Merken

Die Idee vom Palais

Das Stadthaus des Bankiers Oppenheim war einst ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt. Das soll es wieder werden.

Teilen
Folgen
© Deutsche Fotothek

Von Ralf Hübner

Für das einstige Palais Oppenheim an der Bürgerwiese gibt es möglicherweise eine Wiederkehr. Mit der Idee, den von Gottfried Semper geschaffenen und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Neo-Renaissancebau wieder erstehen zu lassen, ist zumindest der Bauausschuss des Stadtrates schon einmal einverstanden.

Martin Wilhelm Oppenheim
Martin Wilhelm Oppenheim

Mitte des 19. Jahrhunderts traf sich in dem Palais das gehobene Dresdner Bürgertum, Wissenschaftler und Künstler. Zu ihnen gehörten unter anderem der Dramaturg am Hoftheater, Ludwig Tieck, der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt, der Naturforscher Alexander von Humboldt, der Bildhauer Ernst Rietschel oder auch der Maler und Grafiker Julius Schnorr von Carolsfeld. Es gab Gesellschaften, Theater und Musik.

Das Palais geht zurück auf den Bankier Martin Wilhelm Oppenheim, der als Mendel Wolff Oppenheim 1781 im ostpreußischen Königsberg geboren wurde. Er war der Sohn des jüdischen Bankiers und Händlers Wolff Oppenheim und konvertierte 1826 zum evangelischen Christentum. Dabei nahm er die neuen Vornamen an, achtete aber er darauf, dass zumindest die Anfangsbuchstaben der alten und neuen Namen identisch waren.

Martin Wilhelm Oppenheim zog mit seiner Frau Rosa zunächst nach Berlin und entschloss sich dann, der Tochter Elisabeth, die den Miniaturenmaler August Joachim Grahl geheiratet hatte, nach Dresden zu folgen. Um für Wohnhäuser Grundstücke erwerben zu können, musst er zunächst das Dresdner Bürgerrecht besitzen. Ende März 1838 stimmten die Stadtverordneten dem Antrag auf Einbürgerung zu. Oppenheim beauftragte den Architekten Gottfried Semper zunächst mit dem Bau eines Sommerhauses in der Holzhofgasse in der Äußeren Neustadt, nahe dem späteren Rosengarten an der Elbe. Dieses benannte er nach seiner Frau „Villa Rosa“. Semper gestaltete das Haus 1839/40 in Anlehnung an die aus dem 16. Jahrhundert stammende Villa Rotonda in Vicenza des Architekten Andrea Palladio (1508–1580). Als das Sommerhaus fertig war, übersiedelten die Oppenheims 1840 nach Dresden. Von 1845 bis 1848 folgte dann der Bau des Palais‘ Oppenheim an der Bürgerwiese an der Ecke zur Zinzendorfstraße, nahe dem ehemaligen Robotron-Bereich.

In dem Viertel entstanden zu jener Zeit zahlreiche repräsentative Häuser wohlhabendender Dresdner und Oppenheim war damals einer der wohlhabendsten Einwohner der Stadt. Für das Grundstück musste er trotz des ungünstigen dreieckigen Grundrisses ziemlich tief in die Tasche greifen. Das dann dort von 1845 bis 1848 erbaute Palais gehört zu den wichtigsten Bauten Sempers in dessen Dresdner Zeit und es ist zudem dessen größter Privatbau in der Stadt. Verglichen mit der eher leichten Architektur der „Villa Rosa“ in der Neustadt orientierte sich das Palais an der strengen und sparsam dekorierten Architektur italienischer Palazzi der Hochrenaissance. Zeitgenössische Publikationen loben „die feinen und reichen Formen italienischer Palastarchitektur“.

Das Gebäude galt als typisches Beispiel des Historismus in Dresden. Zur Einweihung kamen 1848 viele der damals wichtigen Persönlichkeiten der Stadt. Ob Oppenheim auch daran mitgewirkt hat, dass Gottfried Semper mit dem Bau der Dresdner Synagoge betraut wurde, ist nicht geklärt, es gilt aber durchaus als denkbar. Semper übernahm 1838 für ein vergleichsweise bescheidenes Honorar von 500 Talern sowohl die Planung als auch die künstlerische Bauaufsicht. Nach zwei Jahren wurde die Synagoge 1840 fertig.

Belegt ist jedoch, dass sich Oppenheim mit zwei Schreiben bei Geschäftspartnern in Paris für Semper einsetzte, als dieser nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 aus Sachsen floh. Durch die Intervention Oppenheims vermittelte das Bankhaus Rothschild Semper einen Kontakt zur Pariser Jüdischen Gemeinde, die ebenfalls eine Synagoge errichten wollte. Das Projekt zerschlug sich jedoch.

Ausgebrannt und gesprengt

Martin Wilhelm Oppenheim starb 1863 im Alter von 83 Jahren an einem Schlaganfall. Die Grahls – die Tochter und der Schwiegersohn – konnten die Villen allein nicht halten und beschlossen deshalb, diese zu verkaufen. Der aus Sankt Petersburg stammende Freiherr von Kapherr, dessen Söhne in der Nähe Dresdens Güter hatten, kaufte das Palais mit allem Inventar und bat die Grahls, zu einer geringen Miete wohnen zu bleiben. 1863 zogen die Witwe Rosa und die Familie Grahl dann dennoch nach Loschwitz auf die Pillnitzer Landstraße. Erst lange nach dem Tod von Martin Wilhelm Oppenheim wurde das Palais von 1871 bis 1874 nach Plänen von W. Hoffmann für Emma von Kaskel umgebaut, einer Tochter des Kölner Bankiers Simon von Oppenheim. Von da an trug das Palais den Namen Kaskel-Oppenheim.

Beim Bombenangriff vom 13. Februar 1945 brannte das Palais aus. Nur die Umfassungsmauern blieben stehen. Vergeblich bemühte sich das damalige Landesamt für Denkmalpflege, die Ruine wegen der erhaltengebliebenen Fassaden als eines der wichtigsten Werke Dresdner Profanarchitektur des 19. Jahrhunderts zu erhalten. Im April 1951 wurde sie gesprengt und abgetragen. Dennoch sind noch letzte Rest vorhanden. Der Brunnen aus dem Oppenheim’schen Garten schmückt jetzt den Außenbereich des Standesamtes auf der Goetheallee. Teile von Reliefs aus dem Innern des Palais lagern im Lapidarium der Stadt.

Nach Vorstellungen des Gottfried-Semper-Clubs soll in dem wiederaufgebauten Palais ein sächsisch-jüdisches Kultur- und Begegnungszentrum entstehen. Dabei gehe es nicht um das Palais allein, sagt der Clubvorsitzende Lucas Müller. Mit dem Wiederaufbau würde zudem wieder etwas von der einstigen Bedeutung des Gebietes an der Bürgerwiese für die Stadt deutlich. Für das geschätzt rund 15 Millionen Euro teure Wiederaufbauvorhaben gibt es allerdings noch keinen Investor. Demnächst will die Immovation AG auf dem früheren Robotron-Areal einen neuen, modernen Stadtteil errichten – die Lingnerstadt.