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Vorgeburtliche Diagnostik: die Kehrseite

Bluttests für Schwangere sollen genetische Schäden des Babys entdecken. Pränatalmediziner sehen das kritisch.

Von Stephanie Wesely
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Soll ich oder soll ich nicht testen? Viele Mütter stürzt diese Frage in einen extremen Zwiespalt.
Soll ich oder soll ich nicht testen? Viele Mütter stürzt diese Frage in einen extremen Zwiespalt. © Foto: pixabay

Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen steht vor einer seiner sensibelsten Entscheidungen: Es geht um die Gesundheit Ungeborener, um die Sorgen von Eltern und die Frage, auf wie viel Gewissheit und Planbarkeit Eltern Anspruch haben.

Konkret wird eine mögliche Kostenübernahme für einen Gentest an Schwangeren diskutiert, mit dem zum Beispiel Trisomie 21 – das sogenannte Down-Syndrom – frühzeitig erkannt und die Schwangerschaft möglicherweise abgebrochen werden kann. Der Berufsverband der niedergelassenen Pränatalmediziner sprach sich auf einer Konferenz am Donnerstag in Berlin gegen eine unkritische Aufnahme dieses nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aus. Der Test sollte stattdessen nur bei einem speziellen Risikoprofil der Schwangeren – zum Beispiel einem höheren Alter – als Kassenleistung abgerechnet werden können. „Damit ist sichergestellt, dass der Test eng in die bisherigen Strukturen der Pränataldiagnostik eingebunden bleibt“, sagt Professor Alexander Scharf, Präsident des Berufsverbandes.

Der Test werde in der Öffentlichkeit immer noch falsch wahrgenommen, so der Professor. „Es ist damit nämlich keine Aussage darüber möglich, ob das Kind gesund zur Welt kommt.“ Diese Erwartungen hätten aber viele Eltern. Mit der Blutuntersuchung könnten auch nicht alle Chromosomenstörungen erkannt werden, schon gar nicht wesentlich häufigere, nicht genetisch bedingte körperliche Fehlbildungen.

Entscheidung ethisch bedenklich

Das Besondere am NIPT ist, dass die für die Untersuchung notwendige kindliche DNA aus Zellen gewonnen wird, die im Blut der Mutter zirkulieren. Auf einen invasiven Eingriff, wie eine Fruchtwasseruntersuchung, kann dabei verzichtet werden. Das gelte aber nur im Fall eines negativen Ergebnisses. „Denn das schließt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Trisomie 21 aus“, sagt Professor Scharf. Umgekehrt reiche der Test aber nicht aus, um eine Trisomie sicher zu diagnostizieren. Ein auffälliges Testergebnis müsse daher immer mit einer anschließenden invasiven Untersuchung überprüft werden. Betroffene Schwangere brauchen begleitend dazu eine medizinische und psychosoziale Beratung. Die notwendigen Anschlussuntersuchungen müssten auch zeitnah erfolgen, da lange Wartezeiten sehr quälend sind. Ein Informationsblatt, das Schwangeren vor einer gewünschten Untersuchung ausgehändigt wird und über die Möglichkeiten und Grenzen des Tests aufklärt, ist daher dringend erforderlich.

Werde die NIPT Kassenleistung und damit für jede Frau verfügbar, hätte das auch eine ethische Komponente, sagt die Pränatalmedizinerin Dr. Nilgün Dutar vom Berufsverband. „Der Druck auf die Schwangere zu einer solchen Untersuchung wächst enorm. Ihre Autonomie ist dann eingeschränkt.“ Außerdem sei es problematisch, wenn für die Pränataldiagnostik risiko- und belastungsarme Methoden eingesetzt werden, die es der Schwangeren leichter machen, sich für die Diagnostik und gegebenenfalls für einen Abbruch zu entscheiden.

Die Pränatalmediziner plädieren für eine Kombination des NIPT mit einer ausführlichen Ultraschalluntersuchung, um auch mögliche körperliche Fehlbildungen zu erkennen. Auch eine Einbindung in das sogenannte Ersttrimester-Screening, das etwa in der Mitte des ersten Schwangerschaftsdrittels angeboten wird, sei denkbar. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine spezielle Ultraschalluntersuchung, bei der die Messwerte der Nackenfalte und des Nasenbeins des Ungeborenen im Zusammenhang mit dem Alter der Mutter und bestimmten Blutwerten beurteilt werden. Der NIPT könnte das ergänzen und sicherstellen, dass die Untersuchung nur von entsprechend qualifizierten Ärzten vorgenommen wird. Das Ersttrimester-Screening ist jedoch keine Kassenleistung und steht als solche im Moment auch nicht zur Diskussion. Sowohl NIPT als auch Ersttrimester-Screening kosten etwa 200 Euro. Sie müssen derzeit als individuelle Gesundheitsleistung selbst bezahlt werden. Seit einigen Monaten stellen einige Krankenkassen in Sachsen Schwangeren ein bestimmtes Budget zur Verfügung, aus dem solche Tests bezahlt werden können. So zahlt die AOK Plus 500 Euro, die Barmer 200, IKK classic und DAK Gesundheit je 100 Euro.

Die Beteiligung der Krankenkassen und das immer größer werdende Sicherheitsbedürfnis führen dazu, dass die Mehrzahl der Schwangeren sich für diese Tests entscheidet. Da es Privatleistungen sind, liegen keine Abrechnungszahlen dazu vor, so eine Kongresssprecherin.

Seit 2012 besteht die Möglichkeit, kindliches Erbgut im mütterlichen Blut auf ein Down-Syndrom hin zu untersuchen. Dieser nichtinvasive Pränataltest erreicht dem Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen zufolge eine 99-prozentige Sicherheit. Die Fruchtwasserentnahme habe die gleiche Aussagekraft. Der NIPT ist ab der neunten Schwangerschaftswoche möglich. Gemäß Gendiagnostikgesetz muss die Untersuchung mit einer humangenetischen Beratung verknüpft sein.