Ist das ein Mensch, der in den Fluten treibt? Verzweifelt versucht gestern Morgen ein Mann, sich trotz der starken Strömung der Elbe über Wasser zu halten. Die Bochumer Polizisten, die derzeit für die Sicherheit der Elbbrücke abgestellt sind, entdecken ihn kurz nach 9 Uhr und reagieren sofort. Sie informieren ihre Kollegen, die sofort auf die Straßenunterführung der B182 eilen und auf Höhe der Eisenbahnbrücke den kleinen, aber sehr steilen Abhang hinuntersteigen – die dornigen Sträucher ignorierend. Den drei Polizisten bleibt kaum noch Zeit, Hosen und Schuhe auszuziehen, wollen sie den mittlerweile hilflosen Mann nicht verpassen.

Sie springen ins aufgewühlte, braune Wasser – ohne zu wissen, welche Gefahren unter Wasser lauern – und können den 81-jährigen Riesaer nach etwa zehn weiteren Minuten schließlich an Land ziehen. Die Lebensretter holen sich Schrammen an den Beinen, alle frieren ganz fürchterlich, als das Adrenalin schließlich nachlässt. Doch wirklich verletzt wird bei der Rettungsaktion niemand. Die Bochumer Polizisten sind die Helden von Riesa. Dabei hätte es auch anders ausgehen können.
„Er ist glücklicherweise links vom Brückenpfeiler, nahe des Ufers, getrieben. Sonst hätten wir es nicht geschafft“, sagt Polizeikommissar André Siegert kurze Zeit später. Doch so kann der 39-Jährige den Riesaer nach ein paar kräftigen Schwimmzügen unter den Armen packen und Richtung Ufer ziehen. „Schwierig war es, ihn dann die Böschung raufzubekommen“, ergänzen die Polizeikommissarinnen Sarah Lücke und Maike Schiffels, die mit in die nur zwölf Grad kalte Elbe sprangen. Erst zusammen mit den anderen Kollegen von der Bereitschaftspolizei Bochum können sie den stark unterkühlten Mann schließlich zum bereitstehenden Rettungswagen bringen. Für ihn geht es direkt ins Krankenhaus.
Dort wird der demenzkranke Riesaer noch immer behandelt, sein Gesundheitszustand gilt jedoch als stabil. Seine Frau hatte ihn zwischenzeitlich als vermisst gemeldet, informiert die Polizeidirektion Dresden. Wie er in die Fluten gelangte, konnte bislang nicht geklärt werden.
Trotzdem ist die Euphorie verständlicherweise groß. Von einem „spektakulären Einsatz“ spricht Riesas Revierleiter Hermann Braunger. „Es ist eine Heldentat“, unter diesen Bedingungen in die Elbe zu springen. „Das couragierte Handeln der jungen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen macht mich stolz. Es steht sinnbildlich für die Tatkraft und die Entschlossenheit aller Einsatzkräfte, die in den vergangenen Tagen Sachsen zur Seite standen“, sagt Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll. Die Lebensretter reagieren dagegen eher bescheiden. Mit so etwas Aufregendem hätte man zwar nicht gerechnet, aber schließlich sei man dazu ausgebildet, sagt Sarah Lücke. Alle haben sie unter anderem das Rettungsschwimmabzeichen – mindestens in Bronze. Am Abend wollen sie mit einer Cola auf den glücklichen Ausgang anstoßen. Schließlich sei man im Dienst.
Seit Montag sind die insgesamt zehn Polizisten von der dritten Gruppe des ersten Zuges der zweiten Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei Bochum im Hochwassereinsatz in Riesa. Ihr offizieller Auftrag: von 6 bis 18 Uhr die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf der gesperrten Elbbrücke zu gewährleisten und die Einsatzfahrzeuge zu koordinieren, die passieren wollen.
Auszeichnung für die Beamten
Jeden Abend geht es in ein Dresdner Hotel, wo die Polizisten mit weiteren Kollegen untergebracht sind, die anderswo in Sachsen Deiche und Brücken schützen. Wie lange die Bochumer hierbleiben, wissen sie noch nicht: „Geplant war der Einsatz bis Donnerstag. Aber wir bleiben so lange, wie wir gebraucht werden“, sagen die Beamten, deren Kollegen von der Nachbarhundertschaft übrigens schon 2002 bei der sogenannten Jahrhundertflut in Riesa halfen.
Die aktuelle Hochwassersituation an der Elbe hat die Polizisten aus Nordrhein-Westfalen trotzdem etwas geschockt, obwohl sie auch genügend Bilder aus dem Fernsehen und Internet kannten. „Live ist das noch mal ganz anders“, sagt Sarah Lücke und schaut noch immer etwas ungläubig auf die Fluten, denen sie gerade noch entstiegen ist.
Die Heldentat bleibt übrigens nicht unbeachtet: Heute sollen die Lebensretter vom Polizeipräsidenten für ihren Einsatz ausgezeichnet werden.