Von Marcus Herrmann, Annett Heyse und Heike Hubricht
Landkreis. Man kann schon die Uhr danach stellen: Immer freitags kommt es zwischen Nossen, Freiberg und Wilsdruff zum Verkehrskollaps. Er beginnt auf der Autobahn A 4, meistens rund um das Dreieck Nossen. Entweder es staut sich in Richtung Chemnitz oder in Richtung Dresden, mitunter auch beides gleichzeitig. Dann dauert es nicht lange und Autos, Busse, Lkws verstopfen die Ausweichrouten – und stauen sich wiederum dort. Betroffen sind Siebenlehn, Nossen, Freiberg, Wilsdruff. Die Anwohner sind genervt.

„Man kann sich ja vorstellen, wie das ist, wenn der Verkehr von einer dreispurigen Autobahn plötzlich auf einer einspurigen Staatsstraße unterwegs ist“, sagt Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother (CDU). Extrem belastend sei das für seine Stadt. Das Dilemma spielt sich auch andernorts ab. Völlig überlastet ist derzeit die Bundesstraße B 173, wohin die Autos ausweichen, um am A4/A14-Knotenpunkt Nossen vorbeizukommen. Denn in Herzogswalde wird gebaut, dort ist die Straße halbseitig gesperrt, eine Ampel regelt den Verkehr.
Auch in der Freiberger Region drohen Staus – auf der B 173: Zwischen Freiberg und Naundorf ist die Straße derzeit gesperrt, eine Umleitung führt durch den Ort Niederbobritzsch. Der sei nicht für die Verkehrsmassen ausgelegt, schimpfen Kritiker. Denn auf der schmalen Straße im Tal der Bobritzsch haben zwei Lkws Mühe, aneinander vorbeizukommen. Doch das ist nicht alles: Wenn beispielsweise an einer Brücke über das Flüsschen ein Sattelschlepper einem Pkw entgegenkommt, sind Autofahrer mitunter gezwungen, meterweit rückwärts zu fahren, damit das größere Gefährt die Brücke überhaupt passieren kann. Kürzlich blieb ein Laster dort mit seiner großen Ladung am Geländer hängen. Die Polizei konnte mit Mühe ein Verkehrschaos verhindern. Die Anwohner sind nicht nur deswegen frustriert. Mitunter donnert der Verkehr jetzt ganz nah an ihren Häuserwänden entlang.
Eine Ausweichroute gibt es allerdings nicht. Das Landratsamt Mittelsachsen hat etwaige Alternativen geprüft. Aber ohne Erfolg. Eine andere Streckenführung sei nicht möglich, heißt es. Allerdings solle die derzeitige Umleitung verkürzt werden, sobald der Abschnitt bis zum Gewerbegebiet Freiberg-Ost fertig ist. Für die Autofahrer ist in Freiberg der Stress dennoch nicht vorbei. In der Bergstadt selbst ist die Bundesstraße in der Altstadt voraussichtlich noch bis Ende dieses Jahres gesperrt. Auch hier wartet wieder eine Umleitung.
Die Ursachen für das Verkehrschaos sind dabei vielfältig. Häufig, sagt Isabel Siebert, Sprecherin des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv), sei es die zu Stoßzeiten zunehmende Verkehrsdichte – etwa am Dreieck Nossen. „Kommen dann Gedrängel und zu schnelles Fahren dazu, passieren Unfälle“, so Siebert. Eben erst habe man Ursachen und Häufigkeit der Unfälle auf der A 4 zwischen Nossen, Wilsdruff und Dresden nochmals untersucht. Mit dem Ergebnis, dass es früher sogar mehr Unfälle gab als zurzeit. „Die zuständige Unfallkommission hat am Autobahndreieck Nossen in Fahrtrichtung Dresden durch eine dauerhafte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h die Situation entschärft.
Bis jetzt zeigt die beschlossene Maßnahme Wirkung“, erklärt Siebert. Und das, obwohl es zwischen dem 5. und 19. September zu fünf schweren Unfällen – unter anderem nahe der Abfahrt Siebenlehn mit 15 betroffenen Fahrzeugen – gekommen ist? „Ja“, bestätigt Achim Tasche, Leiter des Autobahnpolizeireviers. Zu Unfallhäufungen komme es immer wieder, zuletzt Anfang Juni, jetzt eben im September. „Das ist aber mehr oder weniger Zufall. Insgesamt sind die Unfallzahlen im Bereich meiner Direktion konstant.“
Trotzdem beschäftigt sich der Freistaat mit der Strecke um das Dreieck Nossen. Der avisierte Ausbau von sechs auf acht Spuren wird vorerst kaum zu verwirklichen sein. In den Bundesverkehrswegeplan schaffte es die Autobahn nicht. Dafür müssten laut Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr täglich 120 000 Autos über die Straßen rollen. Das ist aber nur zu Stoßzeiten auf der A 4 der Fall. Eine Möglichkeit wäre, die vorhandenen Standspuren auszubauen.
Problem hier: die beiden Autobahnbrücken „Wilder Mann“ und „Elbbrücke“. Die noch jungen Bauwerke müssten für eine achtspurige Strecke abgerissen und neu aufgebaut werden – ein unwahrscheinliches Szenario. Eine andere Lösung wäre etwa ein elektronisches Verkehrsleitsystem, das per Warnanzeige über der Straße die Geschwindigkeit anzeigt und diese je nach Verkehrsaufkommen anpasst. Diese Möglichkeit werde derzeit geprüft, heißt es aus dem Staatsministerium.