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Die vielen Leben von Oma Gisela

Techno-Musik, Parteiarbeit und FKK-Baden halten sie jung, die Bombenangriffe auf Dresden haben sie geprägt. Heute wird Gisela Pfenniger 85 Jahre.

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© Nikolai Schmidt

Von Ingo Kramer

Gisela Pfenniger ist alles auf einmal: Partygängerin in Jugendclubs, Kneipen und auf Festivals, Stammgast im Freibad Hagenwerder und im Parteibüro der Linken, Leserbriefschreiberin in der SZ, andererseits aber auch Mahnerin und Demonstrantin für den Frieden. Dank all ihrer Aktivitäten ist sie längst nicht nur in ihrem Weinhübler Wohnviertel bekannt wie ein bunter Hund, sondern in der ganzen Stadt.

Kaum zu glauben, dass sie heute schon 85 Jahre jung wird. Dass sie das irgendwann mal schafft, war vor 71 Jahren kaum abzusehen. Gisela Pfenniger stammt ursprünglich aus Dresden und war dabei, als die Stadt am 13. Februar 1945 bombardiert wurde. Kurzzeitig war die damals 14-Jährige sogar verschüttet, doch sie überlebte. Das Ereignis hat sich tief in ihrer Seele festgebrannt und so erzählt sie bis heute viel davon – auch, um mit dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Die überzeugte Antifaschistin ist seit Langem Mitglied in der Linkspartei und fährt mit den Genossen an jedem 13. Februar nach Dresden.

Nach Görlitz zog sie zusammen mit ihrem Mann. Beide arbeiteten im Kraftwerk, führten ein ganz normales Leben. Vor 15 Jahren ist ihr Mann gestorben – und sie blieb in Weinhübel, obwohl Kinder, Enkel und Urenkel in und um Dresden leben. Sie legte eine erstaunliche Wandlung hin, blieb immer seltener zu Hause, geht stattdessen bis heute stets dahin, wo es ihr gefällt. Auch mit dem Rauchen und Trinken hat sie erst nach dem Tod ihres Mannes angefangen. „Ich bin alt genug, wenn ich jetzt daran sterbe, ist es auch egal“, hat sie ihre neuen Leidenschaften einmal begründet.

Im Kings Pub trinkt sie gern mal ein Bier mehr, im Basta ist sie ein gern gesehener Gast, aber für das meiste Aufsehen sorgte sie bei Festivals wie La Pampa und Moxxom im Freibad Hagenwerder, wo sie mit Tausenden jungen Menschen die Nacht durchfeierte und anschließend zum Schlafen in ihr kleines Zelt kroch. Die „Techno-Oma“, wie sie gern genannt wird, empfand die Festivals stets als Heimspiel, denn ins Freibad Hagenwerder kommt sie den ganzen Sommer über regelmäßig zum FKK-Baden.

Heute gibt es die Festivals nicht mehr, aber Oma Gisela ist immer noch da. Nur das Autofahren hat sie dieses Jahr aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und pro Woche legt sie einen rauchfreien Tag ein, weil das besser für die Gesundheit sei. Eine große Feier plant sie heute nicht, aber ein paar unangekündigte Gäste werden wohl in ihrer Weinhübler Wohnung aufkreuzen. Die SZ gratuliert und wünscht noch viele Jahre bei guter Gesundheit.