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Die Wahrheit über die Knackwurst

Die Klitzekleinkunst hat eine neue Führung durch Kamenz. Die Premiere hinterlässt bleibende Eindrücke.

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© Klitzkleinkunst

Von Nicole Preuß

Das ist schon ein Elend. Der Kamenzer Fleischermeister Miersch (Steffen Lorenz) hat zu viel Fleisch im Lager, es droht zu verderben. Er hat allerdings auch eine sehr resolute Gattin, die ihn erst wieder ins Ehebett lassen will, wenn er sich eine Lösung für das Problem ausgedacht hat. Das Resultat einer durchwachten Nacht ist die gute Kamenzer Knackwurst – und die findet schon im 19. Jahrhundert ihre Fans. „Wir werden reich, reich, reich“, frohlockt Ina Förster als Fleischersfrau Wilhelmine mit dem Nudelholz in der Hand und die 70 Teilnehmer der Premierenführung der Klitzekleinkunst gönnen ihr die Freude.

Sie sind aus Überzeugung zum ersten nächtlichen Rundgang im neuen Gewand gekommen oder wurden dazu eingeladen. Viele kannten bereits die Vorgängerführung der Kamenzer Laienspielgruppe. Die Schauspieler der Klitzekleinkunst haben nun allerdings neue Geschichten aus den Akten des Kamenzer Archivs geholt und sie in ihrer bewährten Art eindrucksvoll in Szene gesetzt. Fünf Jahre lang führten sie Besucher als Nachtgespenster durch die Stadt. Jetzt haben sie die Mönche, Mägde, Zigeuner und Henker wiederentdeckt und feierten am Freitag die erste Aufführung des neuen szenischen Rundgangs durch die Kamenzer Innenstadt.

13 Schauspieler dabei

Der Mönch des Franziskanerklosters (Wieland Fuchs), der im Gespräch mit einer Bürgersfrau (Ramona Prasse) so einiges über das Kloster, das Klostertor und den Geiz der Kamenzer erzählen kann, ist so ein Protagonist. Die Zigeunerin (Ina Förster), die aus Dankbarkeit das Hotel Goldener Hirsch mit einem Feuersegen schützt, ist eine andere Figur, der die Besucher im alten Kamenz begegnen. Die 13 Schauspieler schlüpfen zum Teil gleich in mehrere Rollen, gesellen sich mal zur Gruppe, verlassen diese wieder und bieten den Besuchern quasi nebenbei ein paar unterhaltsame Einblicke in die Kamenzer Geschichte.

Einige Informationen und Gestalten haben sie aus der früheren Führung übernommen. Sebastian Pieper mimt so nicht nur den Henker, sondern natürlich auch wieder den Stadtwächter. In dieser Rolle kann er einiges über die früheren Stadttore erzählen, frühere und heutige Wegelagerer erwähnen und sich natürlich auch die Bemerkung erlauben, dass früher rund um die frühere Fleischergasse mit den Kamenzer Fleischern immer nur sehr wenige Hunde und Katzen herumstreunten.

Auch Augusts Leibarzt ist dabei

Einige, teils historisch verbürgte Figuren, kommen aber auch zum ersten Mal in der Führung zu Ehren. Günter Haberstroh schlüpft in die Rolle des Dr. Haberkorn. Der Leibarzt von August dem Starken soll eine Bürgersfrau von ihrem Zipperlein befreien. „Sie müssen mich untersuchen, sie sind doch eine anerkannte Konifere.“ Er ist allerdings auf dem Weg zum Churfürsten, um ihm einen Zeh abzunehmen, und läuft mit den Besuchern einem Tuchmacher im Nachthemd in die Arme (Steffen Lorenz), der dabei ist auf der Leitergasse den großen Stadtbrand zu löschen. „Meine Alte, die dumme Nuss, hat das Eisen zu lange drauf gelassen“, erzählt der.

Die kleine Katechismuskirche an der Hauptkirche, die noch nicht einmal alle Kamenzer kennen, wird im Laufe der Führung besucht. Eine Besteigung des Roten Turms darf nicht fehlen und natürlich eine Besichtigung des Goldenen Hirsches mit der engagierten Wirtin (Bärbel Fuchs). Die Schauspieler legen eine Spielfreude an den Tag, die durchaus anstecken kann. „Heiratet bloß nie so einen Besen“, ruft der Fleischermeister Miersch den Besuchern zu, worauf einer antwortet: „Zu spät.“ Die Kostüme wurden mit viel Bedacht zusammengestellt. Das reicht bis zu den blauen Strümpfen in Holzschuhen, mit denen der Tuchmacher übers Kopfsteinpflaster klappert und dem golden glänzenden Kopftuch der Zigeunerin. Den anschließenden Empfang im Malzhaus mit Kamenzer Würsten, Liesker Bier und Wein vom „Nordhang des Hutbergs“ nicht zu vergessen.

Die Premierengäste, der Chor der Lessingstadt und der Chor der Partnerstadt Alzey, sind begeistert. Ulrike Pfennig hat die Führung bereits vor Monaten gebucht. „Der Chor von Alzey ist schon um sechs Uhr morgens losgefahren, aber trotzdem war die Entscheidung die richtige“, sagt sie. Sonnabend gaben beide Chöre ein Konzert anlässlich des 65. Geburtstags des Kamenzer Chors. Die Qualität der Führung hat sich herumgesprochen. Sechsmal zeigen die Schauspieler Besuchern in diesem Jahr die Stadt. Die Karten waren bereits einige Wochen nach Vorverkaufsstart alle weg. Bleibt die Hoffnung aufs nächste Jahr.