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Die Krankheit der Armen

1891 wurde in Loschwitz die erste Heilstätte für Tuberkulose-Kranke eröffnet. Ein Vorbild für viele andere Orte.

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© TU Dresden

Von Ralf Hübner

Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwitzen in der Nacht, Husten und „Bluthusten“. Diese Symptome können auf Tuberkulose hinweisen. Die Erkrankten verlieren in der Regel deutlich an Gewicht. Deshalb wurde früher auch von „Schwindsucht“ gesprochen. Verursacher der Tuberkulose oder auch Tbc ist ein Bakterium, das „Mykobakterium tuberkulosis“. Vor 135 Jahren, 1882, hat der Bakteriologe Robert Koch (1843-1910) den Erreger entdeckt.

Robert Koch
Robert Koch © dpa

Tuberkulose war einst weit verbreitet, galt als Volkskrankheit und war – begünstigt durch schlechte hygienische Verhältnisse und mangelhafte Ernährung – die häufigste endemische Krankheit der Armen in den Städten. Um 1880 war sie in Deutschland in der Altersgruppe der 15- bis 40-Jährigen für jeden zweiten Todesfall verantwortlich. Etwa jeder siebente Deutsche starb damals an Tuberkulose.

Das Bakterium wird übertragen, wenn etwa ein an Lunge oder Kehlkopf Erkrankter hustet oder niest und Menschen in dessen Nähe die Bakterien einatmen. Die Infizierten fühlen sich nicht krank. Nur bei etwa 10 bis 15 Prozent von ihnen bricht die Krankheit tatsächlich aus. Tuberkulose kann alle Teile des menschlichen Körpers befallen, greift aber meist die Lungen an. Heutzutage können erkrankte Menschen behandelt und geheilt werden.

Vor mehr als 100 Jahren hatten vor allem Wohlhabende gewisse Heilungschancen. In den wenigen Lungenheilanstalten wurden sie in monatelangen Kuren mit Mitteln der Naturheilkunde mit viel frischer Luft, Bädern, kräftiger Diät behandelt. Forderungen nach Lungenheilstätten für das Volk blieben zunächst ungehört. Nach der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers gab es Hoffnung auf einen Impfstoff. Doch das von Koch selbst entwickelte Tuberkulin war unwirksam und führte damals zum sogenannten Tuberkulin-Skandal. In der Folge wurde bei der Behandlung der Tuberkulose auf bekannte Therapien zurückgegriffen und versucht, sie für jedermann verfügbar zu machen. Ein Vorreiter dabei war die Stadt Dresden, die 1891 für Tbc-Kranke 25 Betten in der Privatanstalt „Deutsche Heilstätte“ in Loschwitz anmietete. Diesem Vorbild folgend gingen die Landesversicherungsanstalten dazu über, sogenannte Volksheilstätten für lungenkranke Arbeiter einzurichten. Vereine und karitative Organisationen trieben Spenden ein. In den großen Krankenhäusern wurden eigene Abteilungen und sogenannte Absonderungshäuser eingerichtet, in denen die Tbc-Kranken genesen sollten.

Alten Unterlagen zufolge, hat es 1949 in den Dresdner Krankenhäusern Tbc-Stationen mit zusammen mehr als 1 000 Betten gegeben. Weitere rund 180 Tbc-Fälle waren auf anderen Stationen untergebracht. Im Dresdner Raum behandelte seit 1920 vor allem das jetzige Fachkrankenhaus in Coswig – damals Lungenheilstätte – fast ausschließlich Tuberkulosekranke.

Zudem hatte der aus dem Baltikum stammende Arzt Julius von Finck (1864-1951) 1926 in Klotzsche ein Institut für Wirbeltuberkulose gegründet, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen einen gekrümmten Rücken verursachte. Mit neuartigen Heilmethoden gelangen ihm bei der als unheilbar geltenden Krankheit beachtliche Erfolge.

1921 war im Institut Pasteur in Paris der BCG-Impfstoff zur Immunisierung gegen Tuberkulose entwickelt worden, der noch immer in 158 Ländern eingesetzt wird. In Deutschland setzte sich die Schutzimpfung erst nach dem Krieg durch. Zudem gab es Reihenuntersuchungen. In der DDR war bei den Volksröntgenaktionen der „Röntgenbus“ unterwegs. Seit 1998 werden die Impfungen vom Robert-Koch-Institut nicht mehr empfohlen, weil die Tuberkulose kaum noch auftritt. In Deutschland wurden 2016 genau 5 915 Fälle registriert.