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K.o.-Tropfen: Die Ohnmacht der Opfer

Opfer von K.o.-Tropfen leiden nicht nur unter unmittelbaren Folgen. Welchen Belastungen sie ausgesetzt sind, erklärt der Dresdner Psychiater Veit Rößner.

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Prof. Dr. Veit Rößner.
Prof. Dr. Veit Rößner. © Matthias Rietschel

Herr Rößner, worunter leiden Menschen, denen K.o.-Tropfen in den Drink gemischt wurden, am meisten?

Jeder Mensch reagiert auf solche Ereignisse anders, die ja auch sehr unterschiedlich abgelaufen sein und erinnert werden können. Als psychische Hauptbelastung berichten Betroffene von unguten Gefühlen des Ausgeliefertseins, des Kontrollverlusts, der Scham, der Ungewissheit und des permanenten Grübelns.

Welche Folgen hat das für die Psyche?

Schlaflosigkeit oder Konzentrationsprobleme, gedrückte Stimmung, Appetitmangel bis hin zum Vollbild einer Depression. Andere, alternative oder zusätzliche Folgen dieser Gefühle passen eher zur Diagnosegruppe der Angststörungen, also zum Beispiel Angstsymptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Vermeidung von bestimmten Situationen. Je nach Bewertung oder tatsächlicher Schwere der Ereignisse und Folgen kann sich auch eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Eine solche Reaktion auf traumatisierende Ereignisse wird in Schockphase, Einwirkungsphase und Erholungsphase eingeteilt, um zumindest eine gewisse Vorhersage typischer Reaktionsmuster zu haben.

Wie lange dauert die Schockphase?

Sie kann von einer Stunde bis zu einer Woche dauern. Geschädigte zeigen Verwirrtheit, Unfähigkeit, sich an wichtige Daten zu erinnern, zum Beispiel an die eigene Telefonnummer. Im akuten Schockzustand gibt es vegetative Symptome wie bleiche Hautfarbe, beschleunigte und flache Atmung, die Betroffenen haben einen benommenen Blick, manchmal glauben sie, sich an einem anderen Ort zu befinden.

Was geschieht danach?

Dann beginnt die Einwirkungsphase, die bis zu zwei Wochen anhalten kann. Die stärkste Erregung ist zwar abgeklungen, die Betroffenen sind jedoch innerlich von den Ereignissen total in Anspruch genommen. Immer wieder müssen sie von den Vorfällen berichten oder über Details nachgrübeln. Starke Selbstzweifel, Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht können auftreten. Alternativ oder im Wechsel damit können Wutanfälle und heftige Anklagen gegen mögliche Verursacher oder ungeeignete Helfer auftreten, berechtigt oder nicht. An vegetativen Symptomen können in dieser Zeit Einschlafstörungen, Übererregbarkeit, Überwachheit, erhöhte Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Alpträume und Nachhallerinnerungen vom traumatischen Ereignis auftreten.

Wann fangen die Betroffenen an, sich von ihrem Trauma zu erholen?

Meist nach zwei, manchmal erst nach vier Wochen. Dann lässt die Dauererregung nach. Nicht jeder Gedanke an das traumatische Ereignis löst erneut heftige Reaktionen aus, das Interesse am normalen Leben und anderen Personen kehrt wieder. Noch immer ist das traumatische Ereignis von zentraler Bedeutung. Es kann noch lange dauern, bis die Sicht auf die Welt und das Selbstverständnis der Person so stabil geworden sind, dass das traumatische Ereignis darin einbezogen werden kann.

Was würden Sie ihnen zur Aufarbeitung des Geschehenen empfehlen?

Fälle in denen es keinen Verdacht auf „unschöne“ Ereignisse unter den K.o.-Tropfen, oder ein paar oder etliche Hinweise darauf gibt, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Reaktionen und Folgen. Im besten Fall gibt es keinerlei Verdacht und der Betroffene kann das Ereignis abtun unter dem Motto: „Mehr will ich gar nicht wissen und mich damit belasten“. Gibt es allerdings mehr oder weniger deutliche Hinweise auf „übergriffiges Verhalten“ und die eigenen Kräfte zur Selbstheilung versagen, gilt es diese zu unterstützen. Wir machen dafür die Betroffenen mit dem natürlichen Traumaverlauf, möglichen Symptomen, Folgen für den Alltag und Behandlungsmöglichkeiten vertraut. Das nennen wir Psychoedukation. Zusätzlich gibt es unterschiedlichste Vorgehensweisen, die psychotherapeutische Techniken und Psychopharmakologie enthalten können. An erster Stelle steht hier die Vermittlung von Sicherheit und einer stabilen Patienten-Therapeuten-Beziehung, bevor Weiteres eingesetzt wird.

Die Fragen stellte Susanne Plecher.