Von Maria Fricke
Die Asylpolitik wird die CDU Wähler kosten. Das weiß auch Veronika Bellmann. Die ehemalige Eppendorferin sitzt seit 2002 für Mittelsachsen im Deutschen Bundestag. Und dort will sie am 24. September auch wieder hin. „Durch das Asylthema werden einige Wähler bei der AfD hängenbleiben. Das wird sich schon auswirken“, sagt die 56-Jährige. „Doch auch andere alteingesessene Parteien werden Federn lassen müssen“, vermutet Bellmann.
Die CDU habe ihre Fehler erkannt und gehandelt, sagt die Bundestagsabgeordnete. „Wir haben das Asylpaket I und II sowie das Integrationsgesetz auf den Weg gebracht. Haben die Strafgesetze verschärft“, erzählt die Politikerin. Abschiebungen sollen konsequenter umgesetzt werden. Denn: „Wer herkommt und kriminell wird, der hat sein Gastrecht verwirkt“, betont Bellmann. Und hier liege das große Problem der Asylthematik: „Die Unterbringung und Versorgung bewältigen wir. Wir sind ein starkes Land, haben Überschüsse erwirtschaftet. Bei der Integration sieht das schon anders aus“, bringt es die Christdemokratin auf den Punkt. Es könne nicht sein, dass in einer Freiberger Grundschule eine Siebenjährige aus einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) nicht an Ausflügen teilnehmen könne, weil sie aufgrund des Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime, nicht essen und trinken darf und für Ausflüge zu schwach ist. „Wir haben viele fundamentalistische Islamisten hierherbekommen“, erklärt die Politikern, die viele DaZ-Klassen im Kreis besucht hat. „Wir können uns nicht fortwährend Minderheiten unterordnen. Die Migranten müssen sich dem Land anpassen“, so Bellmann.
Sie ist eine Frau mit Widerstandskraft, eine, die politisch gern aus der Reihe tanzt. Entgegen der Mehrheit ihrer Partei lehnte sie das dritte Hilfspaket für Griechenland ab. Sie weiß selbst, dass manche ihrer Äußerungen den Parteikollegen nicht gefallen. Doch das nimmt sie in Kauf. Es sei nicht mutig, wenn man in einer Demokratie seinen Mund aufmache und seine Meinung sage. Das gehöre für sie einfach dazu. Und trotzdem bleibt sie eine leise Rebellin, wie das Magazin für politische Kultur Cicero sie einst bezeichnete.
Zur Person
Sechs Fragen an: Veronika Bellmann (CDU)
Kraft schöpft die Mutter einer Tochter aus dem Glauben, aber vor allem aus der Familie. Obwohl sie die kaum sieht. Ihr Tag beginnt früh und endet spät. Freizeit gibt es kaum. Die Tochter lebt mit ihrer Familie in Windhoek in Namibia. „Wir sehen uns nur etwa alle zwei Jahre“, sagt Bellmann, die sich fest vorgenommen hat, wieder mehr nach Afrika zu reisen. Regelmäßigen Kontakt gibt es dennoch, über das Internettelefon Skype. „Trotzdem fehlen sie mir sehr“, gibt die Bundestagsabgeordnete zu.
Bellmann lebt zusammen mit ihrem Mann in Dresden. Anfang des Jahres musste sie aus familiären Gründen ihre Heimat Eppendorf verlassen. Die Entscheidung fällte sie für ihre 37-Jährige Ehe und nicht gegen ihre Heimat, betonte sie Ende Februar. Die Folge des Umzuges war ihr Ausscheiden aus dem mittelsächsischen Kreistag, den sie sehr bedauert hat. Auf ihr Bundestagsmandat hat der Wegzug aus dem Kreis keinen Einfluss. Denn an ihrem Arbeitsumfeld hat sich nichts geändert.
Die gelernte Krippenerzieherin ist nach wie vor präsent, in Freiberg ebenso wie in Döbeln oder Leisnig. Vieles habe sie im Bundestag erreicht und angestoßen. Das wolle sie nun fortführen, vollenden und auch Neues in die Wege leiten. In Döbeln hofft sie, dass im Herbst endlich der endgültige Startschuss für den Ausbau der Gakendelle gegeben wird. Im September begleitet sie als Schirmherrin und Stifterin die „Stolperstein-Aktion“ für Holocaust-Opfer aus der Region in Waldheim. In Roßwein ist sie beim Aufbau des Medizinischen Versorgungszentrums in der alten Post dabei. In Leisnig engagiert sie sich für den Verein Lebenszeit, der ein Hospiz baut.
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Von der Wiege bis zur Bahre, von der Krippe bis zum Hospiz – thematisch legt sich Veronika Bellmann nicht fest. Sie arbeitet in Kindereinrichtungen mit, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Daher weiß sie, dass es den Erziehern helfen würde, wenn sie auf ihre Arbeits- die Vorbereitungszeit angerechnet bekämen. Denn dann müssten sie Dokumentationen wie Bildungsempfehlungen und Portfolios nicht mehr in ihrer Freizeit bearbeiten. Zudem wirkt sie am Schülerforschungszentrum Sachsen mit, das seinen Sitz in Freiberg hat. Pro Jahr werden dort drei bis vier Workshops für Schüler angeboten, um diese an die Forschung heranzuführen. „Ich komme beruflich aus dem sozialen Bereich, habe Wirtschaft studiert, bin aber auch technisch interessiert. Infrastruktur und Digitales faszinieren mich“, meint Bellmann. Gerade in Sachen Breitbandausbau gebe es in der Region Döbeln noch viel zu tun. Sie will die deutsche Sprache ins Grundgesetz bringen, ein allgemeines Dienstpflichtjahr für alle einführen, Ärzte mittels bestimmter finanzieller Unterstützung aufs Land holen. Sie vergibt Deutschlandstipendien, unter anderem an zwei alleinerziehende Frauen, die sich beruflich umorientieren wollen. Sie hat mit entschieden, dass Mittelsachsen im Bundesverkehrswegeplan, der von 2015 bis 2030 gilt, 214 Millionen Euro für den Ausbau der Infrastruktur erhält. Das Geld fließt unter anderem in den zweispurigen Ausbau der B 169 zwischen Döbeln-Nord und Salbitz.
Selbst bei der Bundeswehr war Bellmann als politischer „Hans Dampf in allen Gassen“, wie sie selbst über sich sagt, aktiv. Von 2003 bis 2006 absolvierte sie Wehrübungen bei der Bundeswehr sowie dem Deutschen Heer, wurde zum Major der Reserve ernannt. „Ich wollte nicht wie der Blinde von der Farbe sprechen“, begründet Bellmann, die als stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages sitzt und zu deren Wahlkreis die Kaserne in Frankenberg gehört.
Es ist ihr Prinzip, die Dinge selbst zu erleben, vor Ort zu sein, die Bürger in ihrer Umgebung anzutreffen. „So bekommt man mehr mit. Für viele ist es eine Hemmschwelle, ins Büro zu kommen“, sagt Bellmann. Als Politiker sei es wichtig, ein gewisses Maß an Lebens- und Berufserfahrung mitzubringen. „Das tut jedem, der das Volk vertreten will, gut“, meint die 56-Jährige, für die Beruf zur Berufung geworden ist. Sie habe jetzt eine reifere Gesetztheit erreicht, mit der sie aber noch innovativ und flexibel genug sei. Auch wenn sie den Beruf schon lange ausübt, sei er noch lange nicht zur Routine geworden.
Über 74 000 Wähler, fast 52 Prozent der Wahlberechtigten, schätzten bei der Wahl 2013 das Engagement der Bundestagsabgeordneten. Doch die Situation jetzt sei eine andere. Nicht nur aufgrund der Asylproblematik. Konkurrenten hätten sich inzwischen auf der politischen Bühne etabliert. „Mit 51,9 Prozent wird es dieses Mal nicht über die Bühne gehen“, ist sich die ehemalige Eppendorferin sicher. Doch auch das ist eine Seite von ihr: „Um Enttäuschungen zu vermeiden, stapele ich lieber zu tief als zu hoch. Ist das Ergebnis besser, freue ich mich umso mehr.“