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Straßenwärter im Schlaglochkampf

Loch an Loch, und hält doch. Aber nur bis zum nächsten Winter. Unterwegs mit der Flickbrigade von Altenberg.

Von Jörg Stock
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Heiße Flicken: Torsten Schütz (l.) und Oliver Raue von der Straßenmeisterei Altenberg reparieren die löchrige Ortsdurchfahrt von Löwenhain mit Asphaltmischgut.
Heiße Flicken: Torsten Schütz (l.) und Oliver Raue von der Straßenmeisterei Altenberg reparieren die löchrige Ortsdurchfahrt von Löwenhain mit Asphaltmischgut. © Marko Förster

Den Schlaglöchern ist es schnurz, wo sie sich breit machen. Und wenn es vor dem Büro des Straßenmeisters ist. Schaut Michael Breiler aus dem Fenster, sieht er unten, auf dem Parkplatz, frische Flicken glänzen. "Der Schuster hat die schlechtesten Latschen", sagt er. Aber es gibt noch weitaus schlechtere. Und seine Flickbrigade ist unterwegs, das Schlimmste zu verhindern.

Man hatte ihn fast schon vergessen, aber dann kam er doch zurück - der Winter. Für Michael Breiler, den Leiter der Straßenmeisterei Altenberg, war es kein besonders strenger. Die Schneehöhen fielen moderat aus, die Verwehungen waren beherrschbar, die Schneefräse fuhr nur vereinzelt zum Einsatz. Und doch war es ein anstrengender Winter, sagt er, "anstrengend und kostenintensiv für uns."

"Wir tun das Bestmögliche." Altenbergs Straßenmeister Michael Breiler braucht jede Saison im Schnitt 350 Tonnen Asphalt, um Löcher zu flicken.
"Wir tun das Bestmögliche." Altenbergs Straßenmeister Michael Breiler braucht jede Saison im Schnitt 350 Tonnen Asphalt, um Löcher zu flicken. © Marko Förster

In dem halben Jahr, den der Winter diesmal blieb, hat die Meisterei doppelt so viele Räumeinsätze gefahren wie im Jahr davor und etwa doppelt so viel Tausalz verbraucht. Fast 5.000 Tonnen. Und wenn der Winter teuer ist, wird der Sommer auch teuer. Viel Winter macht viel Schaden, sagt der Meister. Demolierte Leitpfosten, blind gewordene Verkehrszeichen, zerfahrene Bankette. Und vor allem: Schlaglöcher.

Seit Jahren die gleichen Brennpunkte

Die Meisterei Altenberg betreut 302 Straßenkilometer. Ist der Frühling da, wird der Flickplan aufgestellt. Den Sommer über arbeiten die Straßenwärter am Erzgebirgskamm. Wenn der Herbst kommt, ziehen sie in die niederen Lagen um. Wo genau sie zu tun haben, wissen sie eigentlich auch ohne Plan. Dreißig, vierzig Prozent der Straßen sind in einem Zustand, sagt der Meister, dass sie jedes Jahr geflickt werden müssen.

Dieses Schild kennen die Löwenhainer zur Genüge. Jedes Jahr rückt hier die Flickbrigade der Straßenmeisterei an.
Dieses Schild kennen die Löwenhainer zur Genüge. Jedes Jahr rückt hier die Flickbrigade der Straßenmeisterei an. © Marko Förster

Der Ort Löwenhain hat so eine Straße. Eine Kette noch klebriger Asphaltkleckse führt zum Arbeitsort der Kolonne, die hier etwa vier Tage zu tun haben wird. Bis zum Dorfteich sind die Männer bereits vorgedrungen. Abkühlung gibt es nur in Gedanken. Ladung um Ladung rauscht heiße Masse aus einem mit Gas befeuerten Vorratstank in die Schrunden der Piste.

Ortsstraßen sind stark durchlöchert

Wenn Michael Breiler an seine Problemfälle denkt, dann denkt er auch und besonders an die Dorfstraßen: Johnbach, Hermsdorf am Wilisch, Reichenau, Sadisdorf. Oder eben Löwenhain. Aufgrabungen für Leitungen und Anschlüsse haben den Asphalt verwundet, den Untergrund gestört. Wasser und Frost dringen ein. Die Straße hebt und senkt sich, bricht auf, und wird, jedes Jahr ein bisschen mehr, zum Flickenteppich.

Das Schlagloch von morgen: In diesen Riss auf der Löwenhainer Dorfstraße werden nächsten Winter Wasser und Frost eindringen.
Das Schlagloch von morgen: In diesen Riss auf der Löwenhainer Dorfstraße werden nächsten Winter Wasser und Frost eindringen. © Marko Förster

Frank Schurig, der eben noch eine große Portion Mischgut mit seiner Walze festgerüttelt und planiert hat, stoppt sein Gerät und zieht die Stöpsel aus den Ohren. Er ist Vorarbeiter und der Spezialist für den Flickeinsatz in der Meisterei. Wie lange er hier schon flickt? Er zuckt die Schultern. Vermutlich die letzten dreißig Jahre. Manche von den Einwohnern schütteln den Kopf, erzählt er, "weil wir jedes Jahr die gleiche Arbeit machen."

Ein falscher Schritt kann fatal sein

Aber es gibt auch die, die beim Vorbeifahren den Daumen hochstrecken und so der Reparaturkolonne danke sagen. Es ist keine schlechte Baustelle. Vor allem, weil nicht so viel Verkehr ist, sagt Vorarbeiter Schurig. "Das ist ein Vorteil für unsere Arbeit." Dennoch kann auch hier jederzeit etwas passieren, wenn man die Gedanken nicht zusammen nimmt. "Ein falscher Schritt, und schon stehst du vorm Auto."

Der Stoff, aus dem die Flicken sind: Fünf bis sechs Tonnen heiße Asphaltmasse verarbeitet die Reparaturkolonne am Tag.
Der Stoff, aus dem die Flicken sind: Fünf bis sechs Tonnen heiße Asphaltmasse verarbeitet die Reparaturkolonne am Tag. © Marko Förster

Pro Flicksaison werden in der Altenberger Meisterei im Schnitt 350 Tonnen Asphaltmischgut per Hand eingebaut. Pro Lasterladung sind das fünf bis sechs Tonnen. Zum Feierabend darf davon nichts mehr übrig sein. Was einmal kalt und fest geworden ist, sagen die Männer, lässt sich nur noch mit der Spitzhacke entfernen.

Kehren, kleben, schütten und planieren

Gearbeitet wird immer nach gleichem Schema: Zuerst Schadstellen auskehren, dann den Asphaltkleber aufsprühen, dann das Mischgut einfüllen, dann verteilen, glatt rechen und planieren. Die Schaltstelle liegt beim Mann an der Schütte. Via Knopfdruck muss er die richtige Menge des schwarzen Stoffs auf die Straße kippen, genau so viel, dass überm Loch kein Buckel bleibt. Pfeifen können ist von Vorteil, zum Dirigieren des Kraftfahrers.

Dieser Mann macht Druck: Vorarbeiter Frank Schurig verdichtet die Reparaturmasse mit seinem kombinierten Walz- und Rüttelgerät.
Dieser Mann macht Druck: Vorarbeiter Frank Schurig verdichtet die Reparaturmasse mit seinem kombinierten Walz- und Rüttelgerät. © Marko Förster

Die Männer sind mit den Schlaglöchern auf Du und Du. Sie kennen ihre Flicken vom vorigen Jahr, und praktisch auch die vom nächsten, die jetzt noch kleine Risse sind, und in die noch kein Mischgutkrümel reinpasst. Manchmal könnte man schon die Sinnkrise kriegen, sagen sie. Aber dann sagen sie auch, dass das eben ihre Arbeit ist. Sie mögen es, an der frischen Luft zu sein.

Michael Breiler, der seit 44 Jahren im Metier ist, hat den Eindruck, dass der Sanierungsstau an den Straßen des Landes immer größer wird. Gleichzeitig steige die Beanspruchung. Mehr Autos, mehr Laster, immer breitere und schwerere Landmaschinen. Wenn die Leute sich bei ihm beschweren und neue Straßen wollen, kann er das verstehen. Aber er kann keine bauen. "Wir sind für die Unterhaltung zuständig", sagt er, "und da tun wir das Bestmögliche."

Schaltstelle an der Schütte: Torsten Schütz bestimmt per Knopfdruck, wie viel Asphalt fürs Schließen eines Lochs gebraucht wird.
Schaltstelle an der Schütte: Torsten Schütz bestimmt per Knopfdruck, wie viel Asphalt fürs Schließen eines Lochs gebraucht wird. © Marko Förster

Der Landkreis ist fürs Unterhalten von beinahe 1.200 Kilometern Kreis-, Staats- und Bundesstraßen zuständig. Die Kosten für die Arbeit seiner vier Meistereien, anteilig mitgetragen auch von Freistaat und Bund, belaufen sich laut Kreisverwaltung jährlich auf 3,8 Millionen Euro. Die Mittelzuweisungen haben sich seit 2008 nur geringfügig erhöht.

Für Flickarbeiten der Straßenwärter und der damit beauftragten Firmen werden weniger als sechs Prozent des Budgets verbraucht. Was den eigentlichen Straßenbau betrifft, so bearbeitet der Landkreis nur die eigenen Verkehrswege - 550 Straßenkilometer, außerdem 150 Brücken sowie zahlreiche Stützwände und Durchlässe.

Aufmerksamkeit ist lebenswichtig: Ein Sattelzug rollt durch die Löwenhainer Reparaturbaustelle.
Aufmerksamkeit ist lebenswichtig: Ein Sattelzug rollt durch die Löwenhainer Reparaturbaustelle. © Marko Förster

Heiko Weigel, zuständiger Beigeordneter im Landratsamt, sagt, dass nur gut 50 Prozent aller Fahrbahnen und der dazugehörigen Bauwerke in gutem Zustand sind. "Für die Kreisstraßen ist leider eine Zunahme des Erneuerungsbedarfs zu verzeichnen", konstatiert er. Dringenden Handlungsbedarf gebe es bei 13 Prozent der Fahrbahnen und Stützwände und bei 15 Prozent der Brücken.

In Löwenhain arbeitet sich der Reparaturtrupp weiter voran, Flicken für Flicken. Das ist noch das bessere Stück, sagen die Männer. Im Mitteldorf wird es schlimmer. Aber es gibt auch Hoffnung. Noch dieses Jahr sollen 500 Meter Ortsdurchfahrt gründlich instandgesetzt werden. Das freut Michael Breiler. Ein paar Flicken weniger, zumindest hier. Straßenmeister ist und bleibt er gern. "Das ist meine Berufung."