Merken

Die Rückkehr der Experten

Familie Allner aus Zschaitz bei Döbeln hat eine besondere Verbindung zu Schloss Hubertusburg. Jetzt schauten die vier, wie es sich gemacht hat.

Teilen
Folgen

Von Anna Hoben

Für Familie Allner bedeutet der Ausflug ein Wiedersehen mit einem vertrauten Ort. Vater Karsten war als Zimmermann dabei, als der Flügel des Schlosses restauriert wurde, in dem sich das Friedensfenster befindet. Fast ein Jahr verbrachte er täglich mindestens acht Stunden im Schloss und half, das Gebäude zu entkernen. Seine Frau Silke arbeitet im Sozialministerium und hatte beruflich mit den Kliniken zu tun, die hier untergebracht waren.

Schon vor zehn Uhr war vor dem Schloss Schlangestehen angesagt.
Schon vor zehn Uhr war vor dem Schloss Schlangestehen angesagt.

Die beiden sind also quasi Experten, was das Schloss Hubertusburg betrifft. Jetzt wollen sie sehen, was sich in der Zwischenzeit getan hat an dem Schloss, das einst zu den prächtigsten Jagdschlössern Europas zählte. „Die Geschichte ist einfach sehr interessant“, sagt Silke Allner. Nach der Plünderung im Siebenjährigen Krieg habe man ja nie so recht gewusst, wie man es nutzen sollte. „Und als ich das Schloss von innen gesehen habe, bin ich erschrocken, wie heruntergekommen manche Räume sind.“

An diesem Sonntagmorgen haben die Allners in Zschaitz bei Döbeln ihre beiden Kinder, den vierjährigen Paul und die neunjährige Sarah, ins Auto gepackt und sind zur SZ-Entdeckertour nach Wermsdorf bei Oschatz gefahren. Silke Allner hatte am Freitag noch versucht, Tickets zu bekommen – keine Chance, alles ausverkauft. Doch im Schlosshof hat die Familie Glück: Es gibt noch Karten für eine Führung durch die Außenanlage. Bevor die startet, holt sich Sarah einen Quizbogen zum Ausfüllen. Ihr Bruder Paul will lieber ein zweites Frühstück und bekommt eine Gänsebratwurst. Und für die Eltern gibt es eine Broschüre zur Schlossgeschichte.

Sarah grübelt über dem Quiz. Im Hof soll es Figuren geben, die die Jahreszeiten darstellen. Geht es etwa um die Statuen auf dem Rasen? Die eine hat einen Blumenstrauß in der Hand: Frühling. Die zweite eine Ähre: Sommer. Die dritte hält eine Weintraube: Herbst. Aber huch, warum hat die Figur denn fast nichts an? „Vielleicht war es warm an dem Tag“, sagt die Mutter. Die vierte Figur muss warten, denn Paul hat eine Frage: „Wie ist denn der Mann da hochgekommen?“ Der Mann thront mit einem Speer in der Hand über dem Eingang des Hauptgebäudes, ist ebenfalls eine Statue – und eigentlich eine Frau. Als die Mutter Paul darauf hinweist, schüttelt der energisch den Kopf. „Eine Frau mit Schwert, das gibt’s nicht“, sagt er.

Unterdessen hat sich für die Führung ein großer Pulk angesammelt. „Das ist schon beeindruckend“, sagt Silke Allner. „In der Woche ist nie ein Mensch da.“ Heute dagegen haben pünktlich um viertel vor zehn die ersten auf Einlass gewartet. Die Zeit ist streng getaktet. Mit der Entdeckertour eröffnet auch die neue Ausstellung „Die königliche Jagdresidenz Hubertusburg und der Frieden von 1763“. Es können immer nur 200 Menschen auf einmal hinein. Draußen ruft jetzt der Schlossführer: „Wir teilen die Menge durch drei. Bitte lassen Sie die Familien zusammen.“ Familie Allner folgt der weißhaarigen Dame mit dem pinkfarbenen Schal. Die erzählt, wie August der Starke zunächst immer im Alten Jagdschloss Station machte, wenn er auf dem Weg nach Leipzig war und ein Hotel brauchte. Wie er schließlich seinem Sohn, dem Kurprinzen, ein noch prächtigeres Schloss bieten wollte – und Schloss Hubertusburg erbauen ließ. Heute hat die Gemeinde Wermsdorf rund 5 500 Einwohner und zwei Schlösser. „In welchem Dorf gibt es das schon?“, fragt die Führerin. „Ich kenne kein anderes.“

An dem Gebäude, das er mit saniert hat, trumpft Karsten Allner mit Insiderwissen auf: „Diese Ecke ist gar nicht original, da war die Mauer eingefallen.“ Dann geht es ums Hauptgebäude herum. „Und jetzt drehen Sie sich mal um“, sagt die Führerin. „Ach du Sch...“, entfährt es Sarah beim Anblick der hinteren Fassade: bröckelnder Putz, vertrocknete Ranken an den Wänden, Löcher in den Scheiben. Paul und sein Vater inspizieren die Kellerräume, in die man durch ein Gitter sehen kann. „Die suchen wohl das Bernsteinzimmer“, sagt Silke Allner. Denn das soll nach einer Legende genau hier versteckt sein.

Paul gibt auf. Lieber sammelt er Blätter, Stöcke und ein Seil – für sein Piratenschiff zu Hause. „Er ist ein Jäger und Sammler“, sagt Pauls Vater und lacht. Da ist der Junge in einem Jagdschloss ja goldrichtig.