Merken

Die Kunst des Reparierens

Das Repair-Café Freital ist eine Selbsthilfewerkstatt. Sogar bei Elektrogeräten kann man vom Profi lernen.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Dorit Oehme

Freital. Beherzt greift Karin Aehlig zum Schraubenzieher. Das Radio ihres Hi-Fi-Turms hat die gelernte Elektromonteurin zu Hause schon einmal aufgeschraubt, weil es rauscht. Auch das Display hat einen Schaden. Nun hofft die Dresdnerin auf Hilfe im Repair-Café, das jeden Monat für vier Stunden im Freitaler Umweltzentrum Station macht. Helfer Christian reicht ihr einen zweiten Schraubenzieher. „Damit wird es besser klappen“, sagt er. Seinen Familiennamen behält der Elektrotechniker für sich, wie die meisten Helfer.

Reinhard Aehlig sieht mit verschränkten Armen zu. „Das lasse ich meine Frau machen. Ich repariere andere Sachen. Doch ich habe im Internet nachgeschaut, wann das Repair-Café geöffnet hat“, verrät er. Helfer Christian prüft nun das Innere des Radios. Das Team arbeitet ehrenamtlich. „Wir sind eine Selbsthilfewerkstatt, kein Reparaturservice. Das Angebot ist kostenfrei. Über Spenden freuen wir uns“, sagt Erik Schanze, der den Treff am Freitaler Standort organisiert.

Er schiebt nach: Wer mit kaputten Gegenständen komme, solle auch etwas tun. Bei Spielzeug, Möbeln und kleinen Haushaltsgeräten sei das freilich eher möglich als bei Unterhaltungselektronik. Die Helfer haben sich ihr Wissen im Studium, der Lehre, im Beruf oder im Hobby angeeignet. Das lässt sich nicht auf die Schnelle nachholen. Trotzdem lernen die Besucher, weil sie bei der Reparatur direkt dabei sind. Auch die Begegnung zähle.

Statt Defektes nach der Garantiezeit wegzuwerfen, können die Besucher ihre Gegenstände erst einmal prüfen lassen. Einigen ist es wichtig, eine Zweitmeinung zu hören. „Wir können auch heraussuchen, was ein Ersatzteil kostet“, sagt Erik Schanze. Bei einer Mikrowelle ist das Herzstück defekt. „Die Heizung des Magnetrons ist durchgebrannt. Das Teil wäre teurer als ein neues Gerät. Außerdem dürfte es nur vom Hersteller gewechselt werden“, sagt Helfer Bernd Meischner. Er schaut sich auch das Kfz-Batterieladegerät von Frieder Kaden an. „Es ist erst etwa drei Jahre alt. Ich habe es selten gebraucht. Ein neues Gerät würde bis zu 50 Euro kosten. Ich war schon mit einem anderen Ladegerät hier. Das funktioniert wieder“, sagt der Freitaler.

Der Mitarbeiter prüft das Ladegerät mit einem Multimeter unter Last. Frieder Kaden hat dafür Lampen und einen Widerstand mitgebracht. „Die Sicherung kam jedes Mal, wenn ich meine Autobatterie laden wollte. Ich habe es fünfmal probiert. Dann habe ich es aufgegeben. Ich tippe auf einen Kurzschluss“, sagt er. Das Ladegerät lässt sich nicht reparieren. „Es muss ein Kurzschluss in der Wicklung des Trafos vorliegen“, erklärt der Helfer. Kaden steckt das Gerät in seinen Baumwollbeutel und sagt: „Es war trotzdem interessant. Jetzt weiß ich, woran ich bin.“

Alternative zum Wegschmeißen

Eine Stunde hat die Reparatur der Bohrmaschine von Walter Schieritz aus Dippoldiswalde gedauert. Er hat zwischendurch einen Kaffee getrunken. Auch Kuchen und Tee stehen bereit. Jetzt schraubt er sein Gerät zusammen. Eine Lötstelle war kaputt. Nun kommt der spannende Moment: Helfer Michael, der mit repariert hat, steckt den Stecker in die Steckdose. Die Bohrmaschine dreht sich. Walter Schieritz testet auch die Gegenrichtung. „Einwandfrei. Man hängt so an den alten Maschinen. So eine finde ich nie wieder. Sie geht ganz ruhig. Mit ihr kann ich genau fräsen und bohren“, sagt der Hobbydrechsler. Er packt das gute Stück in einen Plastikkorb, auf einen Schaltplan. „Die Bohrmaschine wurde 1992 gebaut. Den Plan habe ich aus dem Internet, hier habe ich ihn nicht gebraucht. Er war auch etwas undeutlich zu lesen“, sagt Schieritz. Ein Meißner schaut zu, weil er eventuell mithelfen möchte. Das Team betreut auch drei Standorte in Dresden. Dort fing die Arbeit im Jahr 2012 an einem Standort an. In Freital gibt es das Repair-Café seit 2015, es wird auch vom Abfallzweckverband ZAOE unterstützt. „In Tharandt arbeitet seit vorigem Jahr eine eigene Initiative, die wir angeschoben haben“, sagt Organisator Erik Schanze. Deutschlandweit gibt es etwa 600 Repair-Cafés. Weltweit sind es knapp 1 200, verteilt auf über 30 Länder. Entstanden ist die Arbeit vor acht Jahren in den Niederlanden.

Am Hifi-Turm wird an diesem Tag am längsten gearbeitet. Ein Helfer, der spät von der Arbeit kommt, hat eine zündende Idee. „Dieses Gerät aus den 1990ern ist fast schon Kult. Den Fehler kenne ich vom Vorgängermodell“, sagt er. Andere tüfteln mit, bis das Radio läuft. „Ich finde es toll. Ein ähnliches Gerät wäre heute sicher billiger. Doch ich wollte es versuchen, man schmeißt so viel weg“, betont die Besitzerin.

Franziska Müller vom Umweltzentrum sagt: „Repair-Cafés sind eine Initiative gegen sinnloses Neukaufen. Im kleinen Rahmen werden Ressourcen geschont und Müll verringert. Vieles ist nicht recyclebar. Wer repariert, denkt auch übers Konsumieren nach.“