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Die letzten Häuser von Steinbrückmühle

1932 versank der Ort im Wasser der Lehnmühle. Doch einige Gebäude existierten auch danach weiter, zum Teil bis heute.

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© Egbert Kamprath

Von Anja Ehrhartsmann

Osterzgebirge. Nur einen Steinwurf vom Rastplatz Steinbrückmühle entfernt, steht Kathrein Göhler in hüfthohen Grünpflanzen, direkt am Zaun vor den jungen Bäumchen. „Hier war früher der Eingang“, sagt sie und zeigt auf die Stelle direkt vor sich. Dann hält sie kurz inne und lässt den Blick über die Fläche schweifen, auf der bis 2011 noch das alte Forsthaus von Steinbrückmühle stand – ihr Elternhaus. Vom Bau der Talsperre Lehnmühle blieb das Forsthaus damals unberührt, da es oberhalb gelegen, am Waldrand stand.

Das alte Forsthaus blieb durch seine Lage am Waldrand von Fluten der Talsperre unberührt, im Gegensatz zu anderen Häusern der Ortschaft Steinbrückmühle.
Das alte Forsthaus blieb durch seine Lage am Waldrand von Fluten der Talsperre unberührt, im Gegensatz zu anderen Häusern der Ortschaft Steinbrückmühle. © privat
Das Haus von Emil Hübler wurde rechtzeitig abgebaut, bevor die Talsperre damals geflutet wurde. Teile davon wurden wieder verwendet, beim Bau des ehemaligen Talsperren-Cafés im Ortsteil Hartmannsdorf-Neubau.
Das Haus von Emil Hübler wurde rechtzeitig abgebaut, bevor die Talsperre damals geflutet wurde. Teile davon wurden wieder verwendet, beim Bau des ehemaligen Talsperren-Cafés im Ortsteil Hartmannsdorf-Neubau. © Egbert Kamprath

Ihr Vater, Wolfgang Pretzsch, war als Förster beim staatlichen Fortwirtschaftslehrbetrieb Tharandt angestellt und wurde 1955 in das damalige Revier versetzt, zu dem das Forsthaus gehörte. Gebaut worden war es etwa 1926, vermutlich schon damals als Dienstsitz. Ab 1956 lebte Familie Pretzsch dort. „Wir haben eine sehr gute Zeit in dem Haus erlebt“, sagt Wolfgang Pretzsch. „Die Abgeschiedenheit hat uns nie gestört.“ Schließlich habe die Familie auch viel Besuch von außerhalb bekommen. Denn zu den Aufgaben des Försters gehörte damals auch der Verkauf sogenannter Pilz- und Holzlesescheine. Nur wer so einen Schein hatte, war dazu berechtigt, die entsprechenden Naturprodukte aus dem Wald zu holen, erinnert sich der Altförster.

Als eine Art Refugium beschreibt auch Kathrein Göhler das Haus im Wald, an das sie noch viele gute Erinnerungen hat. „Vom Küchenfenster aus konnte man sehen, wie sich die Sonne in der Talsperre spiegelt, das war genial.“ Sie sei gern in der Natur gewesen und auch an der Talsperre. Im Winter seien sie dort als Kinder oft Schlittschuhlaufen gewesen oder zum Skifahren, an den Hängen. Das war damals noch möglich, denn der Wald auf der Hennersdorfer Seite, zwischen Bundesstraße und Staubecken, wurde erst Mitte der 1980er-Jahre gepflanzt, berichtet Wolfgang Pretzsch. „Als Schutzwald, um die Bachzuläufe zu filtern und die Verschmutzung der Talsperre zu verhindern.“

Zu den Kindheitserinnerungen von Kathrein Göhler gehört auch das Auftauchen der Ortschaft Steinbrückmühle. Im Winter 1974/75 habe die Brücke schon einmal aus dem Wasser geschaut, ebenso die Baumstümpfe und Mauerreste. Alles war noch besser erhalten als heute. „Damals hat sich kein Mensch dafür interessiert“, stellt Kathrein Göhler fest. Grund für den niedrigen Wasserstand der Talsperre seien damals übrigens Bauarbeiten an der Staumauer gewesen, deshalb musste das Wasser abgelassen werden, sagt die 56-Jährige.

Im Gegensatz zur Ortschaft erinnern heute keine Überreste mehr an das Steinbrückmühler Forsthaus, das Wolfgang Pretzsch noch bis 1996 mit seiner Frau bewohnt hat. In diesem Jahr ging er in den Ruhestand, und sein Nachfolger bezog das Haus. „Wir waren sehr traurig, als wir ausziehen mussten“, erinnert er sich. 2011 sei das Forsthaus schließlich abgerissen worden – ein Anblick, den er sich lieber erspart habe. Auch für Kathrein Göhler war das ein trauriger Tag. Bis heute fühle sie sich mit dem Haus verbunden, von dem nicht viel mehr als Fotografien und Erinnerungen existieren.

Andere Häuser der Ortschaft Steinbrückmühle stehen dagegen auch heute noch, zumindest in Teilen. Ein Beispiel dafür ist das Talsperrencafé, ein Fachwerksgebäude, Putzbau mit Holzveranda und Sichtfachwerk in den großen Giebeln, das 1905 im Talgrund errichtet worden war. Beim Bau der Lehnmühler Sperre wurde das Haus, das früher Emil Hübler gehörte, nach und nach auseinandergenommen. Um Baumaterial zu sparen, wurde Stein für Stein, Balken für Balken abgetragen und in der bereits bestehenden Siedlung Hartmannsdorf-Neubau wieder errichtet, weitgehend im ursprünglichen Aussehen. Bis Anfang der 2000er-Jahre hatte das Talsperrencafé noch regelmäßig geöffnet, wie sich Kathrein Göhler erinnert. Heute steht das Haus leer.