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„Die Kleinen gehen ein“

Seit 37 Jahren gibt es das Fotogeschäft Wagner. Doch ein Nachfolger ist momentan noch nicht in Sicht.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Coswig. Wehleidig ist Frank Wagner nicht. Wenn man ihn fragt, wann die Zeiten für sein Fotogeschäft am schwierigsten waren, kommt seine Antwort prompt: „Ich habe mich immer wieder angepasst.“ Der Fotograf beklagt sich nicht, er sieht die Dinge realistisch. Anpassen, das bedeutete Leute entlassen, immer weniger Angestellte beschäftigen und schließlich, als nur noch er übrig war, die Öffnungszeiten einschränken.

1979 eröffnete Frank Wagner sein Fotogeschäft in Coswig. Die Nachfrage unter den Einwohnern war groß und die Behörden froh, dass sich jemand für den Laden gefunden hatte. Damals gab es genügend Arbeit, um acht Angestellte und zwei Heimarbeiterinnen zu beschäftigen. „Wir haben alles selbst gemacht“, erzählt Wagner. Nur Farbentwicklungen von Dias wurden ins Labor eingeschickt. Sechs Wochen dauerte es, bis die Abzüge kamen. Die Uhren liefen langsamer.

Dann kam die Wende. Doch während andere Betriebe schließen mussten, gingen die Geschäfte bei Wagner zunächst gut weiter. Fotos machten die Leute ja nach wie vor. Wahrscheinlich sogar mehr als vorher. Der Einschnitt kam erst ein paar Jahre später, Mitte der 90er-Jahre, als plötzlich auch Drogerieketten Fotoentwicklung anboten – zu Preisen, mit denen die privaten Geschäfte nicht mithalten konnten. „Das war der Genickstoß“, sagt der Fotograf. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Mitarbeiter zu entlassen. Immer wieder, bis nur noch eine Angestellte übrig war. Sie musste gehen, als Wagner in Rente ging.

Das war vor fünf Jahren. Geschlossen hat Wagner sein Geschäft in der Dresdner Straße seitdem nicht. Zu Hause sitzen will er nicht, die Gesundheit macht noch mit. Also schließt er seine Ladentür immer wieder auf und hofft auf Kundschaft. „Es ist nicht so, dass gar keiner mehr kommt“, sagt Wagner. Vor allem ältere Leute sind mit den Selbstbedienungsautomaten in den Drogerien oft überfordert. Sie freuen sich über die Beratung im Geschäft. Und Passbilder brauchen die Leute auch nach wie vor für Bewerbungen, den Ausweis oder Führerschein.

Damit dieser Service nicht wegbricht, wünscht sich Frank Wagner einen Nachfolger für sein Geschäft. Kein leichtes Unterfangen. Obwohl durchaus schon einige Interesse gezeigt haben. Das Geschäft ist zentral gelegen, die Räume sind nicht zu klein. Doch am Umsatz hapert es. Die potenziellen Nachfolger wollten natürlich einen Blick in die Zahlen werfen. „Als die gesehen haben, welche Einnahmen ich erziele, haben sie auf der Stelle kehrtgemacht“, sagt Wagner. Er möchte niemanden vergraulen, beschönigen kann er aber auch nicht. Schließlich haben schon einige Läden in der Region geschlossen, weil es keinen Nachfolger gab. Nicht nur Fotogeschäften ging es so. „Nur Imbisse und große Filialen laufen hier noch“, sagt Wagner. Kleine Haushalts- und Gemüseläden oder Fleischer, die noch selbst Wurst machen und nicht nur verkaufen, gebe es kaum noch. „Die Kleinen gehen ein“, sagt Wagner.

Zwar hätten auch immer wieder junge Leute in Coswig Geschäfte eröffnet. Doch nach einem halben Jahr waren die meist wieder zu. Wagner weiß, wie groß das finanzielle Risiko ist. Wollte er eine große Auswahl an Kameras anbieten, müsste er alle Ware vorher aus eigener Tasche bezahlen. Und dann hoffen, dass sie jemand kauft. Das macht der Rentner aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr. Die meisten Leute kaufen Technik ohnehin in Elektronikmärkten oder im Internet. Wagner macht sich auch hier keine Illusionen: „Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten.“ Schließlich bestellt er ja auch selbst Dinge im Internet. Der Fotograf steht jetzt ganz am Ende seines Berufslebens. Dass es nicht auch das Ende des Geschäfts ist, bleibt vorerst eine Hoffnung.

www.kauf-lokal-sachsen.de