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Die Kraftwerke der Lausitz könnten weiterarbeiten – auch ohne Kohle

Ein neues DLR-Institut in Zittau/Görlitz wird an gigantischen Energiespeichern aus Salz arbeiten.

Von Stephan Schön
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Kohlekraftwerke wie das in Jänschwalde haben doch ein Chance, eine ganz andere aber.
Kohlekraftwerke wie das in Jänschwalde haben doch ein Chance, eine ganz andere aber. © dpa-Zentralbild

Die Vision klingt unglaublich. Die Braunkohlekraftwerke arbeiten weiter. Auch lange nach dem Kohleausstieg noch. Sie werden dringend gebraucht. Aber ohne Kohle. Die Vision ist realistisch. Die dafür nötige neue Technik soll in etwa fünf Jahren erstmals in einem bisherigen Kohlekraftwerk getestet werden. Das sehen die Planungen des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) vor, von denen André Thess der Sächsischen Zeitung berichtet. Thess ist Professor, Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart. Nach wie vor wohnt er jedoch in Dresden und schaut nun auch öfter mal in der Lausitz vorbei. Er ist einer jener Institutschefs, die derzeit das wissenschaftliche Profil des neuen DLR-Instituts vorbereiten. In Cottbus und Zittau/Görlitz wird es je einen Standort haben mit 50 Mitarbeitern. Kurz vor Jahresende war das so mit dem Bundeshaushalt beschlossen worden. Denn 90 Prozent der Gelder dafür werden vom Bund kommen. Drei große Ideen gibt es dafür. Am wichtigsten dabei ist wohl die Entwicklung von Hochtemperatur-Wärmepumpen. Das sind Aggregate, so groß wie eine Dampfturbine. Sie wandeln erneuerbare Energie in extreme Wärme um, bis zu 560 Grad. Letztlich geht es bei diesen Maschinen um mehrere Megawatt Leistung.

Die Forscher in der Lausitz werden sich aber auch der Simulation von komplexen Industrieprozessen widmen. Und sie sollen als dritten Schwerpunkt Reduktionsmittel zur CO2-Verringerung finden.

Das dritte Leben beginnt

Im Frühsommer will der DLR-Senat genau das beschließen. Und damit wäre das neue Institut in der Lausitz offiziell gegründet. Dann wird auch festgelegt, ob Zittau oder Görlitz der Institutsstandort für die 50 Mitarbeiter wird. Beide Orte haben da ihre Chancen, sagt Thess. Denn während die Techniker der Hochschule in Zittau forschen, hat Siemens in Görlitz seine Turbinenfertigung. Und Turbinen werden auch künftig gebraucht. Doch anders als bisher.

Es geht um die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien. Es geht um die Speicherung von Energie in flüssigem Salz. „Third Life“, das „dritte Leben der Kraftwerke“, so nennt es Thess. Leben eins ist die Kohle, Leben zwei ein möglicher Umbau auf Erdgas, Leben drei der Wärmespeicher. Seit Jahren schon arbeiten die Wissenschaftler beim DLR an Methoden, die Wärmeenergie preiswert und in großen Mengen zu speichern. Das geschieht mit hocherhitztem, flüssigem Salz. Jetzt soll das neue Institut in der Lausitz diese grundlegende Technologie marktfähig machen. Und zwar anwendbar in Großkraftwerken, wie sie dort existieren.

Flüssiges Salz kann sehr viel Wärme aufnehmen. In großen Behältern könnte damit Energie in Form von Wärme zwischengespeichert werden, berichtet Thess. Salz brennt nicht, kann nicht explodieren, entwickelt anders als heißes Wasser keinen Druck. Die Idee für das dritte Leben der Kohlekraftwerke ist jene Formel: Statt Kohle im Brennraum erzeugt das flüssige Salz die Hitze und damit heißen Dampf, der die Turbinen antreibt. Die Turbinen und die Generatoren könnten damit weiterlaufen, auch nach der Kohle.

Energie für die Dunkel-Flaute

„Flüssiges Salz hat das Potenzial, ein Energiespeicher im Gigawattstunden-Bereich zu sein“, sagt André Thess. Es wäre eine abrufbare Energie für schlechte Zeiten, wenn erneuerbare Energien mal ausbleiben: in kalten Dunkel-Flauten. Dann würden die mit Wärme vollgepumpten Salz-Akkus angezapft, ausreichend für mehrere Tage, für ganze Städte. Um das auch wirtschaftlich hinzubekommen, wird vor allem die Hochtemperatur-Wärmepumpe benötigt. Ohne die funktioniert das ganze Projekt nicht.

Das DLR will in drei Schritten seine neue Kraftwerks-Strategie testen und anwenden. Derzeit wird im Versuchslabor Tesis in Köln an einzelnen Bauelementen geforscht, an Behältern, Ventilen, Düsen zum Beispiel. Hier zirkulieren schon mal 100 Tonnen flüssiges Salz, hocherhitzt. Was dann folgt, ist die erste Umrüstung eines realen Kohlekraftwerks. Gemeinsam mit RWE solle dies geschehen. Die vorbereitende Studie dazu wird noch dieses Jahr abgeschlossen. In den folgenden drei Jahren soll dieser erste Umbau dann mit RWE erfolgen. Welches Kraftwerk dafür ausgewählt wird, entscheidet sich zum Jahresende.

Erst im dritten Schritt, in etwa fünf Jahren, werden dann jedoch auch die neu zu entwickelnden Extrem-Aggregate aus der Lausitz zum Einsatz kommen. Karsten Lemmer, Vorstand im DLR für Energie, ist fest überzeugt davon, dass das alles noch rechtzeitig vor dem Kohleausstieg gelingt. „Das würde vorhandene Kraftwerke in der Region erhalten und dort Jobs sichern. Und die schon vorhandene Infrastruktur ist weiter nutzbar.“ Es sind die Stromtrassen und Umspannwerke. Letztlich wäre diese Technologie sogar ein Exportschlager, sagt Lemmer. Derzeit sei das DLR damit weltweit führend und baue dies nun mit dem neuen Institut in der Lausitz aus.