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Die klugen Strewe-Frauen

Dr. Uta Strewe und Tochter Hannah aus Burkau engagieren sich. Das verbindet.

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© Steffen Unger

Von Carolin Menz

Burkau. Mitte der 1990er-Jahre musste Dr. Uta Strewe eine Schule in der Dresdner Neustadt retten. Sie konnte doch nicht zusehen, wie sie geschlossen wird. Also argumentierte sie bei entscheidenden Stellen, hielt Gegenargumenten stand und motivierte andere Eltern, mit ihr als damaliger Ortsbeirätin und Mutter in den Kampf zu ziehen. Ihre Tochter Hannah, da gerade neun Jahre alt, ließ sie Unterschriftenlisten verteilen. Schon damals kannte es das Mädchen nicht anders: Mama hilft, wo sie kann. Hat Mut, setzt sich für andere in schwierigen Situationen ein. Und Hannah? Sie tut’s auch. „Ob Engagement vererbbar ist?“, fragt Dr. Uta Strewe. Die Antwort gibt das Mutter-Tochter-Gespann aus Burkau selbst. Eines voller Vertrauen und eines, das in der Sache verbindet. Beide engagieren sich für andere. Nicht erst jetzt, da sie eine Familienstiftung gründeten und eine beeindruckende Anne-Frank-Ausstellung nach Bischofswerda holen.

Dr. Uta Strewe, gebürtig in Süddeutschland, engagiert sich seit Jugendtagen. Im Gymnasium gründete sie eine Umwelt-AG und in ihrer Heimat Biberach einen der ersten Jugendgemeinderäte Deutschlands. Sie war aktiv in den Elternräten der Schulen und Kitas ihrer vier Kinder, als Ortsbeirätin in der vorherigen Heimatstadt Dresden und ist es seit 2001 in der SPD. Nicht zuletzt wurde sie einst Lehrerin, weil sie etwas bewegen wollte mit Kindern und für Kinder. Heute arbeitet Dr. Uta Strewe als Verfahrensbeistand. Sie steht Familien bei Sorgerechtsstreitigkeiten zur Seite. Spricht, wenn sich Väter und Mütter nichts mehr zu sagen haben. Vermittelt, damit Kinder nicht länger leiden müssen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die Einfühlungsvermögen ebenso wie Vermittlerfähigkeiten fordert. Dr. Uta Strewe hat beides und setzt es in der Parteiarbeit ein. Sie ist Vorsitzende des SPD-Ortsvereins und stellvertretende Kreisvorsitzende. Erst vor wenigen Tagen ist sie erstmals in den Landesvorstand ihrer Partei gewählt worden. Dr. Uta Strewe kämpft im Kleinen für Tempo-30-Zonen in Bischofswerda und im Großen, wenn es um umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA oder Kanada geht. „Bei allem geht es mir darum, die Menschen mitzunehmen und Probleme vor der Haustür nicht aus den Augen zu verlieren“, sagt sie.

Demokratie und Toleranz als Grundwerte

Tochter Hannah ähnelt ihr sehr. Die junge Frau organisierte Jugendcamps, arbeitete in der Schulkonferenz des Goethe-Gymnasiums und gehört der Gruppe „Schüler für Flüchtlinge“ an. Die Strewe-Frauen können mit Verbohrtheit und Befindlichkeiten nichts anfangen. Schon gar nicht gegenüber Fremden. Dr. Uta Strewe wuchs mit ausländischen Freunden auf. Ein Kopftuch bringt sie nicht aus der Fasson. Tochter Hannah zeigt Gesicht auf Demos gegen Pegida und gegen Nazis. In Bautzen erlebte sie die schlimmen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Flüchtlingen mit. Nur schwer auszuhalten sei die Stimmung gewesen, sagt sie. Demokratie und Toleranz seien Grundwerte für sie, sagen beide. Sie, die Gästen aus aller Herren Länder die Couch daheim über eine Internetplattform anbieten, gerne Austauschschüler aufnehmen und sehr viel reisen. Erst vor wenigen Wochen kam Hannah wieder nach Hause. Sie arbeitete über die Aktion Sühnezeichen Friedensdienst ein Jahr freiwillig im Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Ihre Familie hatte gerade die eigene Lucie-Strewe-Stiftung für mehr gesellschaftspolitisches Engagement in der Region gegründet. Die Ziele der Stiftung entsprechen den Lebensleitlinien der Strewes: Toleranz gegenüber Fremden und interkulturelles Lernen fördern, das öffentliche Bewusstsein gegen Fremdenfeindlichkeit stärken, Hilfsprojekte für Flüchtlinge organisieren und helfen, die Geschichte der NS-Diktatur aufzuarbeiten. „Wir sehen in unserer Region im Bereich der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus damals und dem Umgang mit Menschen anderer Herkunft und Religion heute großes Potenzial. Es war unser Antrieb für die Stiftungsgründung“, sagt die Vorsitzende Dr. Uta Strewe.

Und dann kommt Tochter Hannah heim, mit diesen lehrreichen Erfahrungen und diesem vielen Wissen aus Amsterdam. Mit ihren unvergesslichen Eindrücken aus diesem Haus, in dem sich Anne Frank vor den Nazis versteckte und um ihr Leben bangte. „Dieses zutiefst persönliche menschliche Schicksal irgendwie in die Region zu bringen, war nun unser Ziel“, sagt Hannah.

Unzählige Telefonate

In den ersten drei Dezemberwochen nun ist die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ im Goethe-Gymnasium Bischofswerda zu sehen, zur Verfügung gestellt vom Anne-Frank-Zentrum Berlin. „Vorab werden 30 Schüler zu Ausstellungs-Guides geschult. Sie befassen sich also intensiv mit dem Einzelschicksal und dem Schicksal der Juden überhaupt“, sagt Hannah. Sie selbst wird gerade jüngere Schüler durch die Ausstellung führen. Nach ihrer Zeit in Amsterdam vermag sie die richtigen Worte zu finden, um übers viel zu kurze Mädchenleben zu erzählen. Sie kann gut mit Kindern. Und sie habe ein tolles Organisationstalent, sagt die Mama über sie. Hannah wird wie sie Lehrerin werden, das Studium hat gerade begonnen.

Wie ihre Tochter, kann Dr. Uta Strewe organisieren und überzeugen. Unzählige Telefonate und Gespräche führte sie, um die Ausstellung nach Bischofswerda zu holen und um ihr einen würdigen und anspruchsvollen Rahmen zu geben. Mit dem Leiter des Goethe-Gymnasiums, Bodo Lehnig, fand sie einen begeisterten Mitstreiter. Irgendwann hatte sie Petra Köpping, Sachsens Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, am Hörer. Sie übernahm die Schirmherrschaft, sagt Dr. Uta Strewe und lächelt. Sie gehe nun einmal auf Menschen zu und habe keine Scheu, auch mal „Klinken zu putzen“. Wenn es doch der Sache dient.

Die Sache damals mit der Schule ging gut aus. Die Grundschule auf der Görlitzer Straße in der Dresdner Neustadt platzt heute aus allen Nähten. Gedankt hat Dr. Uta Strewe damals niemand. Sie erwartet es nicht. Erreichte Ziele seien Ansporn genug, sagt sie.