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Die Lieblingsbayern

Als Retter in der Not helfen die Münchner sogar Vereinen, von denen sie mal geärgert wurden - heute also auch Dynamo.

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Von Sven Geisler

Sie kommen, um zu helfen. Mal wieder. Wenn ein Verein in Deutschland um Hilfe ruft, ist der FC Bayern zur Stelle: als Retter in der Not. Heute, 18 Uhr, tritt der Rekordmeister in Dresden gegen Dynamo an – zum Benefizspiel, also ohne die sonst übliche sechsstellige Antrittsgage zu kassieren. Die Münchner führen keine Liste, für wie viele Klubs ihr Gastspiel schon die überlebenswichtige Finanzspritze bedeutet hat. Sie machen es einfach. Das Engagement für die Kleinen in der Fußball-Familie ist für den Krösus eine Selbstverständlichkeit, was viel mit Uli Hoeneß zu tun hat.

Der jahrelange Manager und Präsident, der zurzeit eine Haftstrafe wegen Steuervergehen verbüßt, nannte den FC Bayern einst „den menschlichsten aller Vereine“. Diese Aussage lässt sich vielfach belegen; auch in Sachsen spielten die Stars schon mehrfach für einen guten Zweck. Beispielsweise nach der Jahrhundertflut 2002 in Riesa gegen eine sächsische Auswahl. „Wir stehen auf der Sonnenseite des Lebens. Und wenn sich solche Katastrophen wie das Hochwasser ereignen, helfen wir“, erklärte der damalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld nach dem munteren 4:4.

Aufbauhelfer Ost

Besonders gern gesehen sind die Münchner als Aufbauhelfer Ost, mehr als zehn Mal haben die Bayern seit 1993 hier geholfen. Dabei sind sie sogar bereit, Vereinen unter die Arme zu greifen, die sie einst geärgert haben wie zum Beispiel Energie Cottbus. Im Oktober 2000 blamierten sich die Bayern in der Bundesliga beim 0:1 in der Lausitz, neun Jahre später gewannen sie das Benefizspiel mit 5:2. Wichtiger als das Ergebnis waren die Einnahmen.

Hoeneß erklärte: „Der FC Bayern hat es sich auf die Fahnen geschrieben, dem Ostfußball weiterhin zu helfen. Die Vereine sind ja nicht auf Rosen gebettet.“ Der VfB Chemnitz, Jugendverein von Michael Ballack, Union Berlin, der 1. FC Magdeburg, Carl Zeiss Jena, Rot-Weiß Erfurt und Hansa Rostock profitierten bereits von der Solidarität. Und auch Dynamo standen die Münchner schon zur Seite, und das, obwohl die Schwarz-Gelben sie 1992 in der Bundesliga im eigenen Stadion und 1993 im Achtelfinale des DFB-Pokals jeweils 2:1 bezwungen hatten.

Als sich die SGD zehn Jahre später zwar sportlich mit dem Aufstieg in die damals drittklassige Regionalliga aus dem tiefsten Tal heraus gekämpft hatte, aber finanziell unter der Last der Vergangenheit litt, kamen die Bayern. Etwa 100 000 Euro brachte die Partie, die 2:2 endete. Anders als im Januar 2003, als nur 11 000 Zuschauer im alten Rudolf-Harbig-Stadion froren, ist das neue Stadion ausverkauft. Auch der Gästeblock. Die Bayern hätten weitaus mehr als ihre 3 000 Tickets verkaufen können.

Wie hoch der Erlös diesmal sein könnte, hat Robert Schäfer für sich garantiert schon überschlagen, verraten aber wollte Dynamos kaufmännischer Geschäftsführer sein Ergebnis vorher nicht. Er rechnet allerdings damit, dass es „das Freundschaftsspiel mit dem höchsten Ertrag in der Geschichte Dresdens und wahrscheinlich auch deutschlandweit“ wird. Die Summe soll komplett an den Medienunternehmer Michael Kölmel gehen.

Dynamo will bis Juni 2016 das Darlehen inklusive Zinsen zurückzahlen, das aus den Jahren 1999 bis 2001 stammt. Inklusive der Fernsehrechte waren gut sieben Millionen Euro aufgelaufen, rund eine Million konnte dank einer Sonderzahlung der Mitglieder im April getilgt werden. Außerdem endet heute eine Initiative zur Schuldentilgung. Knapp 130 000 Euro Spenden für den Verein haben die Fans eingesammelt.

Allein die Zuschauereinahmen liegen bei einer Million Euro. Partner wie die Stadionprojektgesellschaft und der Vermarkter Sportfive stellen ihre Leistungen kostenlos zur Verfügung. Die Feldschlößchen Brauerei als Hauptsponsor überlässt Dynamo den kompletten Erlös aus dem Bierverkauf. Vorstand Mike Gärtner: „Wir sind begeistert von der Dynamik und Kraft, mit der die Sportgemeinschaft die Vorbereitung der Partie und das damit verbundene Projekt der Entschuldung des Vereins vorangetrieben hat. Wir freuen uns sehr auf einen unvergesslichen Fußballabend.“

Und die Freude ist beiderseits. „Auf unsere Reise nach Dresden freue ich mich sehr“, sagt Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. „Fußball in Dresden hat eine stolze Vergangenheit. Helmut Schön, der frühere Bundestrainer, Weltmeister von 1974, war ein großer Spieler des Dresdner SC; Matthias Sammer, unser Sportdirektor, wuchs quasi auf den Fußballplätzen in Dresden auf; Jens Jeremies, der mit dem FC Bayern 2001 die Champions League gewann, ging durch die Dresdner Fußballschule.“

Rummenige wünscht Rückkehr

Es ließen sich weitere Verbindungen nennen wie die unvergessenen Europapokalspiele von 1973, als Dynamo den Bayern beinahe den Weg zum Titel verbaut hätte. Nach dem 4:3 in München mussten sie beim 3:3 in Dresden lange zittern. Oder der Transfer von Alexander Zickler. Die 2,3 Millionen D-Mark, die die Bayern 1993 für den schnellen Burschen als Ablöse zahlten, erwiesen sich als Investition in die Zukunft.

„Ich wünsche mir ein schönes Spiel, und ich bin überzeugt, dass Dynamo Dresden alle Möglichkeiten hat, in den Profifußball zurückzukehren“, sagt Rummenigge, und er meint damit eben nicht die 3. Liga, in der sich die Ost-Vereine ballen, sondern denkt an bessere Zeiten: „Nach dem Fall der Mauer haben die ostdeutschen Traditionsvereine die Bundesliga bereichert, Klubs wie Dynamo Dresden, VfB Leipzig, Hansa Rostock.“ Mit dem Benefizspiel heute trägt Dynamo auf dem schwierigen Weg zurück eine Last weniger.

TV-Tipp: Die ARD berichtet ab 17.40 Uhr live