Die Retter der Dresdner Rübe

Diesen Tipp wird so mancher Hobbygärtner gern hören: Das Umgraben in den Beeten ist nicht nur wirkungslos, sondern es fügt dem empfindlichen Gleichgewicht unter der Erde großen Schaden zu. Das sagt Sebastian Veit, der sich seit über zehn Jahren mit naturnahem Gärtnern beschäftigt – und sein Hobby nun zum Beruf gemacht hat. „Einfach Samen in die Erde stecken und das Beet mit Mulch abdecken“, sagt er. „Das ist das ganze Geheimnis.“
Vor wenigen Wochen gründete Sebastian Veit gemeinsam mit Nadin Fliegner in Dresden das Unternehmen BioDiversa gUG, wobei gUG für „gemeinnützige Unternehmensgemeinschaft“ steht. Mit dem Verkauf von samenfestem Saatgut und Jungpflanzen über ihren Onlineshop wollen die beiden 39-Jährigen das nötige Kleingeld verdienen, um ihrem großen Traum näherzukommen: alte, einst regional bekannte Gemüsesorten zu vermehren, wieder zu verbreiten und vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Eine Markt- und für viele auch Wissenslücke in Zeiten, in denen es meist nur noch Hybridsaatgut aus dem Labor zu kaufen gibt, das zwar billig ist, sich aber nicht weiter vermehren lässt.
Noch in den 50er-Jahren seien in Deutschland 25.000 Apfelsorten bekannt gewesen, betonen sie. Im Handel erhältlich seien heutzutage gerade noch 15. Bei den Gemüsesorten, Kräutern und Stauden sei es kaum anders.
Doch mit ihrer Hilfe sollen die Sachsen in ihren Gärten bald wieder das Mairübchen „Dresdner graugelbes Rundes“, die Bautzener Kastengurken und die Schlesische Himbeere anbauen. Letzteres ist übrigens der Name einer Tomatensorte.
Während Sebastian der Experte für den Boden ist, bringt Nadin das nötige Fachwissen über die bedrohten Sorten mit. Eine äußerst fruchtbare Symbiose.
Schon vor vier Jahren begann sie, für die aus der Schweiz stammende Stiftung ProSpecieRara Sorten zu erhalten, zum Beispiel bunten Hopi-Mais, wie ihn schon die Indianer anbauten oder essbare Chrysanthemen. Nach und nach baute sie sich einen Shop auf und machte währenddessen eine Ausbildung in einer Gärtnerei.
Nun will sie mit Sebastian richtig durchstarten. Für ihre Aufzuchten steht den beiden bislang ein zwei Hektar großes Feld in Porschdorf in der Sächsischen Schweiz zur Verfügung. Schon jetzt wird es dort aber eng. „Wir suchen deshalb private Flächen, die wir bewirtschaften dürfen“, sagt Nadin. Das könnte am Ende allen nützen: Die Besitzer bekommen die Früchte – und Nadin und Sebastian das Saatgut.
Neben den Arbeiten im Beet sind die beiden in diesen Tagen vor allem damit beschäftigt, ihr Netzwerk weiterzuspinnen. Hand in Hand mit Naturschutzverbänden und Biobauern wollen sie ihre Idee weitertragen. Bei so manchem Kleingärtner müssen sie mit ihren Überzeugungen womöglich dicke Bretter bohren, aber wenn sie das erste Mal schwarze Tomaten gesehen haben, dann werden sicher auch die größten Skeptiker hellhörig.
Nadin und Sebastian habe große Ziele. Irgendwann wollen sie sich Satelliten-Stationen im ganzen Land aufbauen, die jeweils regionale und an die Temperaturen und Bodenverhältnisse angepasste Pflanzen beherbergen. Das nämlich sei vielleicht der größte Unterschied zwischen ihnen und konventioneller Landwirtschaft: Die großen Betriebe machen ihre Flächen klinisch rein und passen sie ihrem Saatgut an. Sie dagegen ließen dem Saatgut Zeit, sich der Umgebung anzupassen. „Mancher Samen lag bei uns schon zwei Jahre in der Erde“, sagt Nadin. „Und dann dachte er sich: Jetzt ist es Zeit zum Keimen.“
Haben Sie selbst noch altes Saatgut aus der Region, dass sie selbst bewahren? Sebastian und Nadin würden sich sehr über einen Anruf unter 0173/6648203 oder eine E-Mail an [email protected] freuen.