Merken

Die „Öko“ wird verkauft

Das Studentenwohnheim soll bis Jahresende einen neuen Eigentümer haben. Müssen die Bewohner bald ausziehen?

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Verena Schulenburg

Tharandt. Aus dem Zimmer links schallt Radiomucke heraus, durch die einst hellgrün bepinselten Wände des Flurs. Die Decke darüber bröckelt. Das stört hier niemanden. „Es ist nicht besonders schick, aber es hat seinen Charme“, sagt Jan Thüne. Seine Kommilitonen nicken zustimmend. „Die familiäre Atmosphäre ist super“, sagt Patrick Siemokat und grinst. Die angehenden Forstwissenschaftler wohnen gern in der „Öko“, wie das Haus auf der Weißiger Höhe in Tharandt genannt wird. Doch seit einiger Zeit ist die Stimmung gedrückt.

Die Ornamente am Eingang erinnern an die Geschichte des Hauses als Forstfachschule.
Die Ornamente am Eingang erinnern an die Geschichte des Hauses als Forstfachschule. © Karl-Ludwig Oberthür
Mit bis zu 30 Quadratmetern sind die Zimmer recht groß.
Mit bis zu 30 Quadratmetern sind die Zimmer recht groß. © Karl-Ludwig Oberthür

Schon länger will das Studentenwerk der TU Dresden, welches das Wohnheim per Erbbaurecht vom Freistaat betreibt, verkaufen. Die Bemühungen darum haben sich in den vergangenen Monaten verstärkt. Im Herbst 2017 wurde die 1955 eröffnete Forstfachschule auf der Gewerbeimmobilienmesse Expo Real in München zum Verkauf angeboten. Und in diesem Frühjahr ist das Haus samt Nebengebäuden nochmals öffentlich im Internet angepriesen worden – offenbar mit Erfolg.

Angst vor der Kündigung

Die Studenten haben bereits beobachtet, wie alte Tische und Stühle zuhauf aus dem Lager geräumt wurden. Stattdessen standen Farbeimer in einer Ecke. „Hier tut sich was“, ahnt Felix Peter. Der 25-jährige Masterstudent ist Wohnheimtutor in der Öko. Er wohnt nicht nur selbst hier, sondern unterstützt alle Neusemester bei ihrem Studienstart in Tharandt. Aktuell sind von den insgesamt 42 Studentenbuden zwar nur 30 belegt. Mit Beginn des neuen Semesters im Herbst könnten es aber mehr werden. Dann wird Felix Peter wieder Ansprechpartner für viele Studenten sein, obwohl er selbst nicht weiß, wie es vor Ort weitergeht. „Wir kennen die Verkaufsabsichten und sind dem Studentenwerk darum nicht böse“, sagt er. Aber etwas Planungssicherheit hätten die Bewohner hier gern.

Denn wenn das Haus den Eigentümer wechselt, wissen sie nicht, ob sie bleiben dürfen oder die Mietverträge kurzerhand gekündigt werden. Abgesehen davon befindet sich im Erdgeschoss seit 1986 der Studentenklub Heinrich Cotta. Dieser organisiert nicht nur etliche Studentenfeten, sondern hilft auch in Sachen Catering bei Veranstaltungen der Forstfakultät in Tharandt. Wenn die Studenten raus müssen, müsste sich wohl auch der Klub umsehen. Wohin, wenn nicht hier? Klub-Chef Patrick Siemokat zuckt mit den Schultern.

Günstiger Wohnen geht nicht

Die Fachrichtung Forstwissenschaften der TU Dresden hat in Tharandt ihren Sitz. Hier wird studiert und hier wollen die meisten Studenten auch wohnen. „Es ist unsinnig, in Dresden zu wohnen, wenn man in Tharandt studiert“, sagt Jan Thüne. Zwar gebe es eine kurze S-Bahn-Anbindung zwischen beiden Städten. Aber das Pendeln mache unflexibel, weiß der 27-Jährige, der erst im Herbst vorigen Jahres auf der Weißiger Höhe ein Zimmer bezogen hat und sich zuvor in Dresden-Löbtau mit einem Kumpel eine Wohngemeinschaft teilte.

Abgesehen von der Öko gibt es in der Forststadt noch weitere Unterkünfte für Studenten, beispielsweise an der Grundschule auf der Wilsdruffer Straße oder in der neu sanierten Wohnanlage Kattenburg auf der Pienner Straße. Doch dort sind die Kapazitäten begrenzt. Und die Räume haben ihren Preis. „Das können sich nicht alle leisten“, sagt Jan Thüne. Die Öko ist eben günstig. Maximal 183 Euro für ein bis zu 30 Quadratmeter großes Einzelzimmer müssen Studenten aufbringen, bei Bedarf sogar möbliert. Die Miete für das einzige Zweiraum-Apartment kostet 255 Euro. Mit 65 Quadratmetern ist es durchaus so groß wie eine Zweiraumwohnung. Es sind Preise, mit denen andere Unterkünfte kaum mithalten können. Dass es hier so günstig ist, hat seine Gründe.

Der Sanierungsstau ist enorm. Lediglich die Sanitärräume wurden seit 1955 modernisiert, die Heizung erneuert und 2016 das Dach neu gedeckt – zwangsläufig. Es regnete hinein. Abgesehen davon ist der DDR-Charme des Hauses bis heute erhalten geblieben. Die Kulisse zog 2011 sogar eine Film-Crew nach Tharandt. Hier wurde „Der Turm“ gedreht, mit Schauspieler Jan Josef Liefers. Ausreichend Geld für die Sanierung des Hauses blieb nach dem Medienrummel aber anscheinend nicht zurück.

Was passiert nun mit dem Gebäude, in dem sich neben dem Studentenwohnheim außerdem noch ein Archiv für Patientenakten des Dresdner Uniklinikums befindet?

Das Haus ist „derzeit noch nicht verkauft“, sagt Stefan Wagner, kommissarischer Geschäftsführer des Staatsbetriebes zentrales Flächenmanagement Sachsen, dem Eigentümer des Hauses. Man habe allerdings mit einigen Interessenten Gespräche geführt und werde „zeitnah eine Verkaufsentscheidung treffen“. Der Verkauf solle in diesem Jahr abgeschlossen werden, sagt Wagner. Ziel sei es, das Haus samt Nebengebäuden auf dem etwa 8 000 Quadratmeter großen Grundstück zu verkaufen. Die potenziellen Käufer würden sich „vor allem auf die Nutzung des Objektes zu Wohnzwecken“ konzentrieren. Was genau das für die Studenten bedeutet, könne er noch nicht sagen.

Es scheint allerdings, als würde die Behörde nicht davon ausgehen, dass die Forststudenten bleiben könnten. Wagner weist darauf hin, dass „die Abgabe dieses Wohnheimes bei der Ermittlung der erforderlichen Kapazitäten in der Wohnheimkonzeption des Studentenwerkes Dresden bereits berücksichtigt“ sei. Das heißt, auch ohne die Öko würden die Kapazitäten ausreichen. In der Nähe des Dresdner Hauptbahnhofes gebe es viele Wohnheime, von wo aus Tharandt per Semesterticket ohne zusätzliche Kosten gut angebunden sei.

Ein Abgesang auf die Öko? Jan Thüne mag sich nicht damit anfreunden. Er und die anderen Studenten müssten sich nicht nur nach einer anderen Bleibe umschauen. „Es wäre schade um alles hier“, sagt er. Die Öko sei für das bekannt, was sie ist. Immer wieder kämen Besucher, die das Haus aus ihrer eigenen Studienzeit kennen und neugierig seien, was daraus geworden ist. So wie ein älterer Herr, der mit seinem Auto auf dem Hof stand. „Er sagte, dass er hier in den 60ern studiert hat, mit vietnamesischen Studenten auf dem Schrank in seinem Zimmer saß und sie gemeinsam Radio Peking gehört hätten.“ Er habe Tränen in den Augen gehabt und fand es toll, dass sich bisher so wenig verändert hat.