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Die Wut von Somsdorf

Nirgendwo in Freital gab es so viele AfD-Wähler. Was bewegt die Menschen am Rande des Weißeritztals?

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Eine Straße windet sich den Berg hoch, rechts und links davon kuscheln sich kleine Wohnhäuschen an die herbstbunten Hänge. Astern und Studentenblumen blühen in den Vorgärten neben Schaukeln, Baumhäusern und Sandkästen. An einem Lattenzaun hängt ein Schild: „Turnhalle, Vereinshaus, Eibe e.V.“ steht darauf. Eibe e.V. ist zugleich der Name des Wahllokals, in dem die AfD wie nirgendwo sonst in Freital Stimmen holte. Die Partei kam hier auf 48,9 Prozent der Zweitstimmen, ihre Direktkandidatin Frauke Petry erhielt satte 50,7 Prozent. Zum Vergleich: In Gesamt-Freital stimmten 34,9 Prozent für die AfD und 35,1 Prozent für Petry.

Die AfD ist eine widersprüchliche Partei. Mal klingt es ganz vernünftig, was ihre Politiker sagen, dann wieder radikal, nationalistisch bis menschenverachtend. Wie passt das zu dem Idyll am Weißeritztalhang, zu den gepflegten Fachwerkhäuschen, den getrimmten Rasenflächen und der Milchtanke von Landwirt Bernhardt am Ortsrand, wo sich viele frische Milch holen und hausgemachten Joghurt gegen Kasse des Vertrauens mitnehmen?

„Die Leute haben von der Politik die Schnauze voll“, sagt Manfred Dittrich. Er ist Ur-Somsdorfer und Ehrenpräsident des hiesigen Karnevalvereins. Seiner Meinung nach wurden in den vergangenen Jahren zu viele Fehler gemacht, in der Flüchtlingspolitik vor allem. „Und dann wurden diese Fehler nicht zugegeben, sondern einfach nur gesagt, ‚Wir schaffen das‘. Aber keiner hat gesagt, wie. Das führt zu Politikverdrossenheit.“ Dittrich lässt durchblicken, dass er sein Kreuzchen nicht bei der AfD gemacht hat. Die seien ihm zu weit rechts.

Was er sich wünscht? „Ich wünsche mir, dass die Politiker zum Wohle des Landes zusammenarbeiten. Aber was ich beobachte, ist, dass alle Parteien gegeneinander arbeiten. Grundsätzlich.“ Es herrsche keine Vernunft in der Politik. Jeder arbeite gegen jeden. Macht eine Partei einen Vorschlag, sind die anderen grundsätzlich dagegen. Das nerve die Wähler. „Das war eine reine Protestwahl“, sagt Manfred Dittrich.

Somsdorf ist an einem Nachmittag in der Woche wie ausgestorben. Kaum Leute auf den Straßen, wer hier durchkommt, fährt mit dem Auto. Etwas Begängnis ist nur an der Milchtanke vom Bauernhof Bernhardt. Die zwei Kunden, die dort gerade stehen, sind aber keine Somsdorfer. Zum Wahlergebnis wollen sie sich nicht äußern.

Bisher nicht groß aufgefallen

An der Lübauer Straße nimmt ein junger Mann gerade die Post aus dem Briefkasten. „Das muss jeder mit sich ausmachen, was er wählt“, sagt er kurz angebunden. Den Somsdorfern gehe es nicht schlecht, damit habe die hohe Zustimmung zur AfD nichts zu tun. „Aber die Leute sind unzufrieden mit der Politik, keiner hat mehr Bock auf die CDU. Die haben nun im Wahllokal ihren Frust abgelassen.“

Somsdorf ist in den vergangenen Jahren nicht groß aufgefallen. Es gab mal Probleme mit Rechtsradikalen im Jugendklub. Das ist lange her. Bei der Landtagswahl 2014, als die AfD ebenfalls antrat, stimmten 8,7 Prozent der Somsdorfer für den Kandidaten Norbert Mayer, in ganz Freital waren es 10,8 Prozent. Und nur 8,3 Prozent gaben damals ihre Zweitstimme der AfD, in Freital waren es dagegen 11 Prozent. Allerdings spielte damals auch noch die NPD eine größere Rolle. Für die Rechts-Partei stimmten 2014 immerhin 8,7 Prozent der Somsdorfer. Zum Vergleich: In Gesamt-Freital waren es 5,6 Prozent.

Die Zustimmung zu konservativen Standpunkten sei in Somsdorf schon immer sehr groß gewesen, sagt Petra Schickert. Sie hat den Eibe-Verein mitbegründet, der im Ort Kinder- und Jugendarbeit leistet sowie Seniorennachmittage veranstaltet. Die Somsdorfer hätten ihr Kreuzchen nicht bei der AfD gemacht, weil sie von Armut bedroht seien. „Wir haben hier einige Firmen, die meisten Leute haben Arbeit und ihr Haus. Da hat wohl eher die Angst vor dem Abstieg eine Rolle gespielt“, schätzt Schickert.

Und noch etwas könnte für die hohe AfD-Zustimmung gesorgt haben: „Viele Somsdorfer fühlen sich als fünftes Rad am Wagen, obwohl sie im Stadtrat von zwei CDU-Abgeordneten vertreten werden. Hier passiert nicht viel, die Lokalpolitiker konzentrieren sich auf die Kernstadt.“