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Die vergessene Paralympics-Siegerin

Der Behindertensportverband versäumt es, Handbikerin Christiane Reppe aus Dresden für die WM zu nominieren.

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© Sven Ellger

Von Alexander Hiller

Ihren Humor hat sie behalten. „Irgendwie habe ich mit solchen Sachen immer Glück“, beginnt Christiane Reppe zu erzählen. Und zwar eine eigentlich unglaubliche Geschichte. Der Deutsche Behindertensport-Verband (DBS) hat seine Paralympics-Siegerin von Rio vor der Rad-WM der Behinderten in Südafrika offenbar vergessen. „Der Fehler liegt ganz klar bei uns“, räumt DBS-Sprecherin Marketa Marzoli ein. „Wir haben es versäumt, sie bis zum Stichtag am 8. August beim Weltverband UCI zu melden“, erklärt sie.

Der eigene Verband hatte Reppe auf die interne Nominierungsliste gesetzt. „Sie wurde bei allem mitbedacht: Flug- und Hotelbuchungen. Und dann ist dieser wahnsinnige Fehler passiert“, erläutert sie. Die zuständige Sachbearbeiterin hat in der Übergabeliste an den Radsportweltverband via Internet den Namen von Reppe nicht eingetragen. Ein menschlicher Fehler. „Das darf nicht passieren, kann es aber. Wir sind alle nur Menschen“, sagte die 30-Jährige, nachdem die Titelverteidigerin ihre erste Verbitterung verdaut hat. Der Dresdnerin bleibt das Pech treu. Im Vorjahr wurde ihr die Rio-Medaille geklaut. Im April 2017 hatte sie eine Ersatzplakette erhalten.

Der DBS habe nun anderthalb Wochen versucht, den Rad-Weltverband noch umzustimmen. „Wir haben sogar die Schweiz und Russland kontaktiert, woher die beiden ärgsten Konkurrentinnen von Christiane stammen. Beide Nationen haben sich für eine Nachnominierung von Christiane ausgesprochen. Aber die UCI berief sich auf ihre Regularien“, erklärt Marketa Marzoli.

Die Reaktionen auf den Skandal sind enorm. Über 180 Kommentare erntete Reppe auf ihr entsprechendes Posting auf Facebook. „Es tut mir sehr leid, Christiane. Ich hätte mich auf den packenden Wettkampf mit dir gefreut. Ich kann wie keine andere deine Gefühle nachvollziehen. Wenn das ganze Jahr auf den Traum und Ziel gearbeitet wird und es einfach weggenommen wird“, schrieb ihre russische Kontrahentin Svetlana Moskovich. Die in Innsbruck lebende Athletin musste in Rio zuschauen, weil das Internationale Paralympische Komitee (IPC) den Doping-Bann über alle russischen Athleten verhängte – im Gegensatz zum IOC.

„Was uns bleibt, ist: Uns unendlich zu entschuldigen, das ist schon passiert. Christiane fliegt am Sonntag zumindest mit, was allerdings kein Trost ist“, sagt Marzoli. Und Reppe ist da gedanklich schon einen Schritt weiter. „Ich glaube, dass ich die Mannschaft gut unterstützen kann“, sagt sie. „Ich werde versuchen, im Social-Media-Bereich für das Team viel zu machen. Auf jeden Fall wollen am letzten Abend alle mit mir ein Bierchen trinken.“ Darüber kann sie sich ein Lachen nicht verkneifen.

Ironischerweise war die Dresdnerin, die für den niedersächsischen Verein GC Nendorf fährt, noch bis zum 18. August mit der deutschen Nationalmannschaft im Höhentrainingslager in St. Moritz. Der gesamte Trainingsaufwand eines Jahres ist nunmehr für die Katz. „So fühlt sich das an“, bestätigt die Athletin, der im Alter von fünf Jahren wegen eines Tumors das rechte Bein amputiert werden musste.

Der Verband sicherte zu, dass Reppe trotz nicht erbrachter Leistung beim Höhepunkt, was sehr skurril klingt, ihren jetzigen Förderstatus als A-Kader behält. „Da wird alles für sie weiterlaufen wie gehabt“, versichert die DBS-Sprecherin. „Das ist meine Existenzgrundlage, da hängen Sponsoren, Fördergelder dran“, erklärt die Athletin, die vom Verteidigungsministerium und von der Sporthilfe gefördert wird. „Ich lasse mir diese Zusage noch einmal schriftlich geben“, sagt sie. Sicher ist sicher.

„Eigentlich erhalte ich vom Landessportbund Niedersachsen für Medaillen Prämien. Die bekomme ich nun nicht.“ Dem Vernehmen nach entgehen ihr mehrere Tausend Euro. „Man kann nie mit einer Medaille rechnen, aber ich bin in dieser Saison wahnsinnig gut gefahren. Ich hätte in diesem Jahr zwei Goldmedaillen holen können – im Zeitfahren und im Straßenrennen.“ Vier Weltcupsiege belegen das.

Auf eine Schadensersatzklage deutet derzeit nichts hin. „Ich hoffe, dass ich im Guten mit dem Verband offen reden kann und sie mich auf irgendeine Art und Weise entschädigen“, sagt Reppe. Und der Verband gelobt Besserung, muss er auch. „So einen Fehler darf man sich nicht noch mal erlauben. Wir müssen da über eine entsprechende Kontrollposition nachdenken und Taten folgen lassen“, betont Marzoli.