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Die Gold-Familie feiert

An der Hauptstraße im Herzen Radebergs sind am Montag ganz besondere Unikate zu sehen.

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© Thorsten Eckert

Jens Fritzsche

Radeberg. Während Carl Schelle den Betonmischer anwarf, mischten auch die DDR-Oberen kräftig. Und zwar den Goldmarkt der kleinen Republik auf. „Die DDR brauchte Devisen und die konnte sie damals mit Gold gut bekommen – also wurde versucht, den DDR-Bürgern möglichst viel Gold abzukaufen, das dann in den Westen gehen konnte“, erinnert sich der Radeberger Goldschmied noch ganz genau an diese Zeiten. 1981 war das, als der heutige Radeberger auf einem Bauernhof im nahen Weixdorf eine kleine Goldschmiede-Werkstatt baute.

So sah es aus, das alte Bäckerei-Café an der Hauptstraße, aus dem die Goldschmiede dann wurde.
So sah es aus, das alte Bäckerei-Café an der Hauptstraße, aus dem die Goldschmiede dann wurde. © privat
Nach dem ersten Umbau: Carl und Elke Schelle vor der neuen Goldschmiede an der Hauptstraße – 1991.
Nach dem ersten Umbau: Carl und Elke Schelle vor der neuen Goldschmiede an der Hauptstraße – 1991. © privat

Dass die DDR-Oberen ausgerechnet damals den Goldpreis kräftig in die Höhe trieben, kam Carl Schelle dabei gut zu passe. Das Gramm Feingold war plötzlich 250 DDR-Mark wert – ein Preis, der die DDR-Bürger locken sollte, ihr Gold in den damals überall zu findenden Gold-Aufkaufstellen abzugeben. „Gold war knapp damals, und Goldschmiede bekamen von den staatlichen Stellen nur sehr wenig davon zugeteilt“, beschreibt Carl Schelle. Und Neu-Einsteiger hatten bei dieser Zuteilung eigentlich auch noch kräftig das Nachsehen gegenüber den Alteingesessenen. „Die konnten sich über die Jahre eine Art Gold-Rücklage schaffen, aber durch den plötzlichen Preisanstieg war das Gold nun ja mehr Wert, doch die Differenz zum vorherigen Preis hatten die Händler an den Staat abführen müssen, was für sie enorme Kosten verursachte…“ Also wollten die Alteingesessenen nun möglichst kein neues Gold mehr haben, „damit hatte ich plötzlich die Chance auf Gold, das ich dann an meine Kunden weitergeben konnte“, freut sich Carl Schelle noch immer über diese überraschende Starthilfe durch den Staat.

Heimliche Zeitungs-Anzeige

Starthilfe gab’s aber auch von Ehefrau Elke Schelle. Die hatte ihm nämlich nicht verraten, dass sie heimlich eine Zeitungs-Anzeige geschaltet hatte. Die Neueröffnung war also nicht verborgen geblieben, „und so stand da plötzlich eine mehrere Hundert Meter lange Schlange vor meiner Tür“, ist der Radeberger noch heute hörbar fasziniert. Schon nach dem ersten Tag – geöffnet war damals nur einmal pro Woche für drei Stunden – hatte die kleine Ein-Mann-Werkstatt genug Aufträge für die kommenden Monate. Ringe, Ohrstecker, Ketten samt Verschlüssen. Und natürlich Eheringe. Bis zu 20 Paar pro Woche hat Carl Schelle damals hergestellt. „Ich konnte zwar etliches an Material dazugeben, aber ganz ohne Gold-Abgabe durch die Kunden ging’s trotzdem nicht“, erinnert er sich an diese rückblickend verrückten Zeiten. „Da wurden schon mal die Eheringe der Großeltern gebracht, um dann neue Ringe daraus zu machen.“

Die Kunden kamen dabei aus allen Himmelsrichtungen. Sehr viele auch aus dem nahen Radeberg. „Ich hatte sogar die Idee gehabt, in der Radeberger Brauerei eine Annahmestelle für Aufträge zu eröffnen, weil wir hier so viele Kunden hatten“, verrät er. Aus der Idee wurde nichts, aber nachdem die Familie wenig später nach Liegau-Augustusbad umgezogen war, suchte der Goldschmiede-Meister ein Ladengeschäft in Radeberg. Und fand ein passendes an der Hauptstraße. Das ehemalige Bäckerei-Café in der Hausnummer 3. „Da gab es auch noch ein Fenster für den Eisverkauf“, denkt Carl Schelle schmunzelnd zurück. Im Februar 1991 eröffnete hier dann seine Goldschmiede – so dass nun also gleich ein Doppeljubiläum gefeiert werden kann: 35 Jahre Goldschmiede und 25 Jahre in Radeberg. „Und wir hatten hier gleich von Anfang an richtig guten Erfolg – wie gesagt, wir hatten ja auch schon in Weixdorf eine Menge Kundschaft aus Radeberg gehabt.“

Eigene Traurig-Kollektion

Mittlerweile muss auch niemand mehr Gold mitbringen, wenn er ein Paar Eheringe haben möchte. Mittlerweile gibt es bei Schelles sogar eine eigene Trauring-Kollektion. Die „Dresdner Trauringe“ nämlich. Eine Idee von Tochter Anna-Maria Schelle. Sie trat in die Fußstapfen ihres Vaters, wurde ebenfalls Goldschmiedin, legte 2009 auch die Meisterprüfung ab – und war damals die jüngste Handwerksmeisterin Sachsens. Die Prüfung absolvierte sie übrigens gemeinsam mit Yvonne Konschelle; der Schwiegertochter der Familie. Beide stiegen dann 2012 mit ins Geschäft ein, sodass die Goldschmiede Schelle nun ein echter Familienbetrieb ist. Denn auch Ehefrau Elke Schelle arbeitet mit – sie ist für den Verkauf im Laden zuständig. Und über die Jahre haben die Schelles ihr Können und Wissen auch immer wieder an den Berufsnachwuchs weitergegeben – immerhin sieben Lehrlinge haben hier in den vergangenen Jahren das Handwerk gelernt.

Mittlerweile ist auch das Haus im Herzen Radebergs schmuck saniert, und ein echter Hingucker. Wie auch regelmäßig die Kollektions-Ideen von Yvonne Konschelle und Anna-Maria Schelle echte Hingucker sind. Jüngst waren die Schmuckideen sogar bei einer der größten Kunstgewerbe- und Schmuck-Messen der Welt in Paris zu sehen. Ideen wie Up-Cycling-Schmuck – Schmuck aus Weggeworfenem wie Kronkorken. Oder auch die Anhänger-Kollektion zur Aschenbrödel-Erfolgs-Ausstellung auf Schloss Moritzburg.

Am Montag sind viele dieser Ideen auch noch einmal im Ladengeschäft zu sehen. „Wir präsentieren eine Unikat-Schau aus den vergangenen 35 Jahren – und der Laden wird bis 19.30 Uhr geöffnet sein“, hofft Anna-Maria Schelle auf reichlich Interesse.