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„Die Kritik war berechtigt“

Der Stauchitzer Bürgermeister Frank Seifert über die Kündigung der Kämmerin, abtrünnige Gemeinderäte, das liebe Geld und die aktuellen Zukunftsaussichten.

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© Sebastian Schultz

Herr Seifert, das vergangene Jahr endete turbulent in der Gemeinde. Erst kündigte die Kämmerin Elke Goers in der Probezeit, zuvor hielt sie eine flammende Rede in der Ratssitzung, in der sie Missstände anprangerte. Sie kritisierte generell das Verhältnis zwischen den Angestellten, Ihnen warf Sie Führungsschwäche vor. Wurden die Vorwürfe ausgewertet und aufgearbeitet?

Die Kritik war berechtigt. Wir haben die Punkte besprochen, auch mit dem Gemeinderat, Mitarbeitergespräche geführt. Eine Konsequenz ist, dass die Verwaltungsaufgaben anders verteilt werden. Dennoch halte ich die Vorgehensweise für unfair. Kritik zu üben ist zwar richtig, aber man muss auch Lösungsansätze aufzeigen. Das fehlte mir. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass Frau Goers zunächst das persönliche Gespräch mit mir sucht.

Die Kündigung hat Sie überrascht. Warum?

Grundsätzlich ist eine Kündigung in der Probezeit von beiden Seiten möglich. Ich hatte die Hoffnung, dass mit Frau Goers eine gestandene, fachlich kompetente Persönlichkeit die Kämmerei leitet. Für eine Kündigung gab es vor der Gemeinderatssitzung keinerlei Anzeichen.

Seit der letzten Wahl haben vier Gemeinderäte ihr Mandat niedergelegt, offiziell aus beruflichen oder Altersgründen. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand heißt es aber, dass sie unzufrieden sind, es in der Gemeinde nicht mehr vorangeht. Können Sie das nachvollziehen?

Ja und nein. Ja, weil es in meinen ersten beiden Amtsjahren keine Fördermittel gab. Die alten Programme waren ausgelaufen, die neuen noch nicht aufgelegt. So lag nicht nur der Straßenbau auf Eis. Ich verstehe, dass das den einen oder anderen frustriert, wenn es nicht vorangeht. Nein, weil Unzufriedenheit kein Grund ist, sein Mandat niederzulegen. Weglaufen löst keine Probleme.

Die Kurzzeit-Kämmerin legte auch eine Rechnung vor, dass die Gemeinde zum Jahresende 2017 ein erhebliches Defizit an liquiden Mitteln aufweisen wird. Eine Gegenrechnung der Verwaltung kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Wie kommt das?

Zum Stichtag, als die Kämmerin die Aufstellung machte, wäre tatsächlich zum Jahresende ein Defizit zu erwarten gewesen. Allerdings sind danach Fördermittel eingetroffen, außerdem haben wir unseren Anteil an der Einkommenssteuer erhalten. So hatte die Gemeinde am Jahresende tatsächlich einen positiven Bestand an liquiden Mitteln.

Unstrittig ist, dass die Gemeinde sparen muss. Als Reaktion wurde die Gewerbemesse zumindest für dieses Jahr gestrichen, die Markttage kommen auf den Prüfstand. Worauf müssen sich die Stauchitzer noch einstellen? Wird es Steuererhöhungen geben?

Steuererhöhungen sind für den Haushalt 2018, der gerade erstellt wird, nicht geplant. Mit unseren Sätzen liegen wir unter dem Landesdurchschnitt. Über die Markttage wird am Montag der Gemeinderat entscheiden. Der Vorschlag der Verwaltung ist, diese von Februar bis Mai und von September bis Dezember abzuhalten, im Juni, Juli und August jedoch nicht.

Die Gemeinde galt als finanziell stabil, konnte sogar die Kita-Beiträge senken, während fast alle anderen erhöhten. Wie stellt sich die finanzielle Situation tatsächlich dar?

Der Gemeinderat hat sich für einen niedrigeren Beitrag entschieden, um die Eltern zu entlasten, die Kämmerei war dagegen. Genau das macht aber kommunale Selbstverwaltung aus, dafür werden Gemeinderäte gewählt. Diese werden jetzt zu jeder Sitzung über die aktuelle finanzielle Situation informiert. Die ist generell stabil.

Warum hat die Gemeinde das neue Haushaltsrecht, die Doppik, noch immer nicht eingeführt?

Seit 2013 arbeiten wir nach den Grundsätzen des neuen Haushaltsrechts. Die Grundsätze der Doppik werden also eingehalten. Allerdings fehlen noch die Eröffnungsbilanz, die derzeit geprüft wird, und die Jahresabschlüsse.

Ist der Breitband-Ausbau in Gefahr, wenn sich kein Betreiber für das Netz in den kleinen Orten findet?

Wir haben entschieden, dass wir den Breitbandausbau selbst machen. Fördermittel gibt es aber nur, wenn wir einen Betreiber finden. Gelingt das nicht, scheitert das Projekt in den kleinen Ortsteilen.

In die sanierte Kindereinrichtung in Stauchitz wurde zweimal eingebrochen, ohne dass Einbruchsspuren zu finden waren. Was hat die Gemeinde unternommen, um das künftig zu verhindern?

Wir haben das Schließsystem geändert, also die Schlösser ausgetauscht und eine Dienstanweisung zur Sicherheit der Einrichtung herausgegeben. Seitdem ist nichts mehr passiert.

Nach der Bundestagswahl haben Landespolitiker ihr Herz für den ländlichen Raum entdeckt. Glauben Sie, dass es mehr Geld für die Kommunen gibt?

Ich kann es nur hoffen. Die Entwicklung zeigt, dass wieder mehr Menschen aufs Land ziehen, auch weil die Mieten und Grundstückspreise in Ballungszentren für Normalverdiener kaum noch erschwinglich sind. Doch die Voraussetzungen müssen stimmen, genügend Kinderbetreuungsplätze und vieles mehr gegeben sein. Da gibt es auf dem Land Nachholebedarf, weil es an Geld fehlt.

Wäre es nicht sinnvoll, Landesmittel nach der Fläche einer Gemeinde statt der Einwohnerzahl zu vergeben?

Das wäre eine Möglichkeit, aber dagegen würden wohl die Städte Sturm laufen. Pauschale Fördermittel wären ein guter Weg. Vor allem das „Windhundrennen“ um die Fördermittel muss aufhören nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Fördermittel bedürfen eines Riesenaufwands, ein Großteil des Geldes fließt in die Verwaltung. Das sollte lieber den Kommunen zugut kommen.

Was war im vergangenen Jahr ihr größter Erfolg, was ihr größter Misserfolg?

Es ist viel passiert, ich denke an den Brandschutz im Gebäude der Ganztagsschule in Stauchitz, das sonst hätte geschlossen werden müssen, den Umbau von Räumen in der „Alten Post“ zur Arztpraxis, die energetische Sanierung der Kindertagesstätte in Stauchitz. Sehr stolz bin ich, dass es uns gelang, nach dem Rückzug der Sparkasse Meißen aus der Gemeinde einen privaten Betreiber eines Geldautomaten zu finden.

Was sind in diesem Jahr die größten Investitionen?

Das größte Vorhaben wird die Sanierung der Grundschule Ragewitz sein. Wir rechnen mit 900 000 Euro Baukosten und hoffen auf 75 Prozent Förderung.

Was wünschen Sie sich für 2018?

Persönlich vor allem Gesundheit, beruflich, dass wir bald eine Kämmerin oder einen Kämmerer finden, die Arbeit in der Verwaltung wieder auf eine gerade Bahn geführt wird. Und dass wir die Brandschutzertüchtigung der Grundschule Ragewitz planmäßig realisieren können.

Das Gespräch führte Jürgen Müller.