Merken

Die Leichtigkeit des Lastenrads

Immer mehr der dreirädrigen Gefährte sind auf Dresdens Straßen zu sehen. Eines hat sogar einen integrierten Geschirrspüler. 

Von Nora Domschke
 4 Min.
Teilen
Folgen
Meret Feldkemper kümmert sich beim ADFC um den Verleih der Lastenräder. Und konnte Mathias Schwarzwälder von der VG für die Initiative gewinnen.
Meret Feldkemper kümmert sich beim ADFC um den Verleih der Lastenräder. Und konnte Mathias Schwarzwälder von der VG für die Initiative gewinnen. © Marion Doering

Ganz wichtig: Das Lastenrad braucht einen Namen. Nicht selten sagt dieser etwas über die Schnelligkeit des Gefährts aus. Oder eben über dessen Trägheit. „Henry und die wilde Hilde“ – da wird schnell klar: Hier geht’s für den Radler wohl etwas flotter voran. Und tatsächlich halten sich auf Henrys wilder Hilde die Anstrengungen beim In-die-Pedale-Treten in Grenzen – dank der elektrischen Kraft eines Akkus.

Nicht so beim jüngsten Zuwachs unter den Dresdner Lastenrädern. Hier zählt allein die Muskelkraft. Sein Name lässt allerdings keine Rückschlüsse auf dessen Spritzigkeit zu: Strowelin, so hieß der Dresdner Stadtteil Strehlen früher einmal, wurde das Dreirad mit dem Kasten jetzt getauft. Und das nicht ohne Grund: Lastenrad Strowelin steht jetzt vor dem Bio-Supermarkt der Verbrauchergemeinschaft an der Reicker Straße. Und kann dort bis zu drei Tage kostenlos ausgeliehen werden. Damit ist Strowelin das achte Rad dieser Art, das zum Projekt Frieda und Friedrich gehört, über dessen Internetportal die Räder ausgeliehen werden können. Organisiert wird das Ganze von Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen-Fahrrad-Clubs Dresden (ADFC).

Drahtesel Strowelin gehört allerdings nicht dem ADFC, sondern der Verbrauchergemeinschaft (VG). Die Genossenschaft betreibt schon seit 1991 in Dresden sechs Einkaufsmärkte mit Bioprodukten, die dazu vorrangig aus der Region kommen. Vom Lastenradverleih erfuhr Marktleiter Matthias Schwarzwälder in diesem Sommer zum ersten Mal. „Wir waren eine der wechselnden Ausleihstationen“, erzählt er. „Und da habe ich gesehen, wie viele Kunden das Rad tatsächlich nutzten.“ Das habe ihn total begeistert, schließlich sei es eine praktische und umweltfreundliche Art, seine Einkäufe zu transportieren. Also entschied die VG kurzerhand, ein eigenes Rad zu kaufen und in das Verleihsystem von Frieda und Friedrich zu geben. 2 500 Euro hat die Genossenschaft dafür investiert.

Johannes Kettner vom Stadtteilverein kann Kaffee nun an allen möglichen Stellen in der Johannstadt ausschenken. Mit dem Lastenrad ist das „Café für alle“ mobil – mit immer sauberem Geschirr. 
Johannes Kettner vom Stadtteilverein kann Kaffee nun an allen möglichen Stellen in der Johannstadt ausschenken. Mit dem Lastenrad ist das „Café für alle“ mobil – mit immer sauberem Geschirr.  © Marion Doering

Aber längst nicht jeder nutzt das Lastenrad für die Lebensmittel. „Es kann auch unabhängig von einem Einkauf bei uns ausgeliehen werden“, sagt Matthias Schwarzwälder. So würden etwa Familien das Rad für Ausflüge nehmen, Kleingärtner ihre Pflanzen aus dem Gartenmarkt holen, sogar Möbelstücke habe er schon in dem Kasten auf dem Rad gesehen. Das bestätigt auch Nils Larsen vom Vorstand des ADFC Dresden. „Wir haben das Projekt im Juli 2016 gestartet, um die Dresdner zu inspirieren, mit Leichtigkeit auch größere Lasten ohne das eigene Auto zu transportieren.“ Das erste Frieda-und Friedrich-Rad war übrigens das gleiche Modell wie das neue der VG: ein sogenanntes Christiana-Bike aus Dänemark, benannt nach dem alternativen Kopenhagener Stadtteil, in dem die Lastenräder ursprünglich gebaut wurden.

Die ADFC-Initiative kommt in Dresden offensichtlich gut an – kaum ein Tag vergehe, an dem die acht Lastenräder nicht irgendwo auf den Dresdner Straßen unterwegs seien, sagt Nils Larsen. Seit der ersten Ausleihe im Juli vor zwei Jahren hätte es insgesamt rund 1 300 Buchungen gegeben. Dennoch: So rasant wie in anderen deutschen Städten greift das Lastenrad-Fieber in der Landeshauptstadt nicht um sich. In 85 Städten gibt es mittlerweile derartige Projekte, zuletzt ist der ADFC in diesem Jahr in Berlin damit an den Start gegangen. „Dort ist das Projekt regelrecht explodiert“, sagt Larsen. Binnen weniger Monate wurden in der Hauptstadt 42 Lastenräder angeschafft.

Davon ist Dresden noch weit entfernt. Aber Nils Larsen hofft, dass noch mehr Initiativen dem Beispiel der VG folgen, ein Lastenrad kaufen und es für den Verleih zur Verfügung stellen. Hier tun das bislang auch die Initiative Johannstadtrad, der ADFC Radebeul und der BUND Sachsen.

Wie vielseitig ein Lastenrad eingesetzt werden kann, zeigt auch ein aktuelles Beispiel aus der Johannstadt. Dort gibt es jetzt ein mobiles Café, das „Café für alle“. Dafür wurde ein elektrisches Lastenfahrrad zur rollenden Kaffeeküche mit 30-Liter-Wassertank, einer Batterie zum Kochen und Platz für Geschirr und Besteck umgebaut. Sogar ein Geschirrspüler ist auf dem Gefährt integriert. Für dieses Projekt hat die Vinci-Stiftung dem Stadtteilverein 15 700 Euro zur Verfügung gestellt. Damit werden auch die Mietkosten der Basisstation in der Florian-Geyer-Straße 15 für ein Jahr abgedeckt.

Das Lastenrad wird künftig zum mobilen Treffpunkt und soll an verschiedenen Stellen in der Johannstadt Station machen. Hintergrund der Aktion ist, die Johannstädter, unter denen viele Ausländer leben, zusammen zu bringen und somit die Nachbarschaft zu fördern.

So funktioniert die Ausleihe: 

Auf der Homepage www.friedafriedrich.de registrieren und die Buchung in den Kalender eintragen. Das Rad kann dann an der Station mit Buchungscode und Personalausweis abgeholt werden.