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Die Rückkehr der katholischen Kirche

Im Mai wird in Leipzig der größte sakrale Neubau Ostdeutschlands geweiht. Doch die Glocken machen noch Sorgen.

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© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Die Neue Propsteikirche in Leipzig, Ostdeutschlands größter Kirchenneubau, steht kurz vor der Vollendung. Am 9. Mai soll das moderne Gebäude-Ensemble mit der roten Porphyrfassade gegenüber dem Leipziger Rathaus geweiht werden. Handwerker stellen dieser Tage die Kirchenbänke aus dickem Eichenfurnier für mehr als 600 Gottesdienstbesucher auf, Fachleute der Manufaktur Vleugels in Baden-Württemberg bauen die Orgel ein, letzte Vertäfelungen werden angebracht, der Granitstein-Innenhof herausgeputzt. Mehr als 70  Jahre nach der schweren Bombardierung der historischen Vorläufer-Kirche im Winter 1943/44 kehrt die katholische Propsteigemeinde damit in Leipzigs Stadtzentrum zurück.

Im Inneren des Gotteshauses läuft die Einrichtung auf Hochtouren: Bänke werden eingebaut und die Orgel wird montiert.
Im Inneren des Gotteshauses läuft die Einrichtung auf Hochtouren: Bänke werden eingebaut und die Orgel wird montiert. © Sebastian Willnow

Kurz vor der Fertigstellung des Gotteshauses machten Prüfingenieure mit einem Unwuchterreger allerdings eine kuriose Feststellung: Der 50 Meter hohe Kirchturm würde den Schwingungen der kleinsten der sechs Glocken, die aus der zerstörten, neogotischen Trinitatis-Kirche stammt, nicht standhalten. Nun muss die Gemeinde im Turm ein Gegenpendel installieren. Andernfalls müsste die Kirche auf die historische Glocke verzichten oder eine aufwendige Ertüchtigung des Turms finanzieren. „Wir prüfen gerade alle drei Alternativen“, sagt Propst Gregor Giele. Anfang April sei die nächste Beratung geplant.

Bis zur Lösung des Problems hat die Gemeinde noch Zeit: Das Geläut wird erst im Herbst installiert und zum Ende des Festjahres 2015 geweiht. Denn vier Glocken hängen noch im maroden Vorgängerbau am Rosental, zwei davon sind defekt und müssen voraussichtlich eingeschmolzen und neu gegossen werden. Eine weitere Glocke soll neu entstehen. Auch die Weihe der Vleugels-Orgel ist erst für Ende September geplant. Die Orgelbauer brauchen nach der Weihe mindestens drei Monate ohne Baulärm und Staub, um das Instrument mit mehr als vierzig Registern richtig zu intonieren, erklärt Giele. Die Vergabekommission wurde auch vom Dresdner Domorganisten Thomas Lennartz beraten.

Unverzichtbar für die Kirch-Weihe sind indes die liturgischen Orte, wie der Altar und das Ambo genannte Lesepult, das Tabernakel für die Hostien, Taufstein, Priestersitz und ein riesiges Holzkreuz für die Ostwand. Sie sind in hellen Rot-, Gold- und Eichen-Tönen gestaltet und tragen reiche Ornamente. Die Entwürfe stammen vom kubanischen Künstler Jorge Pardo aus Los Angeles, der sich in einem internationalen Wettbewerb durchsetzte. Gefertigt werden sie von Schreinern in Eberswalde und Bad Homburg.

Kein Protzbau a la Limburg

Der trapezförmige Kircheninnenraum hinter dem schweren Bronze-Hauptportal erstreckt sich mehr als 35 Meter in die Breite und ragt 14 Meter in die Höhe, am Boden ist heller Weimarer Bauhaustravertin verlegt. An der Südseite wird eine Werktagskapelle eingerichtet. Über einen teils mit Gängen überdachten Innenhof gelangt der Besucher ins Gemeindezentrum mit großem Veranstaltungssaal, Büros, Küchen, Gruppen- und Seminarräumen und zwei einfachen Priesterwohnungen in der zweiten Etage. Der gesamte Bau darf nicht mehr als 15 Millionen Euro kosten, beinah die Hälfte wird durch Spenden aufgebracht. Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst hatte für seinen Sitz das Doppelte ausgegeben.

Wie ein Schaufenster zur Innenstadt hin soll ein 22 Meter langes und drei Meter hohes Kirchenfenster wirken. Auf zwei hintereinanderliegenden Scheiben, so die Idee des Leipziger Künstlers Falk Haberkorn, steht der gesamte Text der Bibel. Von außen ist je nach Lichteinfall das Alte oder das Neue Testament zu lesen. „Wir möchten vor allem denjenigen Gelegenheit bieten, unserer Gemeinde und unserem Glauben zu begegnen, denen unser Glaube fremd ist“, sagt Giele.

Annäherung ist auch nötig. Der Kirchenneubau steht wie eine Trutzburg genau gegenüber dem Leipziger Rathaus, was Kritikern in der Stadt sauer aufstößt. Außerdem liegt St. Trinitatis ausgerechnet am Martin-Luther-Ring – die offizielle Adresse lautet allerdings Nonnenmühlgasse – weil hier schon im 13. Jahrhundert eine Mühle der Georgennonnen stand.

Ökologisch ist auch die neue Leipziger Kirche ausgelegt: Der Innenraum der Kirche wird im Winter über 18 Sonden aus 140 Meter Tiefe mit Erdwärme beheizt. Eine Energie, die die Erde im Sommer über die Kühlung zurückbekommt. Am Kirchturm und auf dem Dach sind großflächig Fotovoltaik-Anlagen wie Intarsien eingelassen. Im Innern trägt der Kirchturm ein Regenwasserreservoir, das für die Toilettenspülung und die Bewässerung der Außenanlagen dient. Außerdem sind am Turm zwei Plätze für Wanderfalken vorbereitet. „Es lag uns am Herzen, einen Beitrag zu leisten, Gottes Schöpfung zu bewahren“, sagt Giele. Das Leipziger Architekturbüro Schulz & Schulz hatte mit einem Katalog für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz die Jury überzeugt.

Das Wochenende der Kirchweihe beginnt am Freitagabend, dem 8. Mai, mit einer Art Nachtgebet in der alten Propsteikirche und einem Gang zur neuen Propsteikirche, wo eine Abschlussandacht im Innenhof gehalten wird. Der Festgottesdienst zur Kirchweihe am nächsten Vormittag wird im MDR-Fernsehen übertragen. Danach folgen Auftritte bekannter Kinder- und Jugendchöre, Kirchenführungen und eine „Nacht der Chöre“ mit den Thomanern, dem MDR-Rundfunkchor und anderen Musik-Institutionen. Nach Mitternacht wird ein Kirchenjazzkonzert mit dem David-Timm-Jazzquartett gespielt.

Zuzüge und Taufen

Die Geschichte des Neubaus beginnt im Grunde schon 1980. Damals bekommt die Propstei ihren Kirchenneubau am Rosental, finanziert mit D-Mark westdeutscher Gemeinden. Doch im ganzen Gebäude treten schon bald Risse auf, weil das morastige Erdreich nicht trägt. „Anders als in einem Gutachten angegeben, wurde auf wässrigem Baugrund viel zu schwer gebaut“, sagt Giele. Heute müssten Millionensummen investiert werden, um das Gotteshaus instand zu halten – ohne die Ursachen zu beheben. Daher entschied sich die Katholische Kirche für einen Neubau. Und die Gemeinde wächst. Binnen 20 Jahren hat sich die Zahl ihrer Mitglieder durch Zuzüge und Taufen auf mehr als 4 600 Mitglieder verdoppelt. Das Durchschnittsalter der jungen Gemeinde liegt bei nicht mal 37 Jahren. Diaspora bleibt der Ort dennoch: Nur rund 4,5 Prozent der Leipziger gehören der römisch-katholischen Kirche an.