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Die Schienenautobahn

Damit die Dauerstaus ein Ende haben, will ein Ingenieur die Lkws von der Autobahn holen.

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Immer wieder kommt es auf der Bundesautobahn 4 zu Unfällen, die kilometerlange Staus nach sich ziehen. Ein Grund dafür ist das enorm angestiegene Aufkommen an Lkws, die aus Polen, der Ukraine und dem Baltikum kommen.
Immer wieder kommt es auf der Bundesautobahn 4 zu Unfällen, die kilometerlange Staus nach sich ziehen. Ein Grund dafür ist das enorm angestiegene Aufkommen an Lkws, die aus Polen, der Ukraine und dem Baltikum kommen. © © xcitePRESS

Stoßstange an Stoßstange stehen die Lkws auf der A 4, auch für Pkws ist keine Durchkommen mehr – ein fast alltäglicher Zustand. Damit will sich Klaus Papperitz nicht mehr zufriedengeben und schlägt eine innovative Lösung des Problems vor.

Herr Papperitz, Sie wollen die A 4 vom Lkw-Verkehr entlasten. Wie soll das geschehen?

Man stelle sich vor, die Autobahn A 4 wird zur Hauptverkehrszeit nur mit vereinzelnden Lkws befahren. Und parallel zur Autobahn fahren mit höheren Geschwindigkeiten zuverlässig waggonähnliche Schienenfahrzeuge im Huckepack mit Lkws auf einem zweigleisigen Schienenstrang vorbei.

Wie soll das funktionieren?

Nehmen sie die Strecke von Görlitz bis zum Dresdner Tor: Ein Lkw aus Richtung Polen bestellt auf seiner Fahrt nach Görlitz online einen Waggon, der minutengenau, entsprechend dem Lkw-Typ an der Verladerampe sich selbstständig automatisch positioniert. Der Lkw steuert von der Autobahn auf die einfache ebene Verladerampe zu, fährt längs auf den Waggon. Sobald der Lkw seine Transportposition erreicht hat, fährt der Waggon ab, dabei wird auch eine automatische Transportsicherung aktiviert. 

Das Fahrziel hat der Waggon bereits bei der Bestellung gespeichert. Die Dauer von der Abfahrt der Autobahn bis auf den Waggon sollte fünf Minuten nicht übersteigen. Mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h wird das Ziel angesteuert. Dort fährt der Lkw vorwärts wieder mit der gleichen Zeitspanne vom Waggon auf die Autobahn. Die Transportkosten werden automatisch der Spedition in Rechnung gestellt. Danach ist der Waggon für die nächste Bestellung bereit.

Wie sollen die Waggons aus dem Schienenstrang herausfahren, mittels der üblichen Weichen, wie sie bei der Bahn benutzt werden?

Nein. Ich beschäftige mich bereits mehrere Jahre mit der sogenannten statischen Weiche. Wie der Name sagt, hat diese Weiche keine beweglichen Teile wie die heutigen Eisenbahnweichen.

Und wie kommen dann die Waggons über die starren Weichen aus dem Schienenstrang heraus?

Nicht die Weiche, sondern der Waggon steuert sich autonom selbst, er hat eine Vorrichtung, die ihn quasi in die starre Weiche hineinzieht. Dazu gibt es seit 2007 ein Patent, das gemeinsam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Köln und der Universität Braunschweig angemeldet worden ist. 

Der Vorteil einer solchen Steuerung der selbstfahrenden Waggons ist es, dass keine Signal-, keine Weichen- und keine Blocksteuerung wie bei der Bahn mehr notwendig ist. Damit ergibt sich eine enorm große Einsparung, etwa an kilometerlangen dicken Kupferkabeln, Signaltechnik, zentralen Großrechnern, Personal für die Steuerung und Weichenwartung und so weiter.

Klaus Papperitz (69) studierte an der TU Dresden Informationstechnik. Der Diplomingenieur war u. a. tätig für Robotron und SAP.
Klaus Papperitz (69) studierte an der TU Dresden Informationstechnik. Der Diplomingenieur war u. a. tätig für Robotron und SAP. © privat

Für das, was Sie vorschlagen, nennen wir es Schienenautobahn, gibt es allerdings keinerlei Erfahrungen und Prototypen.

Die Machbarkeit der Weichenproblematik im Zusammenspiel mit dem Waggon muss in einem Pilotprojekt ausgelotet werden. Hier könnte die Fläche eines Braunkohltagebaus verwendet werden. Die Waggons könnten in Sachsen in Leichtbauweise für maximal 40-Tonner-Lkws entwickelt und gefertigt werden. Dafür könnten mithilfe einer Finanzierung der Waggonbau Niesky und der Schienenfahrzeughersteller Bombardier in Görlitz gewonnen werden. 

Die Steuerung und Programmierung kann auch weitgehend in Sachsen erfolgen, dieses autonome System ist wesentlich einfacher zu realisieren als es derzeit im Straßenverkehr in Entwicklung ist. Die Arbeitskräfte können aus dem Kohleausstieg gebunden werden, zum Beispiel zu Gleisbau, Wartung, Entwicklung, Produktion und so weiter.

Welche Vorteile hätte Ihre Schienenautobahn im Vergleich zum vorgeschlagenen sechsspurigen Ausbau der A 4?

Ein entscheidender Vorteil ist die minutengenaue Zuverlässigkeit ohne Unfallrisiko mit einer Zeit- und Kostenersparnis. Der Energieverbrauch ist rein rechnerisch ungleich niedriger als bei einem sechspurigen Autobahnausbau. Auch die Nutzungskapazität des Schienenstranges ist höher als bei einer sechsspurigen Autobahn, weil der Waggonabstand im Fahrbetrieb bis zu unter einen Meter eingestellt werden kann.

Allerdings fallen ja auch Kosten bei einem neuen Verkehrssystem an.

Kostenintensiv ist am Anfang nur die Bereitstellung des Fahrzeugparkes, der sich aber schnell amortisieren wird, und wo die Spediteure als mögliche Eigentümer einspringen könnten. Die Auffahrrampen können auf die an der Autobahn liegenden Gewerbegebiete verteilt werden. An den dann aktuellen Endpunkten sollten fischgrätenartig die Auffahrtrampen bis zu acht Stück angeordnet werden.

Welche Chancen hat ihre Idee?

Eine Autobahnerverbreiterung würde nur kurzzeitig eine Entlastung bringen, weil der Lkw-Strom aus dem Osten weiter zunehmen wird. Außerdem bleibt die Unfallgefahr weiter bestehen. Ich sehe in meinem Vorschlag eine weitreichende, zukunftsfähige Güterverkehrslösung.

Die Fragen stellte Udo Lemke.