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Die Wölfe kommen trotzdem

Stephan Kaasche aus Hoyerswerda führte Interessierte durchs Wolfsrevier - vor Corona. Jetzt braucht er Lichtblick-Hilfe.

Von Olaf Kittel
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Stephan Kaasche aus Hoyerswerda steht am Aussichtspunkt Bergener See - und blickt in eine ungewisse Zukunft.
Stephan Kaasche aus Hoyerswerda steht am Aussichtspunkt Bergener See - und blickt in eine ungewisse Zukunft. © Matthias Rietschel

Neulich morgens um fünf. Gleich vier Wölfe tauchen gleichzeitig auf an Stephan Kaasches Lieblings-Aussichtspunkt im Lausitzer Seenland bei Hoyerswerda. Die Tiere hatten die Nacht über gejagt, waren müde und kamen jetzt hierher um zu trinken, Was man so macht vor dem Schlafengehen. Minutenlang beobachtete er sie durch sein Fernrohr und konnte sie sogar fotografieren, bevor sie sich wieder verzogen, um Schlafplätze zu suchen. Schade nur, dass Stephan Kaasche, 44, wieder keine Gäste dabei hatte, die er sonst durchs Wolfsrevier führt, ihnen die Spuren zeigt, ihre Losung, ihre Höhlen. Schade, wirklich schade, vier Wölfe auf einmal bekommt auch er nur selten zu Gesicht. Sonst vielleicht einen pro Woche.

Die Wölfe kommen, interessierte Gäste sind dieses Jahr bisher weggeblieben. Im Winter ist sowieso nicht viel los, und Mitte März, als die Saison gerade beginnen sollte, kam das Virus, und die Gäste, die schon gebucht hatten, sagten ab. Mindestens 60 Veranstaltungen sind dem selbstständigen Naturführer weggebrochen. Ausflügler mussten zuhause bleiben, Busreisende durften nicht los, und die Schüler nicht zur Exkursion. Seiner Lebensgefährtin, einer Naturführerin aus Tschechien, geht es nicht besser, auch sie hat kaum zu tun. Normalerweise pendelt sie wöchentlich zur Arbeit in die Heimat. Aber dies geht seit März auch nicht mehr, die Grenze ist ja praktisch zu.

Den Wölfen - hier am Bergener See nahe Hoyerswerda - ist Corona egal.
Den Wölfen - hier am Bergener See nahe Hoyerswerda - ist Corona egal. © Stephan Kaasche

Wovon leben sie dann? „Von den Reserven“, erklärt Stephan Kaasche. „Zwei Monate könnte das Geld maximal noch reichen, dann sind die Ersparnisse aufgebraucht. Ich verdiene ja mit meiner Arbeit keine Reichtümer.“ So geht es ihm wie vielen Soloselbstständigen. Hilfe, die nicht zurückgezahlt werden muss, gibt es kaum, für Hartz IV ist er zu stolz. Einen guten Tipp erhielt er von seiner Mutter. Die hatte in der Sächsischen Zeitung von der Stiftung Lichtblick gelesen und ihrem Sohn geraten, doch einen Antrag zu stellen. „Ich habe zuerst gedacht, dass das doch nichts bringt. Aber dann war ziemlich schnell und unkompliziert das Geld da. Sehr cool. Die 500 Euro Überbrückungsgeld sind richtig viel für mich.“

Stephan Kaasche hofft, dass das Schlimmste bald vorbei ist. Gäste dürfen in kleinen Gruppen wieder kommen, vielleicht winkt ja diesen Monat schon der eine oder andere Auftrag. Und ab Juni könnte es dann besser laufen, auch wenn es wohl nicht so schnell wieder wird wie vor Corona. Noch ist nicht absehbar, wann Busreisen möglich sind, und in den Schulen werden die Projektwochen in der Natur auch nicht vordringlich sein.

Die ruhige Zeit nutzt Stephan Kaasche, um seinen Gästen künftig noch mehr bieten zu können. Er sucht neue, interessante Wolfsreviere, in denen es viel zu sehen gibt. Er plant Fahrradtouren, um die in der Regel 20 Kilometer großen Wolfsreviere abfahren und so besser verstehen zu können. Er hilft dabei, genetisches Material der Wölfe auszuwerten, um ihre Wanderungen nachvollziehen zu können. Gerade jetzt im Frühjahr, wenn sich die Jungwölfe neue Reviere suchen, ist das besonders interessant. Kaasche erfährt dann manchmal, dass ein Wolf, dessen Spuren er in der Lausitz entdeckt hatte, jetzt in Holland aufgetaucht ist. Die meisten Jungwölfe ziehen gerade über Sachsen/Anhalt Richtung Niedersachsen, manche nach Brandenburg oder Thüringen, andere in die entgegengesetzte Richtung bis nach Weißrussland.

Sein neu erworbenes Wissen aus der erzwungen arbeitsfreien Zeit würde er nun gern loswerden. Er steht jedenfalls bereit für eineinhalbstündige bis ganztägige Touren. Gäste werden viel erfahren über die 22 Wolfsrudel in Sachsen, über Einzelgänger und durchziehende Tiere.

Auf Wolfssuche geht er aber nicht. „Auf Wölfe muss man warten, zum Beispiel am Aussichtspunkt am Bergener See. Manchmal klappt es dann, einen aus 100 Metern Entfernung mit dem Fernrohr zu beobachten. Ein Erlebnis, das man bestimmt nicht vergisst.“

Die Stiftung Lichtblick

  • Sie suchen Hilfe? Stellen Sie einen Antrag mit dem Formular auf www.lichtblick-sachsen.de mit Angaben zur Person, der Notsituation, dem Gewerbeschein bzw. Steuernummer.
  • Sie möchten helfen? Konto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden Stichwort „Corona“ BIC OSDDDE81,IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74
  • Erreichbar ist Lichtblick Di und Do 10 bis 15 Uhr unter 0351 4864 2846, [email protected]