Merken

Die Spur der Passfälscher

Betrug mit Urkunden boomt beim illegalen Grenzübertritt. Rumänische Ausweise werden besonders gern nachgemacht.

Teilen
Folgen
© Daniel Schäfer

Von Jörg Stock

Osterzgebirge. Wer hat hier seinen Ausweis gefälscht? Der 39-jährige Nicolae P. aus Bukarest oder Cornel J., 40, aus der Walachei? Eigentlich gleichen sich die beiden Plastikkarten mit der rumänischen Trikolore aufs Haar. Näher betrachtet wirkt Nicolaes Version bunter. Auch die Miniatur seines Passbildes oben rechts in der Ecke ist bunt, bei Cornel dagegen ist sie schwarz-weiß. Und hoppla! – die Karten sind unterschiedlich groß. Hauptkommissar Dirk Petzold, der ein Lächeln aufgesetzt hat, beendet das Rätseln: „Beides sind Totalfälschungen.“

In Cotta bei Pirna fand man im September 2017 diesen 20-jährigen Moldauer unterm Sitz eines Schleuserautos. Vermutlich wollte er in Deutschland schwarzarbeiten. Gefälschte rumänische Ausweise machen es möglich.
In Cotta bei Pirna fand man im September 2017 diesen 20-jährigen Moldauer unterm Sitz eines Schleuserautos. Vermutlich wollte er in Deutschland schwarzarbeiten. Gefälschte rumänische Ausweise machen es möglich. © Bundespolizei
In Wahrheit wohnt der Mann, der auf dem Ausweis abgebildet ist, in der Republik Moldau. Als Rumäne wäre er Bürger der EU und dürfte in Deutschland Geld verdienen.
In Wahrheit wohnt der Mann, der auf dem Ausweis abgebildet ist, in der Republik Moldau. Als Rumäne wäre er Bürger der EU und dürfte in Deutschland Geld verdienen. © Daniel Schäfer

Beim Thema illegale Migration hat die Bundespolizei einen neuen Trend ausgemacht: falsche Touristen aus Moldawien. Sie geben an, Freunde zu besuchen oder eine Hochzeit. Tatsächlich kommen sie nach Deutschland, um zu arbeiten. Beamte der Berggießhübler Inspektion haben 2017 rund 230 Moldauer bei diesem Vorhaben ertappt und zurückgeschickt. Damit führte die Republik Moldau die „Top Ten“ der unerlaubten Einreisen im Inspektionsbereich an, und das mit Abstand.

Der Vorsprung wäre noch größer, fände die Polizei für ihre Ahnungen immer ausreichend Indizien. Doch das ist nicht der Fall, sagt Dirk Petzold, Vizechef des Ermittlungsdienstes der Inspektion. Mit biometrischem Pass dürfen moldauische Staatsbürger drei Monate lang visafrei in Deutschland bleiben, vorausgesetzt, sie können den Reisezweck stimmig erklären und haben auch genug Geld dabei. Glaubhaftmachung heißt das Stichwort, sagt Petzold. Wenn die Angaben glaubhaft seien, müsse man die Menschen auch ziehen lassen.

Als „Drittstaatler“ dürfen Moldauer in Deutschland in aller Regel keine Arbeit aufnehmen. Rumänen, die EU-Bürger sind, dagegen schon. An der Grenze geben sich die Moldauer nicht als Rumänen aus. Ihre gefälschten rumänischen Ausweise sind zwar gut gemacht, sagt Ermittler Petzold, aber nicht gut genug für eine Grenzkontrolle. Erst wenn die Grenze passiert ist, werden die getürkten Karten aus den Verstecken geholt oder durch einen Mittelsmann überbracht. Die Ausweise landen schließlich bei den Meldeämtern der Kommunen, in denen die angeblichen Rumänen sich niederlassen. Dass die Fälschung dort von einem Sachbearbeiter erkannt wird, hält Dirk Petzold für so gut wie unmöglich.

Aus der Anmeldung als rumänischer Staatsbürger folgt automatisch die Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht seitens der Ausländerbehörde. Der Arbeitgeber informiert die Sozialversicherung über den neuen Mitarbeiter. Alles läuft wie bei deutschen Arbeitnehmern. Auffällig ist nur, dass die Rumänen ziemlich schnell wieder verschwinden, meist nach drei Monaten, wenn die Aufenthaltsdauer laut Einreisestempel im echten moldauischen Pass ausgeschöpft ist. Um Stress an der Grenze zu vermeiden, halten sich die Moldauer meistens an das Limit, sagt Dirk Petzold. Offenbar kämen genug Arbeitskräfte nach, um die Ausgereisten zu ersetzen.

Manchmal fischen die Polizisten mutmaßliche Schwarzarbeiter bei der Heimfahrt heraus. So stoppten sie im Juni 2017 bei Breitenau einen Kleinbus, in dem der 24-jährige Moldauer Gheorghi R. saß. Sein moldauischer Pass war zwar in Ordnung. Doch fand man bei ihm einen Arbeitsvertrag, Unterlagen vom Meldeamt, von der Krankenkasse und von der Bank, wo er ein Konto eröffnet hatte. Als Tourist konnte Gheorghi R. nicht durchgehen.

Die Ermittlungen ergaben: Er hatte sich als Rumäne in einer mecklenburgischen Kleinstadt angemeldet, war offenbar bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Im Meldeamt hatte er einen gefälschten rumänischen Ausweis vorgelegt. Auf Nachfrage der Berggießhübler Ermittler bestätigte die Kontaktstelle der rumänischen Polizei: Diesen Ausweis gibt es gar nicht. Gheorghi wohnte in einem Nest in Nordwest-Mecklenburg. Unter seiner Adresse waren insgesamt 21 Personen gemeldet, ein Unding. Es erwies sich, dass Gheorghis falscher Ausweis noch von zwei weiteren Personen benutzt wurde. Andere Fälschungen hatten bis zu sieben Nutzer. Insgesamt erbrachte Gheorgihs Fall um die fünfzig Namen, bei denen Schwarzarbeit und Urkundenfälschung im Raum standen. Zoll und Landespolizei übernahmen die Ermittlungen.

Laut Auskunft des Hauptzollamts Dresden spielen die „rumänischen“ Moldauer im Sachgebiet Schwarzarbeit bisher eine untergeordnete Rolle. Bei Überprüfungen habe man entsprechende Personen noch nicht angetroffen, sagt Amtssprecherin Heike Wilsdorf. Sie träten allenfalls vereinzelt im Rahmen von Ermittlungsverfahren in Erscheinung.

Für Bundespolizist Dirk Petzold hingegen sind die falschen rumänischen Ausweise eine „Plage“. Ihn interessiert nicht nur die Urkundenfälschung, sondern der ganze Apparat, der die Moldauer von daheim bis auf deutsche Baustellen befördert. Oder in die Logistikbranche. Im Januar schnappte die Inspektion auf der A 17 einen 27-jährigen Moldauer, der 133 Tage als Rumäne illegal im Land gewesen war und der offenbar als Paketzusteller gearbeitet hatte. Neben seiner Arbeitskluft fanden die Polizisten im Wagen Smartphones und einen Laptop – Sendungen, die er für sich behalten wollte. Die Ermittlungen dauern an.

Die Steuermänner der Schleuserunternehmen auszumachen, ist äußerst schwierig, sagt Martin Ebermann, Sprecher der Berggießhübler Inspektion. Man habe es mit gut organisierten Netzwerken zu tun. „Die Köpfe sichern sich ab.“ Die Inspektion hat alle Rathäuser im Landkreis gebeten, sich bei Verdachtsmomenten zu melden, etwa dann, wenn sich unverhältnismäßig viele Menschen aus Osteuropa an ein und derselben Adresse anmelden. Der Rücklauf sei gut, sagt Sprecher Ebermann. „Wir prüfen, ob sich der Verdacht erhärtet.“