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„Die soziale Situation in Obuchiv ist kritisch“

Radebeuls OB Bert Wendsche ist von einem humanitären Kurztrip in die Partnerstadt bei Kiew zurück, mit neuen Plänen.

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© privat

Herr Wendsche, mit dem Röntgengerät, das die Stadt spendet, gab es Probleme beim Zoll, weshalb Sie es nur symbolisch übergeben konnten. Steht es mittlerweile in der Klinik in Obuchiv?

Nein, noch nicht. Aber wir wissen, dass es am Montag vom Zoll in Kiew freigegeben worden ist. Jetzt kann es von den Obuchivern abgeholt werden. Eine junge Dresdnerin, die jetzt ein halbes Jahr als Freiwillige dort bleibt, hält für uns den Kontakt.

Sie waren schon an die zehnmal in Radebeuls ukrainischer Partnerstadt. Wie ist die aktuelle Situation?

Als wir für das Röntgengerät den Eigentumsnachweis und die Zollpapiere im Krankenhaus übergeben haben, führten wir lange Gespräche mit den Ärzten. Sie verdienen umgerechnet 80 Euro im Monat, wobei die Miete für eine Zweiraumwohnung schon bei 120 Euro liegt. Das erzähle ich, um den Stellenwert der medizinischen Versorgung klar zu machen. Es wäre völlig undenkbar für das Krankenhaus, ein solches Röntgengerät zu bekommen, obwohl es schon beim Kreis angesiedelt ist. Das zeigt, wie kritisch die soziale Situation ist.

Welchen Eindruck hat die Stadt auf Sie gemacht?

In Obuchiv selbst muss ich sagen: Hut ab. Mein Amtskollege schaut sich bei den Besuchen hier vieles ab. Ob bei der Straßensanierung oder bei der Gestaltung der Grünanlagen. Das Problem ist wirklich, wie die Leute mit den Preisen über die Runden kommen. Mit nur einem Arbeitsverhältnis ist das nicht machbar. Zudem leben über 3 000 Flüchtlinge aus der Ostukraine in der Stadt, bei offiziell 35 000 Einwohnern.

Sie haben auch ein Kinderheim besucht. Was war der Anlass dafür?

In Obuchiv direkt gibt es kein Kinderheim mehr, aber in der Stadt Tripolje ganz in der Nähe. Dort engagiert sich schon einige Jahre die Kinderarche Sachsen. Sie hat Dinge des täglichen Bedarfs wie Zahnpasta vorbeigebracht. Denn vom Staat kommt sehr wenig Unterstützung. Und das bei 120 bis 140 Kindern, die betreut werden, darunter vielen geistig Behinderten. Die toughe Leiterin des Heimes hält alles zusammen.

Inwiefern kann oder will auch die Stadt Radebeul da künftig helfen?

Es wurde fest verabredet, dass es im Frühjahr ein Treffen zwischen der Kinderarche und der Leiterin gibt. Das gemeinsame Ziel ist ein Kinderaustausch. Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern man mit vertretbarem Einsatz gezielt unterstützen kann. Zum Beispiel bei der Sanierung eines Raumes.

Wer könnte das in die Hand nehmen?

Meine Idee wäre, im ersten Halbjahr 2017 eine kleine Initiativgruppe mit zwei Hauptorganisatoren aus Radebeuls Vereinslandschaft und mir zu bilden. Durch ihr Netzwerk könnte eine Spendenaktion breit aufgestellt werden.

Das Gespräch führte Ulrike Keller.