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Die etwas anderen Paten

Die letzten 13 historischen Bänke rund ums Schloss sind aufgestellt. Das Geld gaben Leute wie Hagers. Wobei die Familie einen gewissen Exotenstatus hat.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Moritzburg. So sieht sächsische Bankrettung durch Bayern aus. Christina Hager lacht noch heute über das anfängliche Missverständnis. Als sie ihrem Mann Rudolf in ihrer Heimat im süddeutschen Altötting im vergangenen Herbst begeistert von der Bankpatenschaft in Moritzburg berichtet, legt der zunächst die Stirn in Falten. Viele verrückte Ideen ist er von seiner Gattin gewöhnt. Auch teilt er ihre Leidenschaft für Sachsen und die gesamte mitteldeutsche Kulturlandschaft. Doch für eine bankrotte Bank in Sachsen zu spenden, das scheint ihm doch etwas zu viel des Guten.

Die 52-Jährige freilich hat eine andere Bank im Sinn. Eine historische zum Sitzen, ja Verweilen am Schlossteich in Moritzburg. „Wir waren im Herbst 1990 das erste Mal hier“, erzählt sie. „Moritzburg und seine Umgebung ist einfach schön.“

Dutzende Male haben sie inzwischen die Gegend besucht. Rudolf Hager ist Chemiker bei der Wacker Chemie AG im bayerischen Burghausen und war zwei Jahre in einer Position tätig, die ihn mehrmals im Monat ins Nünchritzer Werk führte. Oft fuhr er da an Moritzburg vorbei.

Wann immer möglich begleitete ihn Ehefrau Christina. Als Realschullehrerin brennt sie darauf, so viel es geht mitteldeutsches Kulturgut mit eigenen Augen zu sehen. Käthe Kollwitz etwa behandelt sie in der Religionsstunde im Zusammenhang mit dem Thema Leid. „Wir haben keinen familiären oder örtlichen Bezug zu Moritzburg“, sagt die aufgeschlossene Bayerin. „Aber durch die Patenschaft haben wir einen Anreiz, immer wiederzukommen.“

Immerhin trägt jetzt Bank Nummer 16 eine Messing-Plakette mit ihrem Namen. Bis 2021 spendet die Familie jedes Jahr 260 Euro. Mit diesem Geld konnte das Exemplar dieses Jahr gebaut und vor Ort platziert werden. Auch künftige Pflege- und eventuelle Reparaturarbeiten sind finanziell abgedeckt.

Andere Sponsoren haben in diesem Jahr die Produktion und Aufstellung von weiteren zwölf Bänken der gleichen historischen Bauart ermöglicht. Womit die Bank-Paten-Aktion vom Freundeskreis Schlösserland Sachsen einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat. Allen Geldgebern wurde am Sonntag offiziell gedankt. Die meisten Unterstützer sind Spaziergänger aus Moritzburg und Dresden. Das Projekt beschert Moritzburg nun insgesamt 23 Bänke. Zehn Sitzmöbel waren schon in der ersten Etappe, 2016, aufgestellt worden.

Hagers sehen ihr Exemplar zum ersten Mal. „Schön breit“, freut sich Ehemann Rudolf. „Hier kann die ganze Familie sitzen.“ Neben ihm hat nicht nur seine Frau, sondern auch Labrador Bruno Platz genommen. Den Standort an der äußeren Ecke des Schlossteichs nahe der Radeburger Straße hat seine Frau ausgewählt. „Ich wollte das Schloss im Blickfeld haben“, begründet sie. Zudem war jeder Bank auf der Liste bereits fest ein Spruch aus der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts zugewiesen – zur Gravur in die Holzlehne. Nicht mit jedem konnte sie etwas anfangen. Aber mit diesem Zitat: „Das Schicksal geht mit uns wie mit Pflanzen um: Es macht uns durch kurze Fröste reifer.“ Zugeschrieben ist es Jean Paul. Und die Aussage kann Christina Hager nur bestätigen: „Im Leben muss man ein Auf und Ab durchstehen“, sagt sie. „Und ich bin auch ein Pflanzenfreund.“

Einen kleinen Augenblick braucht sie, um sich mit dem Grünton anzufreunden. „Die Farbe ist im ersten Moment ein bisschen irritierend“, verrät sie. „Aber wenn es der Denkmalschutz so vorgibt, dann ist es in Ordnung.“

Tatsächlich ist der Ton an Grünspan angelegt. Denn die Sitzmöbel sind einem erhaltenen Originalfabrikat der Dresdner Firma Louis Herrmann nachempfunden, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Haus Wettin mit gusseisernen Sitzbänken für alle Gärten ausstattete. Von den alten Gussteilen wurden Formen gefertigt, mit denen sich die neuen Teile jetzt gießen lassen.

Christina Hager sprüht vor Energie. Familienmitglieder und Kollegen hat sie schon nach Moritzburg gelotst. Nun denkt sie laut nach darüber, ob das nicht auch etwas für den Gartenbauverein von Altötting wäre, in dem sie sich ebenfalls engagiert.

„Und man könnte mit den Klassen die Abschlussfahrt hierher machen“, kommt ihr als Idee. Bisher gehe es nach London. „Moritzburg ist doch viel näher und auch schön“, meint sie.

Dass sie sich mit diesem Vorschlag bei der Schülerschaft einen großen Gefallen tut, glaubt Ehemann Rudolf eher nicht. Labrador Bruno hingegen schnüffelt die Wege ab. Der Standort der Familienbank sichert ihm auf lange Sicht hin großzügige Gassirunden mit Waldanbindung.