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Die Meister der Pfeifen

150 Jahre alt ist die Orgel der Stauchaer Kirche. Sie soll mindestens noch einmal so lange gespielt werden. Anfangs sah es gar nicht danach aus.

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© Lutz Weidler

Von Jürgen Müller

Staucha. Die große Stauchaer Dorfkirche gleicht einer Baustelle. Die Orgelbauer Andreas Hahn und Matthias Ullmann und der Tischlermeister Frank Liebmann haben in des Wortes wahrster Bedeutung alle Hände voll zu tun. Die drei von der Orgelbaufirma Jehmlich aus Dresden gönnen sich kaum eine Pause, übernachten sogar in der Nähe von Staucha, um lange Fahrzeiten zu vermeiden. Sie haben ein ehrgeiziges Ziel: Zum Kirchweihfest am 15. Oktober soll die überholte Orgel eingeweiht werden.

„Das ist ein ambitioniertes Ziel“, sagt Pfarrer Matthias Bartsch. Unter anderem müssen die mehr als 2 000 Orgelpfeifen, die seit März dieses Jahres in der Werkstatt überholt wurden, wieder eingebaut werden. Seit Anfang August arbeiten die Orgelbauer und der Tischler in der Stauchaer Kirche. „Wir arbeiten mit heißer Nadel, aber wir schaffen das schon“ ist Projektleiter Andreas Hahn optimistisch. Der 55-Jährige aus Taubenheim ist ein alter Fuchs, arbeitet seit 1994 als Orgelbauer bei der traditionsreichen Firma Jehmlich. Die hat unter anderem Orgeln in Lorenzkirch, Coswig, Radebeul, Bockelwitz oder Rüsseina wieder auf Vordermann gebracht.

Eingeweiht wurde die Stauchaer Orgel gleichzeitig mit dem Kirchenbau im Jahr 1863. Dass sie einmal länger als 150 Jahre gespielt werden kann, war damals überhaupt nicht absehbar. Denn das von der Firma Kohl aus Leipzig gebaute Instrument war schon nach wenigen Jahren nicht mehr bespielbar. Schon sechs Jahre nach ihrem Einbau musste sie von Orgelbaumeister Keller aus Ostrau ertüchtigt werden. Deshalb heißt sie heute Kohl-Keller-Orgel. Der Ostrauer Orgelbauer hat damals offenbar ganze Arbeit geleistet, denn seitdem funktioniert das Gerät einwandfrei. Größere Arbeiten waren jedenfalls nicht nötig. In den 1960er Jahren wurde die Orgel mal gereinigt. Doch jetzt stand eine umfangreiche Ertüchtigung an.

„Wegen der Umbaugeschichte ist die Orgel etwas Besonderes, stellt auch für uns eine Herausforderung dar“, sagt Andreas Hahn. Da es sich um ein mechanisches Gerät handelt, sei es sehr robust und habe eine längere Haltbarkeit als pneumatische Orgeln. Sie sei solide gebaut und mit ihren mehr als 150 Jahren eine relative „junge“ Orgel. Derartige Instrumente gibt es seit dem 14. Jahrhundert, so Hahn.

Im Osten seien die Orgeln aus finanziellen Gründen selten erneuert worden. Dies habe zur Folge, dass es hierzulande noch viele historische Instrumente gäbe. „Insofern ist der Osten privilegiert. Armut ist der beste Denkmalschutz“, sagt der Orgelbaumeister und lacht. Er, der schon viele Orgeln von innen gesehen hat, ist regelrecht begeistert von dem Stauchaer Instrument. Es habe eine besondere Tontrakturführung, also die Verbindung von Taste zur Pfeife, erklärt er.

Die Sanierung der Orgel hat freilich ihren Preis. Rund 128 000 Euro wird diese insgesamt kosten. Die Kirchgemeinde muss einen Eigenanteil zahlen. Die Stauchaer – und nicht nur sie – spenden fleißig. Seit zehn Jahren wird für die Orgelsanierung gesammelt. Anfang dieses Jahres fehlten noch 17 000 Euro. „Es gab seitdem eine große Spendenbereitschaft. Jetzt fehlen uns noch 3 000 Euro. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das fehlende Geld auch noch zusammenbekommen“, sagt Pfarrer Bartsch.

650 Leute finden in der Stauchaer Kirche Platz, vor dem Umbau vor einigen Jahren waren es sogar 900. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Kirchgemeinde 480 Mitglieder zählt. Doch am 15. Oktober könnte das altehrwürdige Gotteshaus gut gefüllt sein, wenn die Orgel zum Kirchweihfest wieder erklingen wird.

Ob die Besucher dann auch wieder die 155 Stufen hinauf auf den Kirchturm besteigen und von dort aus luftiger Höhe von rund 40 Metern die Landschaft betrachten können, ist aber noch nicht ganz sicher. Die Treppe wird erneuert, der Kirchturm umgebaut. Auf dem Turm sind Holzpodeste nötig, damit der Blechbelag höher kommt.

Das wiederum hat zur Folge, dass das Geländer zu niedrig ist, aus Sicherheitsgründen durch das Einziehen von Stäben ebenfalls erhöht werden muss. „Es ist noch nicht klar, wann die Arbeiten fertig sind und der Turm wieder bestiegen werden kann“, sagt Matthias Bartsch. Wenn es in diesem Jahr nicht mehr werde, dann auf alle Fälle 2018, verspricht er.