Wenn Kröten Frühlingsgefühle bekommen

Sie gehören inzwischen zur Frühlingslandschaft so wie Schneeglöckchen und Narzissen, die niedrigen, grünen Zäune, die den Kröten, Lurchen und Fröschen helfen, sicher die Straßen zu überqueren. Jetzt stehen sie wieder an belebten Straßen in der Nähe von Teichen. Rund fünf Kilometer solche Zäune haben Mitarbeiter des Landschaftspflegeverbands, der Osterzgebirgischen Landschaftspflege und der Straßenmeistereien im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge aufgebaut, wie Heidrun Gärtner informiert. Die Forstingenieurin ist beim Landschaftspflegeverband im Landkreis für den Amphibienschutz verantwortlich.
Der gefährliche Weg aus der Dippser Heide über die B 170
Am Dienstag kontrolliert sie den Zaun an der B 170, dort wo die Straße nach Oelsa abzweigt. Aus der Dippser Heide nehmen viele Kröten den Weg zum Hafterteich. Die erwachsenen Kröten leben an Land. Ein Mischwald, so wie die Dippser Heide, mit etwas Laub, in dem sie sich verkriechen können, ist günstig für sie. Aber um sich fortzupflanzen, benötigen die Tiere ein stehendes Gewässer. Dort legen die Weibchen ihre Laichschnüre, die Männchen befruchten diese, daraus schlüpfen die Kaulquappen, die nach einigen Wochen als Jungkröten in den Wald zurückhüpfen.
Nicht nur die Reifen machen die Kröten platt
Doch auf dem Weg vom und zum Hafterteich müssen die Tiere die Bundesstraße B 170 überqueren, die meistbefahrene Straße im Osterzgebirge. Das wäre für viele von ihnen tödlich. Wenn eine Kröte unter die Reifen gerät, ist sie sofort platt. Wird sie von einem schnellen Auto überquert, bekommt sie durch den Luftdruck einen Schock auf die Lungen und hat damit zumindest einen Schaden, erklärt Heidrun Gärtner.
Darum helfen viele Menschen den Tierchen. Die Zäune hindern die Kröten, die Straße zu erreichen. Also wandern sie daran entlang, bis am Ende davon ein Sammeleimer in die Erde vergraben ist. Dort plumpsen sie hinein und kommen auch nicht mehr heraus. Erst wenn die Betreuer den Zaun kontrollieren und die Tiere aus dem Sammeleimer herausheben in den Trageeimer, in dem sie sicher über die Straße gelangen.
Ein Engagement für Frühaufsteher
Die Kontrolle machen an vielen Stellen ehrenamtliche Helfer. Drei Zäune hat Heidrun Gärtner persönlich mit im Auge. Es kommt aber vor, dass Helfer ohne Absprache die Tiere über die Straßen tragen. „Das hilft uns nicht viel, weil es unsere Zahlen verfälscht“, sagt Gärtner. Sie ist aber immer dankbar für Angebote von Ehrenamtlichen. „Doch das ist nur etwas für Frühaufsteher“, sagt sie. Die Kröten wandern nachts und sitzen dann im Eimer fest. Sie sollten aber möglichst zügig zu ihren Flitterwochen gelangen. Und je nach Wetter sitzt eine ganze Menge im Eimer. Als es am Sonntag so warm war, haben viele Kröten Frühlingsgefühle bekommen. Da hatte Heidrun Gärtner am Montagmorgen 160 Tiere in ihren Eimern. Am Dienstagmorgen, nachdem es wieder winterlich geworden ist, waren es nur 15.
Die trockenen Jahre haben die Kröten dezimiert
Aber die Zahl der Kröten nimmt zurzeit ab. Die Trockenheit der letzten Jahre macht ihnen zu schaffen. Vor allem wenn im Frühjahr wenig Regen fällt, überleben viele frisch geschlüpfte Kröten nicht. Sie finden zu wenig Nahrung. Heidrun Gärtner sieht es auch den überlebenden Tieren an: „Voriges Jahr waren viele Männchen richtig dürr, halb verhungert“, berichtet sie. An allen 16 Krötenzäunen, um die sich der Landschaftspflegeverband kümmert, wurden im letzten Jahr 6.000 Tiere gezählt. Im Jahr 2016 sind es noch 14.000 gewesen. Am Hafterteich war der Rückgang nicht so drastisch, dafür an anderen Stellen umso deutlicher.
Die Kröten sind ein Bestandteil unseres Ökosystems. Sie fressen Insekten. Ob auch Borkenkäfer auf ihrem Speiseplan stehen, ist sich Heidrun Gärtner nicht sicher. Aber die Förster würden das sicher gut finden. Andererseits sind die Kröten auch eine Nahrungsquelle für andere Tiere. Wo Kröten verhungern, finden auch Störche nicht genug zu fressen. „Wo wir Kröten finden, haben wir ein halbwegs intaktes Ökosystem“, sagt Gärtner.