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Die spinnen, die Großenhainer

Trotz Nieselregen zog es am Sonntag Tausende Besucher zum Bauernmarkt in die Innenstadt.

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© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Großenhain. Da standen sie unter ihren Regenschirmen und schauten zu, wie sich der Oberbürgermeister am Spinnrad abmühte. Das sei irgendwie nicht sein Ding, gestand Großenhains Stadtoberhaupt beim traditionellen Spaßwettbewerb auf dem Bauernmarkt ein. Aber trotz diverser Knoten und Fadenabrisse ließ Sven Mißbach seine Konkurrentin Monique Ruscher hinter sich. Die Chefin des Händlervereins „Großenhain aktiv“ holte beim anschließenden Schuhe besohlen wieder auf und stellte sich auch beim Töpfern nicht ungeschickt an, so dass am Ende ein Unentschieden herauskam.

Korbflechten ist eine alte Handwerkskunst – und diese wurde beim Bauernmarkt von Gotthard Börner aus Reinersdorf gezeigt.
Korbflechten ist eine alte Handwerkskunst – und diese wurde beim Bauernmarkt von Gotthard Börner aus Reinersdorf gezeigt. © Kristin Richter
Anziehungspunkt zur Mittagszeit war wieder das beliebte Schwein am Spieß. Gerhard Pilz von der Grill- und Brutzelstube aus Goltzscha beim Portionieren.
Anziehungspunkt zur Mittagszeit war wieder das beliebte Schwein am Spieß. Gerhard Pilz von der Grill- und Brutzelstube aus Goltzscha beim Portionieren. © Kristin Richter

„Wer will fleißige Handwerker seh’n?“ lautete das Motto des 22. Großenhainer Bauernmarktes, und vom Schmied über den Stellmacher und den Böttcher bis hin zum Korbflechter hatten sich am Sonntag etliche Vertreter seltener und aussterbender Zünfte in der Röderstadt eingefunden. Der Stauchaer Günter Rötzsch zum Beispiel, der immer noch in Handarbeit Gefäße aus Dauben herstellt. Das sind speziell geformte Holzstücke, die mit hölzernen oder eisernen Reifen zusammengehalten werden. Der heute 60-Jährige beschäftigt sich schon in dritter Generation mit dem Küfern, Tischlern und auch mit der Stellmacherei. „Im Dresdner Raum gibt es nur noch drei Handwerksbetriebe, die sich mit der Böttcherei beschäftigen“, erzählt er. „Früher waren es allein in der Stadt 43 Betriebe.“ Der Stauchaer stellt vor allem hölzerne Regenfässer und Saunazuber her, oder auch Pökelfässer, Pflanzkübel und Holzwannen. „Die Dauben und Böden müssen auf den Millimeter genau eingepasst werden, damit am Ende nicht das Wasser herausläuft“, erklärt er. Beim Großenhainer Bauernmarkt war Rötzsch Neuling, allerdings hat er seine Fertigkeiten schon einmal auf dem Kartoffelfest demonstriert.

Korbflechter Gotthard Börner hingegen gehört fast schon zum Bauernmarkt-Inventar. Der Reinersdorfer kann sich gar nicht mehr erinnern, ob er überhaupt mal einen ausgelassen hat. Obwohl schon 85 Jahre alt, schneidet er immer noch jeden Herbst in seinem Garten Weidenzweige, die er dann zu großen Tragekörben, Kartoffel- und Einkaufskörben verarbeitet. „Allein das Aussortieren dauert bis Mitte Januar, und danach wird bis zum Frühjahr geflochten“, sagt er. Ein größeres Exemplar fertigzustellen, dauert schon mal einen Tag, weshalb so ein handgemachter Korb nicht ganz billig ist. Und genau das hat Börners Handwerk so selten gemacht.

Gefragt als Dorffest-Attraktion

Aus der Dritten Welt importierte Körbe sind im Handel viel billiger zu haben. Er kenne eigentlich keinen jüngeren Menschen mehr, der sich noch selbst hinsetzt und flicht, sagt der Reinersdorfer. Aber als Gast auf Märkten und Volksfesten sei er nach wie vor gefragt. Kaum gesagt, wird Gotthard Börner schon von einem Lenzer angesprochen. Ob er nicht nächstes Jahr zum Dorfjubiläum kommen könne? „Warum nicht? sagt der Korbmacher-Veteran. „Wenn es gesundheitlich dann noch geht.“

Den weitesten Weg nach Großenhain hat wahrscheinlich Pferdefleischer Reiner Hentschel auf sich genommen. Er kommt aus dem Erzgebirgsstädtchen Thum und klappert mit seinem Verkaufswagen die Märkte bis hin ins Thüringische und Brandenburgische ab. „Wer einmal eine heiße Pferdebockwurst gekostet hat, der stellt sich gleich wieder an und nimmt noch ein paar kalte mit nach Hause“, sagt er. In der Regel sei er nur einmal pro Jahr am gleichen Ort, und da stünden die Liebhaber seiner doch recht seltenen Spezialitäten Schlange.

Ob Salami, Rouladen oder Gulasch – es gibt kaum ein Metzgerprodukt, das man nicht auch mit dem cholesterinarmen Fleisch herstellen kann. Hentschels Geheimtipp: Den Weihnachtsstollen mit Pferdefett backen – da wird er locker wie mit keiner anderen Zutat. Sein eigenes Lieblingsgericht aber sei Sauerbraten aus Pferdefleisch, der drei Wochen zuvor in Marinade eingelegt wird. Dass seine Handwerkssparte so selten ist, sieht der Erzgebirgler eher als Vorteil. „Da können zehn andere Fleischer auf dem Markt sein“, sagt er, „die Leute kommen trotzdem zu mir.“