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Die Sprücheklopfer der DVB

Künftig fahren nachts mehr Bahnen. Mit frechen Redewendungen machen die Verkehrsbetriebe darauf aufmerksam.

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© André Wirsig

Von Christoph Springer

Wenn es ernst wird, legt sich Katrin Hoppe richtig ins Zeug. Dann fährt sie Kuchen auf oder ordert leckere Schnittchen. Dann gibt es jede Menge Kaffee, Saft und Wasser. Sekt auch? Katrin Hoppe lächelt und antwortet nicht. Die Leiterin der Abteilung Marktbearbeitung und -kommunikation bei den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) weiß, was ihre Kollegen brauchen, wenn sie flotte Ideen haben sollen. Dazu gehören gute Laune und eine Wohlfühlatmosphäre, selbst das Wetter und die Tageszeit können eine Rolle spielen.

„Manchmal ist doppelt so kurz halb so schlimm“ lautet ein neuer Spruch für das Nachtangebot. Dabei geht es um die Taktfrequenz der Bahnen, nicht um die Länge der Züge.
„Manchmal ist doppelt so kurz halb so schlimm“ lautet ein neuer Spruch für das Nachtangebot. Dabei geht es um die Taktfrequenz der Bahnen, nicht um die Länge der Züge. © Sven Ellger

Passt alles, dann kommen die Sprücheklopfer der DVB richtig in Fahrt. Die Runde, zu der Katrin Hoppe eingeladen hat, soll einprägsame Motive und Redewendungen finden, mit denen sich die DVB ins Gespräch bringen können. „Manchmal ist halb so lang doppelt so schön“, ist ein aktueller Spruch, den die etwa ein Dutzend Kollegen erdacht haben. Er gehört zur neuen Werbekampagne für das Nachtangebot der Verkehrsbetriebe. Die ersten Plakate dafür hängen bereits in der Stadt, ab dem zweiten Aprilwochenende fahren dann freitags, sonnabends und an Feiertagen in den Nächten mehr Bahnen. Bis zum Spätsommer will das Unternehmen mit der neuen Werbeaktion möglichst viele Dresdner erreicht haben. Vor allem junge Menschen, denn die sind besonders nachtaktiv, haben Katrin Hoppe und ihr Chef Martin Gawalek das Ziel der aktuellen Kampagne definiert.

Gawalek leitet unter anderem die Marketingabteilung der Verkehrsbetriebe. „Ich gebe die Richtung vor, die Tonalität“, erklärt er seinen Einfluss auf die Werbeaktionen der Verkehrsbetriebe. Dabei kommt es ihm auf ein sympathisches Bild der DVB an. Die Slogans dürfen launig sein, „durchaus auch mal frech“. Deshalb findet er völlig in Ordnung, wenn dabei auch nicht ganz jugendfreie Gedanken geweckt werden. „Manchmal ist doppelt so kurz halb so schlimm“, lautet einer der neuen Sprüche, auf die das zutrifft. Bei den Treffen von Katrin Hoppe ist er nicht mit dabei. Er hofft, dass die Sprücheklopfer dann weniger Hemmungen haben, alle möglichen Redewendungen und Motive vorzuschlagen. Dabei benutzen sie Karteikarten, auf denen zum Beispiel Stichworte notiert werden. Die kommen dann an eine große Tafel und gemeinsam werden die besten ausgewählt.

Nicht jede Aktion der Verkehrsbetriebe war erfolgreich. Katrin Hoppe erinnert sich an die Videos zur Kampagne „Lieber in Bahn & Bus“ vor neun Jahren. Da ging es um einen Engel und einen Teufel. Die Figuren bildeten die Gegenpole bei der Darstellung von gutem und schlechtem Verhalten. „Den Teufel haben wir nach kurzer Zeit zurückgezogen“, so Hoppe, er tauchte nie wieder auf. Der Engel, der in den Videos schlechtes Benehmen mit einer einfachen Handbewegung wegzaubern konnte, war den Dresdnern lieber.

Dass die Werbung des Unternehmens auch kritisiert wird, finden Hoppe und Gawalek ganz normal. „Nur Casanova kam öfter“, lautete 2013 ein Werbespruch, der in den Straßenbahnen hing und auf den Zehn-Minuten-Takt hinweisen sollte. Manchen Dresdnern war das zu schlüpfrig. „Alles hat seine Zeit“, ordnet Martin Gawalek diesen Spruch ein, diese Kampagne sei Geschichte. Heute würde er einen solchen Spruch nicht mehr zulassen. Dennoch ist er in einzelnen Straßenbahnen immer noch zu finden.

Rund eine halbe Million Euro lassen sich die Verkehrsbetriebe ihre Werbung jedes Jahr kosten. Als Maßstab für treffsichere Ideen gilt dabei auch die aktuelle Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Mit aufwendigen Videos wirbt das Nahverkehrsunternehmen der Bundeshauptstadt für sich und nimmt dabei vor allem die Dinge aufs Korn, die nicht funktionieren. „Die Berliner verbindet mit den BVG eine Hassliebe“, sagt Gawalek, „die Dresdner lieben ihre Verkehrsbetriebe wirklich.“ Deshalb sei die Kampagne aus der Bundeshauptstadt nicht einfach übertragbar. Außerdem koste sie mehr als das Doppelte des DVB-Jahresetats für Werbung.

Die Verkehrsbetriebe planen in diesem Jahr noch zwei Aktionen. Dabei geht es um mehr Möglichkeiten der DVB-App für Mobilgeräte und wie bei der Engel-Teufel-Kampagne ums Benehmen in Bus und Bahn. „Ohne erhobenen Zeigefinger“, warnt Gawalek. Für Katrin Hoppe wird es dann wieder Zeit, Kuchen und Schnittchen zu ordern, Kaffee, Wasser und Saft zu bestellen und den richtigen Tag für ihre Ideenfinder auszuwählen. Dann darf die Runde wieder Sprüche klopfen.