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Die Felsenputzer

Industriekletterer und Forstwirte schneiden die Müglitztalbahn frei. Sie arbeiten auf einer Schattenbaustelle.

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© Frank Baldauf

Von Franz Herz

Schlottwitz. Toni Lorenz steht an der Kante des Steilhangs, rund 20 Meter oberhalb der Müglitztalbahn in Oberschlottwitz. Der Forstwirt setzt mit der Kettensäge einen Schnitt in eine Fichte mittleren Alters. Sie fällt wie geplant quer zum Hang. Ihr Wipfel liegt über den Gleisen. Normalerweise wäre jetzt der Bahnverkehr blockiert. Aber genau damit das nicht passiert, hat Toni Lorenz den Baum jetzt gefällt.

Einsatz an der Bahnstrecke

Die Wurzeln sind nicht mehr fest: Toni Lorenz fällt diese Fichte oberhalb der Bahn in Oberschlottwitz. Ihre Wurzeln waren teilweise freigespült.
Die Wurzeln sind nicht mehr fest: Toni Lorenz fällt diese Fichte oberhalb der Bahn in Oberschlottwitz. Ihre Wurzeln waren teilweise freigespült.
Verantwortlich für die Aktion: Andreas Lenk ist als Serviceleiter für Instandhaltungsarbeiten an sächsischen Bahnstrecken verantwortlich.
Verantwortlich für die Aktion: Andreas Lenk ist als Serviceleiter für Instandhaltungsarbeiten an sächsischen Bahnstrecken verantwortlich.
Wachstum im steilen Fels: So steil die Felswand auch ist, immer wieder fliegen Samen an und wachsen Bäume, die zum Sicherheitsproblem werden.
Wachstum im steilen Fels: So steil die Felswand auch ist, immer wieder fliegen Samen an und wachsen Bäume, die zum Sicherheitsproblem werden.
Der Hang ist beräumt: Wenn die Kletterer fertig sind, ist der Fels frei von störendem Bewuchs und die Züge können wieder sicher fahren.
Der Hang ist beräumt: Wenn die Kletterer fertig sind, ist der Fels frei von störendem Bewuchs und die Züge können wieder sicher fahren.

Denn derzeit ist die Bahnstrecke komplett gesperrt, eigentlich, weil die Brücke in Weesenstein erneuert wird. Aber wenn schon drei Wochen lang kein Zug von Heidenau nach Altenberg fährt, nutzt die Deutsche Bahn die Gelegenheit auch für andere Arbeiten entlang der Gleise. Stephan Kirsten von der Deutschen Bahn Regio Netz Ost, die für die Bahnstrecken in Ostsachsen verantwortlich ist, spricht von Schattenbaustellen. Die Hauptbaustelle, die neue Brücke in Weesenstein kostet rund 760 000 Euro.

Die anderen Arbeiten in deren Windschatten haben einen Kostenumfang von 520 000 Euro. Das kommt durch viele Einzelarbeiten zusammen. Wo es nötig ist, wird der Schotter erneuert. In engen Kurven ist das äußere Gleis teilweise abgefahren. Das wird getauscht. An etlichen Stellen werden die Schwellen erneuert, 1 500 Stück auf einmal sind zwischen Bärenhecke und Bärenstein dafür vorgesehen. Die Bahnübergänge in Niederschlottwitz sowie zwischen Hartmannmühle und Geising bekommen einen neuen Belag, zählt Stephan Kirsten auf. Der Mitarbeiter der Deutschen Bahn ist zuständig, weil im Müglitztal Gleise und Bahnanlagen der Deutschen Bahn gehören. Nur die Züge, die darauf fahren, werden von der Städtebahn Sachsen betrieben.

Daher ist die Deutsche Bahn auch für die Instandhaltung verantwortlich. Dazu gehört, das Grün entlang der Bahn in Grenzen zu halten, damit die Züge sicher fahren können. Das heißt, Felsen kontrollieren und beräumen, nachwachsendes Gestrüpp beseitigen oder gefährliche Bäume fällen, so wie eben die Fichte in Schlottwitz. „Bei der waren die Wurzeln teilweise ausgespült, sodass sie irgendwann umgekippt wäre und womöglich den Bahnverkehr gefährdet hätte“, sagt Andreas Lenk. Er ist verantwortlich für 19 Mitarbeiter der DB Fahrwegservice, die an verschiedenen Stellen im Müglitztal die Bahnstrecke sichern.

Viele von ihnen sind, so wie Andreas Lenk, gelernte Forstwirte, die eine Zusatzausbildung zum Kletterer absolviert haben. Fünf solche Industriekletterer hängen jetzt in Schlottwitz am Fels. Hier wurde beim Neubau der Strecke ein Stahlnetz auf den Felsen gespannt, damit keine Steine herunterfallen. Das Grün, das hier durchwächst, müssen die Kletterer abschneiden.

Erst suchen sie sich oben einen Ankerpunkt, beispielsweise einen stabilen Baum. Dort befestigen sie ihr Seil und bewegen sich dann nach unten. Stück für Stück schneiden sie das Gestrüpp ab, das hier in den letzten Jahren gewachsen ist. Wenn solche Bäume weiter wachsen, würden erstens die Wurzeln das Gestein lockern. Zweitens hätten die Birken, Eichen oder Ahorne irgendwann auch eine Größe, die den Bahnverkehr gefährdet. Sie nehmen im Alltag den Lokführern die Sicht und könnten auch herunterbrechen.

Das Holz und Laubwerk, das hier anfällt, wird in drei Stufen verwertet. Für den Kleinkram rollt ein Schredder auf dem Gleis entlang. Er zerkleinert das Buschwerk und bläst es an die Böschung neben der Bahn – als Dünger. Größere Bäume werden mit einem Häcksler zu Hackschnitzeln für die Heizung zerkleinert. Und große Stämme, wie die Fichte von Toni Lorenz werden auf vier Meter Länge geschnitten und abtransportiert.

„Wir können das Holz nicht einfach entlang der Strecke liegen lassen. Da könnte das Wasser nicht mehr abfließen“, sagt Lenk. Außerdem sollte man entlang der Bahnstrecke gehen können. Nach dem Ende der Arbeiten, das für den 22. Juli vorgesehen ist, können die Züge im Müglitztal dann wieder sicher rollen.