Von Olaf Kittel
Da steht er in seiner blauen Arbeitskluft und montiert in einer Werkstatt Lichtlamellen. Dazu baut er LED-Streifen an Metallträger und die komplette Elektrik dazu. Dann testet er, ob das weiße, grüne, blaue und rote Licht auch leuchtet. Die Lamellen sollen bald einen großen Einkaufstempel in München schmücken. Rozan Sido von der syrischen Flüchtlingsfamilie aus Aleppo, die die SZ seit fast zwei Jahren begleitet, hat es also geschafft: Der erste Arbeitsvertrag als Elektromonteur ist unterschrieben – bei der Dresdner Traditionsfirma „nmd – Licht am Bau“, früher unter Neon Müller Dresden bekannt. Sie stellt schicke Lichtinstallationen für Einkaufsmärkte, Kultureinrichtungen und für Werbung her.
Aber der Reihe nach. Nachdem es für die Sidos in den ersten zwei Jahren nach ihrer Ankunft in Dresden nur langsam und zäh voranging mit der Integration, läuft gerade alles wie am Schnürchen. Seit Oktober gehen ihre Kinder Kamal und Reva in die Kita. Mutter Roshan besucht nun den Deutschkurs.
Vater Rozan beendete im September seine Deutschausbildung und ließ sich in einem beruflichen Ausbildungszentrum eine Woche lang testen, was er als ungelernter Elektriker mit viel Berufserfahrung denn wirklich kann. Das Ergebnis war erfreulich: Er beherrscht sein Handwerk, kann selbstständig alle Arbeiten ausführen. Praktikumsnote 1,4. Mit diesem Papier fand IHK-Willkommenslotsin Marion Reich auch rasch die passende Firma – Licht am Bau. In einem ähnlichen Unternehmen hatte er schon in Aleppo gearbeitet. Die Dresdner Firma bot Rozan Sido ein einmonatiges Probearbeiten an, vom Jobcenter gefördert.
Danach stand für den geschäftsführenden Gesellschafter Andreas Krawczyk fest: Den nehmen wir. Sein Urteil: Er leistet prima Arbeit, ist fleißig und zuverlässig. Er wird ein guter Elektromonteur. Für ihn spricht freilich auch, dass Elektriker auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen kaum noch zu bekommen sind. Auf zwei Probleme weist Krawczyk allerdings hin, die Rozan Sido noch in den Griff bekommen muss. Zum einen die deutsche Sprache. Er hat sich zuletzt zwar verbessert, aber im Arbeitsalltag reicht das noch nicht. Wie wäre es denn, so rät der Geschäftsführer, wenn die Familie daheim Deutsch zur Umgangssprache macht? Würde bestimmt helfen. Und schließlich braucht er als Monteur einen Führerschein. Zwar hat er einen syrischen, aber der ist hier nicht gültig. Noch kann er sich den deutschen nicht leisten.
Und wie haben die 23 Mitarbeiter der Firma ihren neuen Kollegen aufgenommen? Gut, sagt Rozan Sido, alle sind nett. Gut, sagt auch Andreas Krawczyk. „Wie unter den Deutschen auch, gibt es unter Flüchtlingen solche und solche. Herr Sido ist ein Guter.“
Als dann der Arbeitsvertrag im Entwurf vorlag, erschrak Rozan Sido aber erst einmal. Mit seinem Arbeitslohn könnten sie am Ende weniger Geld zur Verfügung haben als mit den Sozialleistungen für die vier Familienmitglieder, die ja bis auf das Kindergeld nun wegfallen sollen. Der Mindestlohn, den die Firma anbot, ist für einen ungelernten Elektriker mit Sprachproblemen sicher in Ordnung. Nur: Wie kann es denn sein, wollte Familie Sido wissen, dass es in Deutschland fürs Nichtstun mehr Geld gibt als für eine zweifellos anspruchsvolle Arbeit? Alleinstehende Flüchtlinge, die ja fast alle als Ungelernte einsteigen werden, kommen damit sicher aus. Aber Familien? Kann denn das wirklich wahr sein? Und wieso wird da noch so viel abgezogen vom Lohn? Pflegeversicherung? Rentenbeiträge? Dafür würden doch mal ihre Kinder aufkommen.
Es wurden wieder einmal lange Gespräche und nicht für jede Frage fand sich eine Antwort, die sie überzeugte.
Rozan Sido unterschrieb den Vertrag natürlich trotzdem. Zumal Hilfe zugesagt wurde. IHK-Frau Marion Reich empfahl Steuerklasse 3 und will bei der Steuererklärung helfen. Dresden kommt, solange die Mutter zur Schule geht, für die Kita-Gebühren auf. Vielleicht gibt es auch noch ein paar Euro Wohngeld. Alles in allem wird es für die Haushaltskasse der Sidos wohl mit plus minus null ausgehen.
Probezeit als Gradmesser
Geschäftsführer Krawczyk ist durchaus zuversichtlich, dass Rozan Sido auch die Probezeit übersteht. Bald wird er sein Tätigkeitsfeld noch erweitern und auch zu Montagearbeiten in München oder Köln eingesetzt. Allerdings fragt er sich schon, ob die Sidos dann auch mal in Deutschland bleiben können, wenn sie einmal integriert sind und die Firma Kraft und Zeit investiert hat. Gute Frage, die die neue Bundesregierung in einem Einwanderungsgesetz klären muss. Nicht nur Flüchtlingen, auch der Wirtschaft wäre damit geholfen.
Rozan Sido jedenfalls ist erst einmal froh, dass er es so weit geschafft hat und nun Deutschland nicht mehr auf der Tasche liegt. Dass es über zwei Jahre gedauert hat seit der Ankunft in Dresden, findet er wahnsinnig lange. Im Durchschnitt allerdings, so sagt man im Jobcenter, werden Flüchtlinge fünf Jahre brauchen. Mindestens. Na bitte, Rozan.