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Die Fenstermacherin

Renate Weber hat 187 Scheiben in der Zittauer Mandaukaserne gewechselt. Wenn wieder Spenden eingehen, macht sie weiter.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Seit drei Wochen verbringt Renate Weber viel Zeit in der Zittauer Mandaukaserne. Zwischen 8 und 15 Uhr arbeitet die 74-Jährige freiwillig und ehrenamtlich in der „Werkstatt“ im Erdgeschoss des riesigen Gebäudes. Dort steht ein großer Tisch mitten im Raum. Auf dem liegt einer der unzähligen Fensterflügel, dessen Scheiben kaputt sind oder ganz und gar fehlen.

Kaputte Scheiben in verlassenen Gebäuden gelten gemeinhin als Zeichen dafür, dass Verwahrlosung und Zerfall einsetzen. Renate Weber und andere Ehrenamtliche, die bei der Notsicherung der Mandaukaserne helfen, wollen genau dieser Wahrnehmung entgegenwirken. Die Rentnerin begann deshalb, zerschlagene Scheiben an der Vorderseite des maroden Gebäudes auszuwechseln. Der Ablauf ist immer derselbe: Als erstes schlägt sie gemeinsam mit Benjamin Pfefferkorn die kaputten Scheiben aus den Fensterrahmen. Der Berliner Architekt hilft immer, wenn es kompliziert oder schwer wird. Er misst auch die Größe der Fenster fachgerecht aus und bestellt die neuen Scheiben. Renate Weber reinigt indes die alten Fensterrahmen und ölt diese ein. Die neue Scheibe setzt der Architekt dann mit Glaserecken in den Rahmen. „Das kann ich nicht. Ich hab Angst die Scheibe kaputtzumachen“, sagt die ehemalige Deutschlehrerin. Sitzt die neue Scheibe im Rahmen, rollt sie den Fensterkitt zu dünnen Würstchen. Die Würstchen drückt sie dann vorsichtig mit dem Kittmesser zwischen Fensterrahmen und Scheibe ein. „Das geht nur mit sehr viel Fingerspitzengefühl“, sagt Grundstücksbesitzer Thomas Göttsberger anerkennend. Den genauen Ablauf der einzelnen Arbeitsschritte entnahm die unentwegte Helferin einem Anleitungsvideo aus dem Internet.

187 kaputte Fensterscheiben hat Renate Weber inzwischen gewechselt und zusätzlich auch unbeschädigte Fensterflügel nachgekittet. 30 Kilogramm Fensterkitt verarbeitete die Zittauerin in den vergangenen Wochen. Nun ist das Geld alle. Das Material wurde bislang mit den zahlreichen Spenden finanziert. „Wir warten jetzt ab, bis Spenden eingehen, dann machen wir weiter“, sagt sie. Renate Weber zieht auch selbst mit der Sammelbüchse los oder häkelt für die Mandaukaserne, damit wieder Geld reinkommt. Sammelbüchsen für die Notsicherung stehen in der Kammbaude in Oybin-Hain sowie in Zittau beim Herrenausstatter Gullus, in der „Büroklammer“, bei „Blumen am Rathaus“ und im „Modeexpress“ in der Inneren Weberstraße.

Ein Gang um die Mandaukaserne genügt, um zu erkennen, dass dieses monströse Haus am Martin-Wehnert-Platz ein Fass ohne Boden ist. Mit den 187 Scheiben hat die unermüdliche Rentnerin schätzungsweise 20 Prozent der kaputten Fenster wieder flott gemacht. Da wartet noch sehr viel Arbeit auf die Helfer, jedes der großen Doppelfenster hat 16 Scheiben. „Die Mandaukaserne ist eine Art Aushängeschild, sie wird als erstes wahrgenommen, wenn Gäste aus den Nachbarländern in die Stadt kommen“, sagt Göttsberger. Der Ostritzer freut sich deshalb über das bürgerschaftliche Engagement der 15 freiwilligen Helfer, die in regelmäßigen Abständen Reparaturarbeiten an dem alten Gemäuer durchführen, um den weiteren Verfall zu stoppen, auch wenn die Frage nach einer künftigen Nutzung des Baudenkmals weiterhin ungeklärt ist.

Spendenkonto: Leipziger Denkmalstiftung,

IBAN DE 88 860 555 9211 0090 2453,

Verwendungszweck: Notsicherung Mandaukaserne