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Lausitz braucht neue Beteiligungskultur 

Auf ihrem Landesparteitag werden die sächsischen Grünen über eine neue Beteiligungskultur in der Lausitz diskutieren. Dafür sorgt ein Antrag aus Görlitz. Stephan Kühn und Annett Jagiela fordern darin mehr Verantwortung für die Menschen vor Ort. Warum, erklären sie in einem Gastbeitrag.

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Stephan Kühn und Annett Jagiela von den Bündnisgrünen wollen mehr Verantwortung vor Ort.
Stephan Kühn und Annett Jagiela von den Bündnisgrünen wollen mehr Verantwortung vor Ort. © Bildstelle

Von Annett Jagiela und Stephan Kühn

Im Bundestag wird heute über den Fahrplan für den Ausstieg aus der Braunkohle diskutiert. Viele Menschen treibt die Frage um, wie die Zukunft der Lausitz ohne die Kohle aussieht. Die Verunsicherung ist greifbar. Die Bundesregierung will die Region langfristig finanziell unterstützen, um neue Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Zuversicht und Vertrauen entsteht nicht durch neue Straßen und Schienenwege. Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass die Konzepte für den Strukturwandel allein in den höheren Politik- und Verbandsetagen entwickelt werden können. Zuversicht und Vertrauen wird nur wachsen, wenn wir auf Teilhabe setzen. Wer sich ernstgenommen fühlt in seinen Zukunftssorgen, den kann man auch dafür gewinnen, Antworten für die Zukunft zu finden. Die Menschen in der Region an ihrer Zukunft aktiv zu beteiligen, ist nichts weniger als für den gesellschaftlichen Humus zu sorgen, damit Neues entstehen kann. Die Veränderungsbereitschaft, die den Menschen abverlangt wird, ist groß. Eine breite Zukunftsdebatte ist die Chance für die Lausitz, sich ihrer eigenen Kräfte und Stärken zu besinnen. Das fördert Identität, schafft Gemeinsinn und wird damit zur Quelle von neuem Selbstbewusstsein. Der Strukturwandel in der Lausitz wird deshalb nur erfolgreich sein, wenn wir eine Beteiligungskultur entwickeln.

Entkoppelt wirkt derzeit die Diskussion über die Perspektiven der Lausitz zwischen denen, die hier leben und denen, die darüber entscheiden. Während die Zukunftswerkstatt Lausitz gerade Bürgerinnen und Bürger einlädt, ein Leitbild für die Perspektiven der Region zu erarbeiten, wird im Deutschen Bundestag ein Gesetzentwurf zur Strukturstärkung diskutiert, der schon ein fertiges Leitbild für die Lausitz enthält. Der Gesetzesentwurf liefert zudem eine lange Projektliste. Unlängst waren die Bürgermeister der Lausitz aufgefordert innerhalb von zwei Tagen fertige Projektideen einzureichen. In der Kürze der Zeit konnten so oft nur alte Schubladen geöffnet werden. Wenn aber der Eindruck entsteht, alles ist bereits entschieden, läuft Bürgerbeteiligung ins Leere. Die Arbeit an einem Leitbild darf keine Pseudo-Beteiligung sein, um bereits festgeklopfte Entscheidungen nachträglich zu legitimieren. Akzeptanz und Vertrauen in die Politik entsteht nur, wenn die Beteiligung zu sichtbaren Ergebnissen führt. Die aus dem Leitbildprozess entwickelten Projekte müssen eine Chance auf Umsetzung haben. Notwendig sind dafür transparente Entscheidungskriterien für die Förderung von Projekten. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Stärkung der regionalen Kreislaufwirtschaft müssen zentrale Indikatoren sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen mit am Tisch sitzen, wenn über Projekte und über die Verwendung der Mittel entschieden wird. Vorbild dafür können die Entscheidungsgremien der europäischen Landwirtschaftsfonds für ländliche Räume sein.

In der Lausitz ist die Vielzahl derer, die sich für die Zukunft der Region auf den Weg machen, beeindruckend. Es stimmt zuversichtlich, wenn Menschen ihre Geschicke in die eigenen Hände nehmen wollen. Trotzdem: Wir müssen noch mehr Menschen erreichen. Was wir benötigen sind Strukturen, die es schaffen, die Menschen einzuladen und miteinander zu vernetzen. Die Bürgerbeteiligung darf nicht beim Leitbild stehen bleiben. Wir schlagen daher einen Zukunftsfonds Lausitz vor, mit dem größere zivilgesellschaftliche Projekte langfristig finanziell abgesichert werden. Sozial innovative und auf die regionale Zukunftsfähigkeit ausgerichtete kleinere Projekte sollen ebenfalls über den Fonds gefördert werden. Der sächsische Mitmachfonds ist bereits ein sehr guter Impuls in dieser Richtung. Zusätzlich sollte ein Teil der dem Freistaat Sachsen vom Bund im Rahmen des Bundesförderprogramms „Zukunft Revier“ zur Verfügung gestellten Mittel für Projekte regionaler Vereine, Verbände, zivilgesellschaftliche Initiativen und Kirchen einsetzen werden. Wir wollen mehr Verantwortung für Ideen für die Bewältigung des Strukturwandels an die Menschen vor Ort geben.