Von Catharina Karlshaus
Großenhain. Ein Witz, drei aufmunternde Worte und ganz viel Optimismus: Fünf Minuten mit Steffen Kummerlöw vermitteln das unbestimmte Gefühl, auf einer Insel der Glückseligen gelandet zu sein. Der Leiter des Seniorenzentrums Pro Civitate mit Niederlassungen in Meißen und Großenhain ist ohne Frage ein Sympathieträger – bei Mitarbeitern und Bewohnern gleichermaßen. Dass das Großenhainer Heim mittlerweile zur Röderstadt gehört, ist vor allem Kummerlöws Verdienst. Der 51-Jährige hat die Türen zum Seniorenzentrum stets offen gehalten und so ist es auch kein Wunder, dass das fünfte Jubiläum des Großenhainer Hauses am Freitag auf besondere Weise gefeiert wird. Allerdings: Steffen Kummerlöw ist keineswegs nur der Spaßmacher vom Dienst. Mit der SZ sprach der einstige Maschinenbauer und Krankenpfleger über die problematische Zukunft der Altenpflege und wieso es für ihn so wichtig ist, den letzten Lebensabschnitt seiner Bewohner lebenswert zu gestalten.
Herr Kummerlöw, sind Sie eigentlich wirklich jeden Tag so gut gelaunt?
Na, was denken Sie denn? Natürlich nicht! Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich meinen Beruf tatsächlich liebe, und jeden Tag gern zur Arbeit komme. Das ist ein großes Privileg, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Als ich mich 1990 dafür entschieden habe, den Maschinenbau gegen die Altenpflege einzutauschen, war das die beste Entscheidung überhaupt. Ich mag den ständigen Kontakt mit Menschen. Gleich nun, ob es meine Mitarbeiter sind oder es sich um die Bewohner handelt, die uns in Großenhain und Meißen anvertraut sind. Unsere Branche versteht sich mittlerweile als Dienstleister. Aber ich denke doch, dass Mitgefühl, ein würdevoller, wertschätzender und respektvoller Umgang unverzichtbar sind. Und deshalb – um auf Ihre Frage zurückzukommen – gebe ich mir jeden Tag Mühe, wenn schon nicht gut gelaunt, aber dennoch freundlich zu sein.
Weshalb sollten sich Ihrer Meinung nach Senioren oder Angehörige für das Großenhainer Heim entscheiden?
Wegen der familiären Atmosphäre! Ich behandele die 68 Bewohner nicht anders als meine Frau und meine Tochter. Die Frauen und Männer, die bei uns hier ein Zuhause finden, sollen nicht das Gefühl haben, irgendwohin entsorgt und von der Außenwelt abgeschottet zu sein. Dagegen verwahre ich mich schon immer und bin froh, in der Pro Civitate-Geschäftsführung inhaltlich einen gleichdenkenden Partner gefunden zu haben. Mir und meinem 70-köpfigen Team ist es wichtig, dass die Menschen nicht nur als zahlende Gäste betrachtet werden. Im Gegensatz zur ambulanten Betreuung im häuslichen Umfeld, wo rechnerisch zehn Minuten für die Betreuung zur Verfügung stehen, sollen sie bei uns tatsächlich rund um die Uhr umsorgt werden. Und Sie können mir glauben, unsere Altenpflegerinnen und Therapeuten leisten da eine gute Arbeit. Eine, die anstrengend und manchmal sehr hart ist. Ich habe da die höchste Achtung vor meinem Team und bin auch froh, dass uns die Großenhainer Ärzte vorbehaltlos unterstützen. Hinzu kommen Lachen, Lebensfreude, hin und wieder mal etwas Verrücktes tun, sich den Kummer von der Seele reden können, auf seine alten Tage mit der Ergotherapeutin etwas basteln, was man noch nie getan hat – all das trägt zum Wohlbefinden bei.
In der Theorie klingt das alles ganz wunderbar. Können Sie das Konzept auch fünf Jahre nach der Eröffnung des Seniorenzentrums so umsetzen?
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Leicht ist das nicht immer! Denn es kommen viele Komponenten dazu, die rein gar nichts mit Pro Civitate an sich zu tun haben. Der Druck, den die Leistungsgesellschaft auf jeden Einzelnen ausübt, geht auch an meinen Mitarbeitern und Angehörigen der Bewohner nicht vorüber. Es gibt viele Töchter, die ihre Mutter oder den Vater seit Monaten nicht besuchen. Es obliegt mir nicht, darüber zu richten, aber diese Tendenz nimmt zu. Andere Söhne bekriegen sich schon wenige Stunden nach dem Ableben des Elternteils in meinem Büro und nicht selten geht es ums Geld. Ja und schließlich gibt es Gesetze und staatliche Verordnungen, die eine Betreuung nicht einfacher machen.
Denken Sie dabei an die Ablösung der bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ab Januar 2017?
Ganz genau! Ich bin der Meinung, damit wird die gute deutsche Altenheimkultur verlorengehen. Denn bisher galt, jeder, der pflegebedürftig wurde, konnte zwischen verschiedenen Angeboten wählen. Wenn künftig kein Barvermögen da ist, wird es aus meiner Sicht ganz schwierig, einen Platz in einem Heim zu bekommen. Und das finde ich nicht richtig. Ein Land zeichnet sich für mich auch dadurch aus, welche Fürsorge sie den alten Menschen zuteil werden lässt. Eine Betreuung eines an Demenz Erkrankten etwa ist Zuhause ganz schwierig. Hier hätte man nicht sparen dürfen. Denn ich sehe doch jetzt schon, wie schwer es Familien und Betroffenen fällt, einen Platz zu finanzieren. In den Häusern Großenhain und Meißen hatte ich noch vor vier Jahren ein bis fünf Sozialhilfeempfänger. Jetzt sind es zwischen zehn und 15. Aber vielleicht irre ich mich ja auch und alles kommt ganz anders.
Wie lange müssen Interessierte auf einen Platz bei Ihnen warten?
Auf Tag und Stunde lässt sich das nicht sagen, denn es ist ja nun mal naturgemäß immer viel Bewegung bei uns drin. Aber ein paar Monate kann es schon dauern.
Angesichts der Wartezeiten und der künftigen Pflegegrade schielen manche Senioren nach dem Konzept einer Wohngemeinschaft. Für Sie eine Alternative zum klassischen Heim?
Aus dem Bauch heraus würde ich spontan antworten, ganz sicher nicht. Aber das ist auch nicht richtig, weil es vielleicht deutschlandweit wirklich gute Konzepte für Senioren-Wohngemeinschaften gibt. Da möchte ich nicht ungerecht sein. All jene, die mir bisher untergekommen sind, waren offengestanden eine Katastrophe. Denn das wirkliche Problem daran ist ja, dass sich eigentlich jeder, der Lust dazu hat, eine große Wohnung anmieten und darin Senioren unterbringen kann. Die sogenannten Betreiber müssen nicht einmal ein Führungszeugnis vorlegen. Stellen Sie sich das Mal vor! Das ist gerade in unserer Branche geradezu unverantwortlich.
Wie werden Sie das Jubiläum feiern?
Auf unsere typische Pro-Civitate-Art! Punkt um zehn werden am Freitag viele unserer Bewohner zu einem Festumzug durch die Stadt starten. Mit geschmückten Autos, einem Trecker und der K&K-Bahn werden wir ganz sicher nicht zu übersehen sein.
Gespräch: Catharina Karlshaus