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Die erste Biomilch aus Großdrebnitz

Der Agrarbetrieb stellt auf Öko-Landwirtschaft um. Als einer der ersten dieser Größe in ganz Sachsen.

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Von Ingolf Reinsch

Seit vergangener Woche liefert die Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft nur noch Biomilch. Am Freitagmorgen wurde der erste Tanker damit befüllt – 21 Tonnen oder – für den Laien – 21 000 Liter. Martino Blank, Mitarbeiter einer Spedition, hat die kostbare Fracht in eine Molkerei nach Franken gebracht. Er steuerte das erste Mal den Bischofswerdaer Ortsteil an. Künftig wird er täglich zwischen der Großdrebnitzer Milchviehanlage und fränkischen Molkereien bzw. Käsereien pendeln. Ein Vertrag zwischen dem Großdrebnitzer Betrieb und dem Verband Bayerische Milchindustrie garantiert die Abnahme der ökologisch hergestellten Milch.

Natürlich würde man kürzere Wege bevorzugen, sagt Werner Kunath, Geschäftsführer des Großdrebnitzer Agrarbetriebes. Doch hiesige Großmolkereien, die für den Landwirtschaftsbetrieb der Menge wegen nur infrage kämen, produzieren (noch) nicht Öko. Sobald die Molkerei in Jessen (Sachsen-Anhalt) auf Bio umgestellt hat, werden die Großdrebnitzer ihre Milch dorthin liefern. In Sachsen sind sie Schrittmacher. Für einen so großen Betrieb, der mit den Lehrlingen über 90 Beschäftigte zählt, ist der Schritt hin zur ökologischen Landwirtschaft ungewöhnlich. Im gesamten Freistaat gibt es nur noch einen vergleichbaren Agrarbetrieb im Vogtland und einen im Erzgebirge, die ihren Landbau ebenfalls ökologisch betreiben.

Der Stolz ist den Großdrebnitzern anzusehen, als der chromglänzende Tanker am Freitagmorgen mit der ersten Biomilch befüllt wird. Es ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum ökologisch arbeitenden Betrieb, sagt Werner Kunath. Doch am Ziel ist man noch lange nicht. Für die Umstellung von konventioneller auf biologische Landwirtschaft gibt es einen Fahrplan bis zum Sommer 2020. Dann soll dieser Prozess abgeschlossen sein.

Hinter der ersten Biomilch stehen zweieinhalb Jahre und sehr viel Arbeit, sagt Hajo Hempel, der Bereichsleiter Tierhaltung. Im September 2016 hatte der Betrieb die ersten 330 Hektar – reichlich zehn Prozent der Fläche, die er bewirtschaftet – bei der Kontrollstelle des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und Geologie für den biologischen Landbau angemeldet. Darauf wuchs Futtermais, der an die Tiere verfüttert wurde. Nach und nach wird die ökologisch bewirtschaftete Fläche vergrößert. Die Großdrebnitzer verzichten dabei auf Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel, sie bringen stattdessen nur noch Gülle und Stalldung auf ihren Feldern aus. Sie pflügen gegen das Unkraut, statt die „chemische Keule“ zu schwingen. Sie ändern die Fruchtfolge, bauen zum Beispiel vor dem Getreide Kleegras an, welches den Stickstoff im Boden bindet. Sie füttern ihre Rinder nicht mehr mit Silage, sondern setzen auf Grünfutter und Weidegänge. Mindestens sechs Stunden am Tag muss eine Milchkuh während der Vegetationszeit auf der Weide grasen. Die Jungrinder und Tiere vor dem Kalben sind den ganzen Sommer über draußen. „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir unseren Betrieb nachhaltig entwickeln und wie auch künftige Generationen unsere Felder bewirtschaften können. Letztendlich war Bio die einzige Antwort, die Zukunft hat“, sagt Hajo Hempel. Auf die Kurzformel gebracht, geht es um einen geschlossenen Kreislauf. Die Tiere bekommen das, was auf den Feldern des Betriebes wächst. Im Gegenzug werden Gülle und Dung wieder auf den Feldern ausgebracht. Der trockene Sommer, gerade in der Umstellungsphase, war eine besondere Herausforderung. „Wir kommen über den Winter“, sagt Werner Kunath zu den Futterreserven. Winterroggen auf 100 Hektar, der im April als Futter geerntet wird, gibt zusätzliche Sicherheit.

Das Umstellen kostet den Betrieb einen siebenstelligen Betrag. Anderthalb Millionen Euro flossen in diesem Jahr in die Milchviehanlage, vor allem in mehr Platz für die Rinder und neue Außenanlagen mit Fressplätzen. Freistaat und Europäische Union fördern diese Investitionen zu 40 Prozent. Einen 25-prozentigen Zuschuss erhält der Betrieb für die rund 250 000 Euro teure Trocknungsanlage fürs Heu. Geld, das sich langfristig auszahlen soll. Für Biomilch zahlen Molkereien den Landwirten im Schnitt zwölf Cent mehr fürs Kilo als für konventionell hergestellte Milch. Statt zurzeit mit 33 Cent können die Großdrebnitzer nun mit 45 Cent rechnen. Künftig werden sie nicht nur Milch, sondern auch Fleisch in Bioqualität liefern. Dafür aber muss eine Kuh mindestens drei Viertel ihres Lebens unter den Bedingungen des biologischen Landbaus gehalten werden.

Die Großdrebnitzer holten sich externen Rat, ehe sie mit der Umstellung starteten. „Wir haben alles genau durchgerechnet“, sagt Werner Kunath. Mit der Umstellung unterziehen sie sich strengen Kontrollen. Seit August 2017 ist der Betrieb Mitglied bei Bioland, einem der größten Schutz- und Kontrollverbände im ökologischen Landbau. Nach etlichen angekündigten und unangekündigten Kontrollen kann der Agrarbetrieb seit Anfang Oktober auf ein Zertifikat von Bioland verweisen. Die Erfolge waren nur durch Teamarbeit möglich, betont Werner Kunath. Aller 14 Tage setzt sich das fünfköpfige Leitungsteam, dem Geschäftsführer, die Leiter Pflanzenanbau und Tierhaltung, die Kaufmännische Leiterin und die Personalchefin angehören, zusammen, um, abseits des Tagesgeschäftes, in die Zukunft zu denken und Strategien zu entwickeln. „Das A und O ist es, die Mitarbeiter in diesem Prozess mitzunehmen“, sagt Werner Kunath.

Keine 100 Meter von seinem Büro entfernt, nimmt ein weiteres Stück Zukunft Gestalt an: Dort investiert das Mutterunternehmen der Agrarbetriebsgesellschaft, die Agro-Union, in zehn Getreidesilos. Ein Großteil der Ernte des kommenden Jahres soll dort schon eingelagert werden. Auch die Silos werden für die Bioproduktion gebraucht. Während herkömmlich produziertes Getreide relativ schnell oft in großen Mengen verkauft wird, wird Biogetreide in kleineren Mengen abgenommen. Die eigenen Silos geben den Großdrebnitzern da auch Unabhängigkeit.