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Posthalterei mit langer Geschichte

Das Haus Zwingerstraße 20 in Kamenz ist denkmalgeschützt. Seit der Wende steht es leer. Bis zur Einkaufsnacht am Freitag.

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© Stich: privat

Von Norbert Portmann

Kamenz. Wenn alte Gemäuer erzählen könnten! Oh, was wäre da alles in Erfahrung zu bringen? Zum Beispiel über die Zwingerstraße 20 in Kamenz. Dieses Gebäude könnte uns, der Nachwelt, viel Interessantes zur Kamenzer Postgeschichte sowie über die Seifensiedereien erzählen. Zunächst ist festzuhalten, dass das Haus vermutlich schon im 16. Jahrhundert oder noch eher gestanden haben muss, nur nicht in seinem heutigen Erscheinungsbild. Damals lag es fast an der Peripherie von Kamenz, denn es waren nur wenige Schritte bis zum Königsbrücker Stadttor.

Das in Stein gehauene Posthorn ziert noch heute die Eckfront der Zwingerstraße 20. Gemeinsam mit dem Renaissanceportal macht es den Denkmalschutzwert des Gebäudes ganz wesentlich mit aus.
Das in Stein gehauene Posthorn ziert noch heute die Eckfront der Zwingerstraße 20. Gemeinsam mit dem Renaissanceportal macht es den Denkmalschutzwert des Gebäudes ganz wesentlich mit aus. © Matthias Schumann

Da Kamenz an wichtigen Handelsrouten lag, waren die Stadtentwicklung und auch die Postentwicklung gebunden. Zunächst hatte die Stadt nur dem nicht unbeträchtlichen Durchgangsverkehr Rechnung getragen. Kaufleute, Fuhrleute und andere Reisende fanden in den Gasthöfen „Zum Goldenen Hirsch“ und „Goldenen Stern“ für sich selbst, aber auch Wagen und Pferde die nötige Ausspanne.

Dazu kamen noch die vor der Stadtmauer liegenden Gasthöfe, wie „Goldene Berg“ und „Adler“ (Krone). Entsprechend des im Jahre 1678 in Budissin (Bautzen) unterzeichneten „1. Ober-Amts-Patent“ waren die Postkurse der Oberlausitz festgelegt. Zunächst führte der Postkurs von Leipzig über Königsbrück nach Bautzen, aber an Kamenz vorbei. Die Postboten gaben am Königsbrücker Tor die für Kamenz bestimmten Postsachen ab. Königsbrück war die erste Poststation der Oberlausitz, wo die kursächsischen Postreiter bestimmte Formalitäten zu erledigen hatten. So erübrigte sich eine eigene Posthalterei für Kamenz. Man konnte somit sagen: „In Camenz geht die Post vorbei.“

Erbauer nicht bekannt

Bisher ist bekannt, dass das Haus Zwingerstraße 20, welches sich einst an der Ecke Zwingergasse-Königsbrücker Gasse oder Innere Königsbrücker Gasse, später dann Oskar-Müller-Straße und heutigen Pulsnitzer Straße lag, schon im 16. Jahrhundert existiert haben muss. Die sich im Renaissanceportal befindende Jahreszahl 1545 weist darauf hin. Falls das tatsächlich das Erbauungsjahr ist, wäre das Haus in der Amtszeit des Bürgermeisters Andreas Lacher erbaut worden. Der Erbauer und die Besitzer aus dieser Zeit sind nicht bekannt. In Erfahrung konnte gebracht werden, dass es im 16. und 17. Jahrhundert zunächst einem Goldschmied Schober, anschließend dem Bürgermeister Franciscus Conradi und dann einem Zinngießer Müller gehört hatte.

Ehe Kamenz seine große Poststation erhielt, bestand kurzzeitig eine in der späteren Gaststätte „Deutsches Haus“, dem heutigen Ristorante La Piazza. Auf kurfürstliche Anordnung wurde schließlich am 1. Oktober 1774 die Posthalterei Kamenz unter Leitung des Postmeisters Heinitz neu eröffnet. Ein Grund für die Verlegung der Posthalterei von Schweinerden hierher war im Zuspruch für Kamenz durch das Oberpostamt Leipzig zu finden. Das Eröffnungsjahr der Posthalterei lag in der Amtszeit des Bürgermeisters Emanuel Kaulfuß.

Postmeister hat viel zu tun

Nach bisherigen Recherchen muss die Posthalterei sehr gut angenommen worden sein. Postmeister Heinitz hatte in der Woche, außer Mittwoch und Sonnabend, an den anderen Tagen Posten abzufertigen: Dienstag und Freitag 6 Uhr abends nach Leipzig; Dienstag, Donnerstag und Sonntag 4 Uhr früh nach Dresden sowie Montag und Donnerstag 8 Uhr abends nach Bautzen. Nach jahrzehntelanger Postabstinenz dürfte die Errichtung der Posthalterei ein Hinweis auf den einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung in der Stadt Kamenz sein. Heinitz musste für den Pferdewechsel 13 Pferde bereithalten.

. Auch die Stadt Kamenz hatte Aufgaben zu erfüllen. Kamenz musste unter anderem die Poststraße von Kloster Marienstern bis zu den Reichenauer Fluren in gutem Zustand halten und dafür sorgen, dass in den Gasthöfen die erforderlichen Lebensmittel zur Verfügung standen.

Zwischen dem an das Postgebäude anschließenden Haus und dem Brauhaus (heute Stadttheater) konnte man auf alten Ansichten einen größeren Eingang erblicken. Dieser lässt darauf schließen, dass sich im Hintergebäude die Pferdeställe befanden. Für eine Schmiede in diesem Bereich gibt es allerdings bislang keinen Hinweis. Auch die Postsäule stand nie vor der Posthalterei. Sie befand sich schon immer im Terrain des damaligen Gasthofs „Zum goldenen Berg“.

Erhaltenswertes Gebäude

Wie lange Heinitz die Posthalterei betrieb ist nicht bekannt. Nach ihm war dann ein gewisser Biebel bis 1799 der Posthalter. Biebel stammte aus der Familie des Produktenhändlers Biebel, dessen Wohn- und Geschäftshaus sich auf der gegenüberliegenden Seite der Königsbrücker Gasse befand. Nachfolger von Biebel war ein gewisser Löwel, der dann bis 1803 die Posthalterei betrieb.

Der aus Dresden stammende Advokat Nachtigall leitete die Posthalterei bis zur ihrer Schließung im Jahre 1810. In diesem Jahr zog die Post unter Leitung des Postmeisters Winkler in das Haus des damaligen Bäckermeisters Carl Friedrich Hitzke auf die Bautzener Straße. Somit endet im Jahre 1810 die Postgeschichte auf der Königsbrücker Gasse.

Die Vorderfront des Hauses zierte damals wie heute ein in Stein gehauenes Posthorn. Aus nicht geklärten Gründen wurde es irgendwann am Hintergebäude angebracht. Während einer späteren Sanierung nahm das Posthorn wieder den Platz an der Vorderfront ein.

Zur Postgeschichte ist noch hinzuzufügen, dass die Posthalter bis zu Nachtigalls Zeiten Pferde bereithalten mussten. Dass nun – wie erwähnt – alle 13 den Posthaltern gehörten, kann verneint werden, da laut einer Verordnung von 1753 die Kamenzer Pferdebesitzer verpflichtet wurden, für Extraposten und „Beychaisen“ (Kutschen) die Gespanne zu stellen. Aus der ehemaligen Posthalterei wurde vermutlich um 1812 eine Seifensiederei. Aber das ist schon eine andere Geschichte ...

Kleines Fazit des Chronisten: Die Zwingerstraße 20 ist ein wichtiges, erhaltenswertes Gebäude der Stadt Kamenz. Es sollte im Untergeschoss der Öffentlichkeit zugänglich sein, vielleicht als kulturhistorisches Zentrum für Einheimische und Touristen, das womöglich die Post- oder Industriegeschichte der Stadt zeigt. Vorstellbar wären aber durchaus auch eine Erlebnisgaststätte oder ein Café. Zur Einkaufsnacht am 24. November kann man sich ein Bild von den Räumlichkeiten machen ...