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Die „Sonne der Menschheit“ vor der Machtübergabe?

Ein sichtlich gealterterKim Jong Il präsentiert sich den Nordkoreanern imTV und löst Spekulationen aus.

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Von Dirk Godder, Seoul

Nordkoreas exzentrischer Machthaber Kim Jong Il dürfte seinen Blick jüngst oft nach Kuba gerichtet haben. Ähnlich wie der alternde Fidel Castro muss sich Kim nach Ansicht von Beobachtern schon seit Längerem Gedanken über die Zukunft des Regimes und die Zeit nach seinem Abgang machen. Wie Castro ist Kim Jong Il mittlerweile sichtlich von Alter und Krankheit gezeichnet. Diesen Eindruck hinterließen Ende der vergangenen Woche auch Fernsehbilder von einem seiner sonst mit Pomp und Ovationen begleiteten Auftritte vor der Obersten Volksversammlung in Pjöngjang. Die Aufnahmen zeigen den 67-Jährigen deutlich abgemagert und ergraut. Viele sehen Spuren eines Schlaganfalls, den der „Große Führer“, die „Sonne der Menschheit“ im August erlitten haben soll. Experten vermuten nun, dass Kim die Machtübergabe bereits eingeleitet hat.

Als Indiz dafür gilt in Südkorea die Beförderung von Kims Schwager Jang Song Thaek in die Nationale Verteidigungskommission, dem mächtigsten Gremium des Landes, als dessen Vorsitzender Kim Jong Il wie erwartet gerade bestätigt wurde. Ähnlich wie Castro, der bereits den Posten des Staatschefs an seinen Bruder Raúl übergeben hat, will sich Kim mit Personen seines Vertrauens umgeben. Nordkorea stehe dabei erst am Beginn einer Machtübertragung, meint der Experte Choi Jin Wook vom Institut für Nationale Vereinigung in Seoul.

Kim steht seit 1994, dem Tod seines Vaters, Kim Il Sung, an der Spitze des Staates. Seine Biografie hat Anklänge von Heilslegenden. Als er am 16. Februar 1942 am heiligen Berg Paektu das Licht der Welt erblickt habe, sollen ein doppelter Regenbogen und ein heiliger Stern die Ankunft des Erleuchteten verkündet haben. Nüchternere Quellen sprechen von dem sowjetischen Geburtsort Wjatskoje bei Chabarowsk, wo seine Eltern während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht vor den Japanern suchten.

Schwer vorstellbar, dass so einer die Zügel vorzeitig aus der Hand gibt. Nun wird darüber spekuliert, ob die Verteidigungskommission mit Jang als führendem Mitglied die Kontrolle im Staat übernehmen könnte, wenn Kim plötzlich sterben sollte. Eine wichtige Rolle Jangs könnte jedoch auch die als „Steigbügelhalter“ für einen von Kims drei Söhnen sein, vermuten Beobachter. Zuletzt kursierten in den südkoreanischen Medien Gerüchte, wonach Kim den 26-jährigen Jong Un schon per Weisung zum Nachfolger ernannt habe. Bei dem Mangel an wirklichen Informationen aus dem Zirkel der Macht in Pjöngjang dürfte das Rätselraten vorerst weitergehen. (dpa/SZ)