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Die Brot-Lüge

Viele neue Sorten klingen gesünder. Doch sind sie das auch? Verbraucherschützer fordern mehr Klarheit.

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Ein Lebensmittel mit vielen Namen: das Brot. Doch die Sortenvielfalt verwirrt.
Ein Lebensmittel mit vielen Namen: das Brot. Doch die Sortenvielfalt verwirrt. © dpa/Julian Stratenschulte

Von Sascha Meyer

Kennen Sie „Vitalbrot“? Oder „Sportlerbrot“? Beim Bäcker und im Supermarkt greifen viele Kunden gern zu neuen Kreationen – mit Ölsaaten, Chia-Samen oder viel Eiweiß. „Fitmacherbrot“ oder „Sportlerbrot“ klingt gesund und ist oft auch teurer.

Wo genau liegt das Problem?

„Hinter gesund klingenden Fantasienamen loser Backwaren stehen jedoch nicht zwangsläufig gesunde Produkte“, sagt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, anlässlich der Agrarmesse Grüne Woche, die am heutigen Freitag in Berlin beginnt. Jeweils mehr als die Hälfte der Befragten schätzen Bezeichnungen wie „Fitnessbrot“, „Powerbrot“ oder „Joggingbrot“ in puncto Gesundheit positiv ein, wie eine Umfrage für den Verband ergab – „Weizenmischbrot“ aber nur knapp 40 Prozent.

Welche Informationen gibt es schon?

Bei verpacktem Brot im Supermarkt müssen die Zutaten aufs Etikett gedruckt werden. In den meist dicht bestückten Regalen vieler Bäckereien stecken dagegen oft nur kleine Schilder mit Produktname und Preis. Für mehr Informationen zu Inhaltsstoffen, Allergenen oder Kalorien gebe es nur eine Lösung, so der Spitzenverband der Lebensmittelbranche BLL: das Verkaufspersonal fragen. Für Werbung mit Gesundheitsversprechen gilt in der Europäischen Union eine verbindliche Liste mit erlaubten Aussagen. Doch die hat Feinheiten, wie Verbraucherschützer monieren. So bedeute „Ballaststoffquelle“ bei Brot mindestens drei Gramm davon pro 100 Gramm, „ballaststoffreich“ aber doppelt so viel.

Was wollen die Verbraucherzentralen?

Auch bei losen Backwaren sollten Kunden verlässlich Angaben zu Zutaten und Nährwerten bekommen, fordert Müller. Und zwar am besten per Schild direkt am Produkt. Bäckereien, aber auch Selbstbedienungs-Stationen in Supermärkten könnten das sicher kreativ und lesbar ermöglichen. Viele Kunden wollten nicht erst im Internet oder irgendwelchen Kladden nachschlagen. Geschärft werden sollten auch Leitsätze im Deutschen Lebensmittelbuch, das die zu erwartende Beschaffenheit beschreibt – also eine Art Reinheitsgebot beispielsweise für Brotnamen, die so ähnlich wie „Vollkorn“ klingen.

Was sagen die Handwerks-Bäckereien?

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks betont, es gebe bei unverpackter Ware aus gutem Grund andere Vorgaben. Denn je nach Größe der Bäckerei sei die Produktion nur mehr oder weniger standardisiert. Zutaten könnten je nach Rohstoffangebot leicht variieren – und für jede kleine Rezepturänderung müssten dann neue Zutatenverzeichnisse und Schilder für sämtliche Filialen erstellt werden. „Backstationen im Discounter können das vielleicht, da ihre vorgebackenen Teiglinge aus industrieller Herstellung stammen“, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Im Handwerk sei das aber nicht leistbar. Auch in Restaurants bekomme man ja keine Zutatenverzeichnisse aller Speisen.

Wie viele Brotsorten gibt es?

Mehr als 98 Prozent aller Haushalte kaufen zumindest einmal jährlich Brot. Im Schnitt waren es 2017 44 Kilogramm pro Haushalt. Dabei ist die Vielfalt mit mehr als 3 200 Sorten im „Brotregister“ der Branche groß – von beliebten Mischbroten bis zu Apfel-Kürbis-Brot oder Dinkeltoast. Insgesamt kommen Bäckereien auf rund 14 Milliarden Euro Umsatz. Davon entfallen zwei Drittel auf die kleine Gruppe großer Unternehmen mit mehr als fünf Millionen Euro Jahresumsatz. Da hätten gerade traditionelle Bäcker mit klareren Kennzeichnungen die Chance, ihre Stärken auszuspielen, sagt Verbraucherschützer Müller. (dpa)