte Yuan soll die Exporte stärken, indem er chinesische Waren im Ausland billiger macht. Die radikalen Maßnahmen wie zuvor schon nach einem Crash am Aktienmarkt kommen nicht von ungefähr. Chinas Wirtschaft wächst so langsam wie seit 1990 nicht mehr. „Steigende Löhne, sinkende Produktivität von Investitionen, schwächelnde Exporte - die Zeit des Turbowachstums ist vorüber“, sagt Björn Conrad, Vizechef des China-Instituts Merics in Berlin. Zwar sehen offizielle Wachstumszahlen für dieses Jahr von 7 Prozent - nach 7,4 Prozent 2014 - auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Aber von China wurde erstens mehr erwartet, und zweitens sehen Skeptiker das Wachstum nur bei 5 bis 6 Prozent.

SÜDAFRIKA: „Geschlossen wegen Stromausfalls“ - die Aufschrift solcher Schilder an Cafés oder Läden fasst Südafrikas wirtschaftliche Konjunkturflaute zusammen. „Heftige Stromausfälle (...) mindern wirtschaftliche Aktivität, entziehen Vertrauen und verhindern Investitionen“, schrieben Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Juni. Die Stromknappheit verhagelt der zweitgrößten Volkswirtschaft Afrikas die Wachstumschancen. 2014 wuchs die Wirtschaft noch um 1,5 Prozent, doch mehr ist nötig, um Millionen junger Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Arbeitslosenrate liegt offiziell bei 25 Prozent, bei Jugendlichen bei rund 35 Prozent. Die IWF-Vorhersage von 2 Prozent Wachstum für 2015 halten viele Analysten für optimistisch. Der südafrikanische Rand hat stark an Wert zu Euro und Dollar verloren. (dpa)