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„Die Kollegen fühlen sich moralisch herabgesetzt“

Bildungspolitikerin Cornelia Falken von der Linken fordert einen Ausgleich für Lehrer, die nicht verbeamtet werden.

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© kairospress

Von Andrea Schawe

Frau Falken, die Lehrer protestieren für Verbesserungen des Handlungsprogramms der Regierung. Welche Möglichkeiten gibt es da noch?

Cornelia Falken ist bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, GEW-Mitglied im Bezirk Leipzig und ausgebildete Lehrerin.
Cornelia Falken ist bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, GEW-Mitglied im Bezirk Leipzig und ausgebildete Lehrerin. © Linke Sachsen

Es muss eindeutig Verbesserungen am Maßnahmenpaket geben. Die beste Lösung wäre es, wenn der Kultusminister noch einmal richtig mit den Gewerkschaften verhandelt. Am besten könnte ich mir einen Bezirkstarifvertrag vorstellen. Damit wäre gewährleistet, dass die Betroffenen in die Entscheidungen miteinbezogen sind. Bisher hat nur die Regierung, also CDU und SPD, beraten. Das Ziel muss sein, neue Lehrer zu gewinnen, aber natürlich auch die Lehrer, die da sind nicht zu vergessen.

Es gab in Sachsen schon bis 2007 einen Bezirkstarifvertrag. Damals haben Gewerkschaften und Kultusministerium beschlossen, Lehrer in Teilzeit zu schicken, um sie wegen sinkender Schülerzahlen nicht entlassen zu müssen. Was sind die Vorteile eines solchen Vertrages?

Der Bezirkstarifvertrag ist eine Vereinbarung innerhalb des Landes, nicht mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TDL). Es werden Reglungen getroffen, die speziell für das Land zutreffen. Es ist auch interessant, dass ein Tarifvertrag zuungunsten der Lehrer machbar ist. Damals, 1997, wurden Unterrichtszeit und Bezahlung der Grundschullehrer auf 57,14 Prozent reduziert. Die Aufgaben mussten aber trotzdem gemacht werden. Das war Ausbeutung pur. Alle Grundschullehrer sind damals in die Teilzeit gezwungen worden. Die Teilzeit der damaligen Mittelschul- und Gymnasiallehrer wurde dann in einem richtigen Tarifvertrag ausgehandelt. Dort saßen die Vertreter der Lehrer mit im Boot. Wenn Gewerkschaften einen Tarifvertrag unterschreiben, sind sie auch mit dafür verantwortlich, diesen um- und durchzusetzen. Das ist ein großer Vorteil.

Was würde das an dem Handlungspaket ändern?

Das Geld, das man in dem Paket zur Verfügung gestellt hat, muss anders verteilt und auch aufgestockt werden. Die 18 Millionen Euro pro Jahr für die 20 Prozent Beförderungsämter an weiterführenden Schulen sollten an alle verteilt werden. Bei Beförderungsämtern muss es Beurteilungsverfahren geben. Gestandene Lehrer, die viele Jahre erfolgreich gearbeitet haben, in eine Beurteilung zu zwingen, ist problematisch. Das hat auch etwas mit dem Wertgefühl des Lehrers selbst zu tun. Ich habe bisher auch keinen Lehrer getroffen, der sagt, er will dieses Beförderungsamt. Die Prämien, die es einmal im Jahr für eine kleine Gruppe geben soll, sind kein Ausgleich für die Nettolöhne der Beamten – und müssten auch ihnen gezahlt werden. Auch die Mittel, die man nicht für die Verbeamtung braucht, sollten in diesen Sack gesteckt werden. Es gibt viele Kollegen, die sich gar nicht verbeamten lassen wollen. Es werden auch etliche Kollegen unter 42 Jahre rausfallen, weil sie den Gesundheitscheck nicht überstehen.

Das Geld soll also in Zulagen fließen?

Ja. Wir stehen ja klar dazu, dass wir keine Verbeamtung wollen. Das ist ein uralter Hut, das brauchen wir nicht. Auch bisher haben Lehrer hoheitliche Aufgaben übernommen. Also kann man das auch lassen und das Geld in Zulagen in alle Lehrer im System investieren. Dann wären wir auch beim Lohn konkurrenzfähig mit anderen Bundesländern.

Zulagen für alle zu zahlen, wird nach Meinung der Regierung schwierig. Kultusminister Christian Piwarz sagte, die Signale der Tarifgemeinschaft zu allgemeinen Zulagen seien eher negativ.

Das ist eine spannende Geschichte. Wissen Sie, seit Jahren fordere ich im Landtag die Eingruppierung der Grundschullehrer in die Entgeltgruppe 13. Seit Jahren höre ich immer im Parlament und in den Ausschüssen, dass das nicht geht, weil die Tarifgemeinschaft das nicht zulässt. Das ist auch korrekt. Aber: Wir tun es jetzt trotzdem, weil die Not so groß ist. Wir ändern das Gesetz und damit wird es umgesetzt. An dieser Stelle ist es auf einmal kein Problem, wenn es um Zulagen geht, ist es eins. Es werden ja auch schon Zulagen gezahlt, etwa für den Vorbereitungsdienst im ländlichen Raum. Bisher konnte mir auch noch niemand sagen, ob es denn schon eine Anfrage bei der TDL gab, und wie die Antwort ausfällt. Hier frage ich mich, ob man das wirklich will oder nur einen Grund sucht, damit man es nicht machen muss. Im März 2019 finden auch Tarifverhandlungen statt, Sachsen könnte den Ländern ja Gesprächsbedarf über Zulagen signalisieren.

Es gibt noch andere Ideen. Die Gewerkschaften haben vorgeschlagen, dass Sachsen die Beträge zur Betriebsrente übernimmt, um die nicht gezahlten Sozialversicherungsbezüge der Beamten auszugleichen. Was halten Sie davon?

Das finde ich sehr vernünftig und sinnvoll. Das würde für die Kollegen unterm Strich auch mehr Gehalt bedeuten. Die Beiträge der VBL, der zusätzlichen Versorgung der Lehrer, liegen bei 4,5 Prozent. Das ist aber kein Vergleich zum Nettolohn-Ausgleich. Das ist wesentlich weniger.

Es gab auch den Vorschlag, dass allen Lehrern die nicht zum Unterricht gehörenden Tätigkeiten als Mehrarbeit zu bezahlen.

Eine Kollegin brachte dazu ein gutes Beispiel: Was passiert denn im Kapitalismus, wenn eine Ware knapp wird? Sie wird teurer. Wieso ist es bei den Lehrern im öffentlichen Dienst so, dass die Ware Lehrer, die knapp ist, nicht teurer wird, sondern im Preis stabil bleibt. Die Forderung ist ganz klar: Wenn es nicht am Geld liegt, wie die Regierung ja gern erklärt, sondern daran, dass wir die Köpfe nicht haben, dann muss ich die, die da sind, auch mit einem höheren Gehalt versehen. Dabei geht es um die klassische Zulage. Ich muss aber auch Leistungen der Lehrer – wenn ich sie schon nicht entlasten kann – wenigstens vergüten. Die Mehrarbeitsstunden wurden schon angepasst. Jede Unterrichtsstunde, die mehr geleistet wird, wird auch bezahlt. Wenn man den Lehrern die Klassenleiterstunde nicht geben kann, dann muss man sie bezahlen. Besser wäre natürlich eine Entlastung.

Einige Maßnahmen sind zum neuen Schuljahr geplant. Das Kultusministerium verhandelt derzeit mit dem Personalrat.

Die Kollegen fühlen sich moralisch herabgesetzt. Die Wertschätzung und Anerkennung, die sie eigentlich für ihre langjährige Tätigkeit erwarten, die kommt bei ihnen nicht an. Das geht auch nicht mit Worten, sondern nur mit Taten. Sie müssen sehen, was wirklich passiert. Optimal wäre eine Entlastung, keine Frage. Wir sind aber gerade in einer Situation, in der das ein großes Problem ist – ganz klar verschuldet durch die CDU. Die Personalplanung war verfehlt, auch noch vor fünf Jahren wurden junge Leute nicht eingestellt.

Sie haben auch einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem Sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordern.

Ja, der wird im nächsten Plenum beraten. Es muss zwingend Veränderungen geben. Wenn die Summe für einen Netto-Lohn-Ausgleich nicht ausreicht, muss der Freistaat noch Geld drauf legen. Die Regierung muss sich etwas einfallen lassen, wie es geht. Wenn wir über den Antrag abstimmen, müssen sich die Abgeordneten bekennen.

Das Gespräch führte Andrea Schawe.