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Die Kloßmacher

Bei Werner’s in Freital werden im Jahr 500 Tonnen Kartoffeln verarbeitet. Es gibt viele Produkte, aber nur einen Klassiker.

Von Annett Heyse
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Kein Weihnachten ohne Klöße – mit elf Mitarbeitern produziert Geschäftsführer Dirk Gropp bei Werner’s in Freital die Zutaten für ein gelungenes Festmahl.
Kein Weihnachten ohne Klöße – mit elf Mitarbeitern produziert Geschäftsführer Dirk Gropp bei Werner’s in Freital die Zutaten für ein gelungenes Festmahl. © Foto: Andreas Weihs

Hinter Dirk Gropp wirft die Maschine mit lautem klick-klack eine Packung nach der anderen aus. Auf einem Förderband ruckeln die dunkelrot-weißen Kartons einer Mitarbeiterin entgegen, die mit routiniertem Griff zupackt und die Kartons auf einer Europalette verstaut. 140 Packungen mit den Zutaten für jeweils acht Klöße schafft die Anlage – pro Minute. Das ergibt 1 120 Klöße. Bei voller Auslastung läuft in einer Stunde in der Halle an der Wigardstraße in Freital-Potschappel die Menge für 67 200 Klöße vom Band. Jetzt vor Weihnachten ist die Nachfrage besonders hoch. „Keine Frage, Weihnachtszeit ist Kloßzeit“, freut sich Dirk Gropp.

Gemeinsam mit seiner Mutter Silvia Gropp leitet er Werner’s. Das Unternehmen gibt es seit 1898, zu DDR-Zeiten firmierte man unter Freitaler Kloßmehl. „Viele haben den Begriff immer noch im Hinterkopf, das ist schwer rauszubekommen“, berichtet Silvia Gropp. Dabei wird bei Werner’s inzwischen viel mehr als nur Kloßmehl produziert. Das Sortiment umfasst fast 40 Produkte – neben Kloßmehl und Klößen im Kochbeutel Suppen, Backmischungen, Pürees. Doch es gibt nur einen Klassiker: der Kartoffelkloß halb und halb. „Der verkauft sich am besten“, bestätigt Silvia Gropp. An zweiter Stelle folgt der von den Freitalern „Vogtländer“ genannte Kloß, die rohe Variante des Kartoffelkloßes.

Klöße zubereiten, erfordert einen großen Aufwand. Die Kartoffeln müssen – je nach Rezept – gekocht oder roh gerieben, gequetscht oder durchgeseiht werden. Dann kommen – ebenfalls je nach Rezept – eventuell Mehl, Eier, Salz, Muskatnuss hinzu. Daraus entsteht der Teig für die Rohlinge, die mit Croûtons dann ins siedende Wasser kommen. Bei Werner’s hat man 1954 eine Erfindung gemacht, die die Küchenarbeit erleichtert und die Zubereitungszeit deutlich reduziert.

Dem damaligen Firmen-Chef Walter-Erich-Bernhard Werner war es nach vielen Versuchen gelungen, einen Prozess zu entwickeln, in dem Kartoffeln getrocknet und zu Mehl verarbeitet werden. Silvia Gropp: „Das war stärkend, nahrhaft und vor allem haltbar – in der harten Nachkriegszeit ein echter Vorteil.“

Werner’s hatte sich schon zuvor in der Branche einen Namen gemacht. Das Unternehmen wurde 1898 von Karl-Gottlieb-Bernhard Werner in Dresden-Plauen gegründet. Zunächst war es eine Mosterei. Bald spezialisierte sich Werner’s auf Obstkonserven sowie Marmeladen und belieferte damit Bäckereien. 1919 zog die Firma nach Freital um. Hier baute man das Geschäft aus. Ab 1946 wurde auch Trockengemüse hergestellt, damals ein Renner, da es in den Haushalten noch keine Kühlschränke gab und frisches Gemüse Saisonware war, die sich nicht lange hielt. Dann also Kloßmehl. Produziert wurde für Handel und Gastronomie, ab der Zwangsverstaatlichung 1972 in einem Kombinat.

Das „Freitaler Kloßmehl“ war allerdings sogenannte „Bück-dich-Ware“, also ein Produkt, das es nicht überall und nur unter der Hand gab. Es wurde sogar eine Linie mit anderen Verpackungen für die Delikatläden der DDR produziert. 1990 kauften die Alteigentümer das Unternehmen der Treuhand ab, führten den alten Namen Werner’s wieder ein und stellten die Produktion völlig neu auf. Nach und nach kamen neue Sorten hinzu, bis hin zu Suppen und Teigmischungen. 2009 wurde kräftig in die Fabrik investiert. Seitdem gibt es hier zwei räumlich getrennte Fertigungslinien. So kann gewährleistet werden, dass bei Werner’s auch gluten- und laktosefreie Produkte vom Band laufen.

Die Philosophie aber war und ist noch die aus den 50er-Jahren: Das Wernersche Kloßmehl besteht aus Kartoffeln, Kartoffelstärke und Salz. „Wir verzichten weitestgehend auf Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Backtriebmittel, Farbstoffe und andere Zusätze“, sagt Dirk Gropp. Das gelte auch für die meisten anderen Produkte aus dem Hause Werner’s. Nur bei den Klößen und Knödeln im Kochbeutel müsse man da Kompromisse eingehen. „Sonst wird aus dem Granulat kein Kloß.“

Der Verzicht auf die vielen „Schönmacher“ hätte Werner’s im bundesweiten Wettbewerb beinahe die Reputation gekostet. Weil die Freitaler Klöße wegen der fehlenden Farbstoffe nicht so schön gelb aussahen wie die Exemplare der Konkurrenz, sondern grau, gab es bei Wettbewerben immer wieder etliche Punktabzüge. Erst, als die Firmen-Chefs den Juroren die Hintergründe und den Verzicht auf die Zusatzstoffe erläuterten, hagelte es doch noch Auszeichnungen für die Qualität – seitdem im Jahresrhythmus.

Ausruhen möchte man sich auf diesen Lorbeeren allerdings nicht. Denn Klöße und Knödel sind Saisonware – sie werden vor allem in der kalten Jahreszeit gegessen. Deshalb sucht man bei Werner’s immer wieder nach neuen Ideen. So kamen dieses Jahr zur Grillsaison erstmals Teigmischungen für Knüppelkuchen und Stockbrot in den Handel. Ebenfalls neu ist die Bratfüllung, eine Semmelbrotmischung fürs Geflügel. „Da spart man sich die Kartoffelbeilage“, erklärt Dirk Gropp. Weitere neue Produkte werden bereits geplant und getestet. Was genau, möchte Dirk Gropp, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Mutter 2014 der Familie Werner abkaufte, nicht verraten. „Es wird etwas im Snackbereich sein“, lässt er lediglich durchblicken.

Lieber erzählt er von den Internetaktivitäten. Der Vertrieb übers Netz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Werner’s ist mit einem Online-Shop präsent und wirbt über die verschiedenen Social-Media-Kanäle. Das lohnt sich vor allem in Hinblick auf die alten Bundesländer. Dort ist Werner’s – anders als zwischen Erzgebirge und Ostsee – im Einzelhandel bisher kaum vertreten. „Wir machen da auch 28 Jahre nach der Wende noch ganz kleine Schritte“, sagt Silvia Gropp. Doch die Nachfrage steigt auch jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Vor allem übers Netz ordern die Kunden aus Bayern, Hessen oder dem Saarland inzwischen die Produkte aus Freital. „Wir packen am Tag ungefähr 20 Pakete, die meisten davon gehen ins Altbundesgebiet“, berichtet die Geschäftsführerin.

Bei Werner’s ist man optimistisch, dass Kloß mit Soß’ nicht dem Zeitgeschmack unterliegen. Denn der Sonntagsbraten trotzt allen modernen Einflüssen auf die Küche. Silvia Gropp: „Wir merken, dass die Menschen auch gerne mal ein ganz normales deutsches Gericht essen – mit Klößen.“